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Zur Haftung eines Landwirts für selbst hergestellte Futtermittel

Beklagter gilt im Sinne von § 4 ProdHaftG als Hersteller des fehlerhaften Produkts

OLG Hamm, Beschluss vom 02.11.2016, 21 U 14/16

Nordrhein Westfalen Wappen

Oberlandesgericht Hamm
Beschluss vom 02.11.2016
21 U 14/16

 

Leitsätze:

1. Ein Landwirt, der im Rahmen seines landwirtschaftlichen Betriebs geerntetes Heu zu Silage verarbeitet, ist Hersteller im Sinne von § 4 ProdHaftG;

2. Indem er die in seinem Betrieb hergestellte Silage an nicht in seinem Eigentum stehende Pferde verfüttert, bringt ein Landwirt das Futtermittel in den Verkehr;

3. Der Enthaftungstatbestand gem. § 1 II Nr. 5 ProdHaftG kommt bei einem Fabrikationsfehler nicht in Betracht, sondern vermag den Hersteller nur bei einem Konstruktions- oder Instruktionsfehler zu entlasten, weil lediglich Entwicklungsrisiken ausgeschlossen werden sollen, also die Haftung für Risiken eines Produktes, die im Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht erkennbar waren (Anschluss an: BGH NJW 2009, 2952, 2955; OLG München, Urteil v. 11.01.2011, Az. 5 U 3158/10, BeckRS 2011, 10312);

4. Die Anwendbarkeit von § 1 I ProdHaftG ist gem. § 15 II ProdHaftG nicht wegen eines Vorrangs des vertraglichen Gewährleistungsrechts ausgeschlossen;

5. Die Beurteilung der Frage, ob für ein Tier aufgewandte Behandlungskosten erstattungsfähig oder unverhältnismäßig hoch sind, erfordert eine Gesamtbetrachtung aller Einzelfallumstände, so dass eine im Einzelfall bei dem dreifachen Betrag der jährlichen Kosten gezogene Verhältnismäßigkeitsgrenze nicht schematisch auf andere Fälle übertragen werden kann (Anschluss an: BGH, Urteil v. 27.10.2015, VI ZR 23/15 = r+s 2016, 45, 46).

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten durch einstimmigen Senatsbeschluss gemäß § 522 II ZPO zurückzuweisen, da zur einstimmigen Überzeugung des Senats das Berufungsbegehren wegen offensichtlicher Unbegründetheit keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und eine Entscheidung in dieser Sache nicht der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient. Eine mündliche Verhandlung ist zur einstimmigen Überzeugung des Senats nicht geboten.

Gem. § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO beruht oder dass die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das angegriffene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO der Beurteilung durch den Senat zugrunde zu legenden Tatsache eine andere Entscheidung. Die mit den Entscheidungsgründen im landgerichtlichen Urteil vorgenommenen Würdigungen des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs aus § 1 I ProdHaftG sind nicht zu beanstanden.

Gründe:

I.
1.

2.

Ein Ausschlusstatbestand im Sinne von § 1 II ProdHaftG ist nicht erfüllt. Auch insoweit weisen die umfassenden und auch im Detail zutreffend begründeten Ausführungen des Landgerichts keinen Rechtsfehler auf. Sie berücksichtigen insbesondere in angemessener Weise, dass Art. 7 RL 85/374/EWG, auf dem die Enthaftungstatbestände beruhen, eng auszulegen ist (BGH NJW 2014, 2106, 2109).

Die Anwendbarkeit von § 1 I ProdHaftG ist auch keinesfalls wegen eines Vorrangs des vertraglichen Gewährleistungsrechts ausgeschlossen, denn gem. § 15 II ProdHaftG bleibt die Haftung aufgrund anderer Vorschriften, zu denen sowohl die vertragliche Gewährleistung als auch deliktische Anspruchsnormen gehören, grundsätzlich unberührt (Palandt/Sprau, a.a.O., § 15 ProdHaftG Rn. 4; MüKo/Wagner, a.a.O., § 15 Rn. 2; Erman/Schiemann, BGB, 14. Aufl., § 15 ProdHaftG Rn. 3).

Die angegriffene Entscheidung weist hinsichtlich der Anwendung von § 251 II BGB keinen Rechtsfehler auf. Auch unter Berücksichtigung der vom Beklagten angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.10.2015 ergibt sich keine Begrenzung des zuerkannten Schadensersatzanspruchs unter dem Gesichtspunkt unverhältnismäßiger Behandlungskosten.

Auch im Übrigen vermag der Beklagte einen seine Inanspruchnahme wegen der tierärztlichen Behandlungskosten hindernden Umstand nicht darzutun.

 

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