Der Beklagte als Anschlussinhaber ist nicht zur Aufklärung der Frage verpflichtet, wer als Täter über seinen Anschluss begangene Urheberrechtsverletzungen begangen hat
LG Düsseldorf, Urteil vom 02.04.2014, 12 O 163/13
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 02.04.2014
12 O 163/13
Im Namen des Volkes
TEIL – ANERKENNTNIS – SCHLUSSURTEIL
In dem Rechtstreit
1. …
Kläger zu 1)
2. …
Kläger zu 2)
./.
…
Beklagte
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Volker Dahlbokum, LL.M.Eur.LL.M.,Klosterstr. 22, 40211 Düsseldorf
hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf im schriftlichen Verfahren unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes vom 12.03.2014 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht …, den Richter am Landgericht … und den Richtern …
für Recht erkannt
- Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1. außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 100,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.03.2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtstreits werden der Klägerin zu 1. zu 1/6 und dem Kläger zu 2. zu 5/6 auferlegt. Die Kläger dürfen die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, es sei denn dieser leistet vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Tatbestand
Der Kläger zu 2. (nachfolgend: Kläger) begehrt Unterlassung der Verletzung seiner Leistungsschutzrechte durch den Beklagten; die Klägerin zu 1. (nachfolgend: Klägerin) begehrt insoweit aus abgetretenem Recht Schadenersatz sowie den Ersatz der Kosten der Rechtsverfolgung.
Der Kläger, der bis Oktober 2010 unter … firmierte, ist ausschließlicher Rechteinhabe einer Vielzahl pornographischer Filme. Unter anderem besitzt er an dem Film „…“ sämtliche Rechte.
Am 23.04.2010 wurder dieser Film um 17:39:19 Uhr zum Download von der IP-Adresse 80.132.213.88 zum Download bereitgestelt. Diese IP – Adresse war dem Internetanschluss des Beklagten zugeordnet.
Mit der Anlage K 1 vorgelegten Abtretungsvereinbarung vom 17./23.07.2012 trat der Kläger der Klägerin seine vermeintlichen Ansprüche aus Lizenzschadensersatzforderungen und Rechtsanwaltsgebühren für außergerichtliche Abmahnungen ab.
Der Kläger behauptet, er – noch firmierend unter …. e.K. – habe den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 22.06.2010 (vorgelegt als Anlage K 14) abgemahnt. Das Schreiben sei ordnungsgemäß von der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten über die Deutsche Post AG versendet worden und ein Rücklauf sei nicht erfolgt.
Die Kläger sind der Auffassung, dass der Beklagte entgegen seines Vortrages als Täter hafte. Sie bestreitet, dass das W-Lan-Netzwerk des Beklagten ungesichert bzw. offen gewesen sei.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr jedenfalls der geltend gemachte Betrag von 1.000,00 € als Lizenzschaden zustehe. Ausgehend von einem Streitwert von 20.000,00 € könne sie für die Abmahnung Anwaltkosten in Höhe von 859,80 € beanspruchen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
- an die Klägerin einen Schadenersatzbetrag in Höhe von 1.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.07.2010 zu zahlen,
- an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 859,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat hinsichtlich des Betrages zu 2. einen Teilbetrag in Höhe von 100,00 € mit der Klageerwiderung anerkannt.
Er beantragt im Übrigen,
die Klage der Klägerin abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €; ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten; oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu 2 Jahren, zu unterlassen, das urheberrechtlich geschützte Filmwerk des Klägers zu 2. „…“ ohne Einwilligung des Klägers zu 2. im Internet öffentlich zugänglich zu machen.
Hilfsweise beantragt er,
dem Beklagten zu verbieten, es Dritten zu ermöglichen, das urheberrechtlich geschützte Filmwerk „…“ ohne Einwilligung des Klägers zu 2. im Internet über eine Filesharingbörse öffentlich zugänglich zu machen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich des hilfsweise geltend gemachten Unterlassungsantrags hat der Beklage mit Schriftsatz vom 22.04.2013 ein Anerkenntnis erklärt, insoweit aber ausgeführt, dass er der hinreichenden Bestimmtheit des Unterlassungsantrages mangels konkreter Verletzungsform fehle. Mit Schriftsatz vom 13.01.2014 hat der Beklagte klargestellt, dass er den Unterlassungsantrag nicht anerkennt.
Der Beklagte behauptet, er habe am 23.04.2010 Nachtdienst gehabt. Er sei Mitgleid einer Selbstverteidigungsgruppe und gehe regelmäßig vor Beginn seiner Nachtschichten in den Sport-Club- Salomon in Düsseldorf – Bilk, wo ab 19:00 Uhr die „WingSun“ Trainingseinheit stattfinde. Zuvor habe er eine 3/4 – Stunde bis Stunde am Fitnesstraining teilgenommen, weshalb er gegen 17:00 Uhr seine Wohnung in Düsseldorf – Unterrath verlassen habe. Andere hätten keinen Zugang zu seiner Wohnung gehabt. Im Hinblick auf die Entscheidung des BGH „Sommer unseres Lebens“ habe er feststellen müssen, dass sein W-Lan-Anschluss nicht hinreichend gesichert gewesen sei. Er vermute daher, dass ein Dritter sich eingewählt und die Urheberrechtsverletzung begangen habe.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass der Kläger Abmahnkosten lediglich in Höhe eines Betrages von 100,00 € verlangen könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Parteien haben sich mit der Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt, die Kläger mit Schriftsatz vom 31.01.2014 und der Beklagte mit Schriftsatz vom 13.01.2014. Durch Beschluss der Kammer vom 13.02.2014 ist eine Frist zur abschließenden Stellungnahme bis zum 12.03.2014 gesetzt und Verkündungstermin bestimmt worden.
Entscheidungsgründe
I.
Soweit der Klägerin ein Betrag von 100,00 € zugesprochen worden ist, beruht dies auf dem Anerkenntnis des Beklagten. Der Klageantrag ist dahingehend auszulegen, dass die Klägerin insoweit den Erlass eines Anerkenntnisurteils begehrt.
Eine weitere Begründung ist gem. § 313b Abs. 2 ZPO entbehrlich.
II.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
1. Weder kann die Klägerin Schadenersatz und Abmahnkosten noch der Kläger Unterlassung, wie mit dem Hauptantrag beantragt, gemäß §§ 97 Abs. 1, 97a, 19a UrhG beanspruchen, weil nicht feststeht, dass der Beklagte als Täter für die unstreitig erfolgten Rechtsverletzungen im Sinne von § 19a UrhG verantwortlich ist.
Der Beklagte ist jedefalls der ihm nach der Rechtsprechung des BGH obliegenden sekundären Darlegungslast (BGH GRUR 2010, 633 – Sommer unseres Lebens) nachgekommen.
Der Beklagte hat substantiiert dargetan, dass er nicht als Täter für die streitgegenständliche Rechtsverletzung in Betracht kommt. Denn er hat vorgetragen, dass er sich im Zeitpunkt der Verletzungshandlung nicht zu Hause aufgehalten hat und seiner Berufstätigkeit nachgegangen ist. Vielmehr hat er einen Sachverhalt vorgetragen, der – die Wahrheit unterstellt – eine täterische Haftung ausgeschlossen erscheinen lässt. Anhaltspunkte für einen der prozessualen Wahrheitspflicht zuwider laufenden Vortrag haben sich nicht ergeben. Im Rahmen der Kammer obliegenden freien Beweiswürdigung hat dies zur Folge, dass die Grundlagen für eine etwaige anzunehmende tatsächliche Vermutung der Verantwortlichkeit des Beklagten (so BGH GRUR 2010, 633 (634 Tz. 12) – Sommer unseres Lebens) erschüttert sind.
Die Kläger verkennen das Wesen der sekundären Darlegungslast, wenn sie vom Beklagten den Beweis verlangen, dass der Anschluss durch Dritte tatsächlich missbraucht wurde. Auch ist der Beklagte als Anschlussinhaber nicht zur Aufklärung der Frage verpflichtet, wer als Täter über seinen Anschluss begangene Urheberrechtsverletzungen begangen hat. Die sekundäre Darlegungslast umfasst nicht die Pflicht des Behauptenden, diesen Sachverhalt gegebenenfalls zu beweisen (Reichold in: Thomas/Putzo, 29. Auflage, 2008, vor § 284 ZPO Randnr. 18). Die Kammer hält nach erneuter Überprüfung an dieser Auffassung fest.
Es erscheint schon zweifelhaft, ob es sich noch im Rahmen einer tatsächlichen Vermutung hält, von einer bestimmten tatsächlichen und rechtlichen Stellung auf die Verantwortlichkeit für Rechtsverletzungen zu schließen; die Kammer verkennt nicht, dass tatsächliche Vermutungen auch in Bezug auf Umstände anerkannt sind, die mit einer Wertung verbunden sind. Die Verantwortlichkeit für Rechtsverletzungen ist hingegen kein tatsächlicher Umstand mit wertenden Elementen mehr, sondern eine rein rechtliche Bewertung.
Jedenfalls genügt zur Entkräftung der Vermutung die ernsthafte Möglichkeit, dass allein ein Dritter und nicht auch der Anschlussinhaber den Internetzugang für die behauptete Rechtsverletzung genutzt hat (BGH, GRUR 2013, 511 (514) Tz. 34 – Morpheus)
Selbst in der die tatsächliche Vermutung der Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers postulierenden Entscheidung führt der Bundesgerichtshof an anderer Stelle aus, dass die IP-Adresse anders als eBay-Konto-Zugangsdaten bestimmungsgemäß keine zuverlässige Auskunft über die Person geben könne, die zu einem konkreten Zeitpunkt den Anschluss nutzt (BGH aaO. (Tz. 14); auf diesen Widerspruch weisen auch Spindler, CR 2010, 592 (593), Schwartmann/Kocks, K&R 2010, 433 (436) sowie Galetzka/Stamer, K&R 2012, 1 (12) hin). Vor dem Hintergrund, dass tatsächlichen Vermutungen ein unterschiedlich starkes menschliches Erfahrungswissen zugrunde liegt und Fälle zu beobachten sind, wo tatsächliche Vermutungen im Einzelnen als Indiz geeignet sind, aber für sich genommen noch nicht das Vorliegen einer vorläufigen Überzeugung des Richters begründen können (so Prütting in einem der Kammer in mehreren Verfahren vorgelegten Gutachten vom 05.10.2012), vermag die Kammer der vom Bundesgerichtshof konstatierten tatsächlichen Vermutung nicht mehr als Indiz – Charakter zu entnehmen, so dass an die Widerlegung keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen sind. Dafür spricht auch die bereits erwähnte neuere höchstrichterliche Entscheidung (BGH Morpheus, aaO.), in der in der Sache entschieden wurde und keine Zurückweisung erfolgt ist, obgleich im Instanzenzug keine Beweisaufnahme hinsichtlich des eindeutig als streitig bezeichneten Sachverhalts (OLG Köln, ZUM 2012, 697(698)) stattgefunden hat (vgl. auch LG Köln BeckRS 2011, 90547).
Auch in der Literatur ist die postulierte tatsächliche Vermutung mitunter dahingehend verstanden worden, dass die Auswirkungen der Vermutung unter dem Gesichtspunkt der Behauptungslast zu beurteilen sind (Laumen in: Pütting/gehrlein, ZPO, 4. Auflage 2012, § 286 ZPO Rn. 81). Diese indes ist im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu berücksichtigen, wobei die sekundäre Behauptungslast nicht so weit geht, dass die beklagte Partei neben einem substantiierten Vortrag auch entsprechende Beweismittel bezeichnen müsste (Laumen aaO. unter Verweis auf BGH NJW 2008, 982 (984)).
Der anders lautenden Rechtsmeinung in dem der Kammer aus anderen Verfahren bekannten Rechtsgutachten (Prüting, aaO.), der sekundär Darlegungsbelastete müsse die Wahrheit seiner Behauptung beweisen, folgt die Kammer nicht; der Gutachter führt an anderer Stelle zu den als Indiz geeigneten, für sich genommen aber noch nicht das Vorliegen einer vorläufigen Überzeugung des Richters begründenden Vermutungen aus, in solchen Fällen könnte sie „im Rahmen der freien Beweiswürdigung“ berücksichtigt werden, ohne dass allein aufgrund der tatsächlichen Vermutung bereits ein Gegenbeweis von der Gegenseite zu führen wäre (vgl. Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, Grundlagen, 2. Aufl. 2009, S. 342ff.)“. Letzteres entspricht aus den erörterten Erwägungen der Auffassung der Kammer.
Vorliegend verbleibt die Möglichkeit, dass die Rechtsverletzung durch Dritte über den ungesicherten W-Lan-Anschluss erfolgte. Die Kläger, die die anspruchsbegründenden Voraussetzungen darlegen und beweisen müssen, haben insoweit keinen geeigneten Beweis angetreten.
2. Soweit der Kläger mit dem Hilfsantrag den Beklagten als Störer auf Unterlassung in Anspruch nehmen will, ist die Klage ebenfalls unbegründet.
Der Beklagte hat diesen Anspruch nicht anerkannt. Soweit er in der Klageerwiderung ein Anerkenntnis erklärt hat und zugleich ausgeführt hat, dass er einen um die Verletzungshandlung („dass er seinen W-Lan-Router nicht mit einem persönlichen, ausreichend langen und sicheren Passwort versieht) ergänzten Unterlassungsantrag anerkennt, ist dies lediglich als Ankündigung eines Anerkenntnisses zu verstehen. Der Beklagte hat ausdrücklich die Zulässigkeit des von der Klägerin gestellten Hilfsantrags gerügt und insoweit zum Ausdruck gebracht, dass er diesen Antrag gerade nicht anerkennt. Insoweit handelt es sich bei dem Anerkenntnis des Beklagten um eine bloße Ankündigung im Sinne von § 129 ZPO, so dass keine sofort verbindliche Erklärung vorliegt. Mit Schriftsatz vom 13.01.2014 hat der Beklagte klargestellt, dass der von der Klägerin gestellte Unterlassungsantrag, der sich auf eine Störerhaftung beziehen soll, nicht anerkannt wird.
Der Hilfsantrag ist unbegründet, weil der Kläger sich das Vorbringen des Beklagten zur unzureichenden Sicherung seines W-Lan-Routers nicht zu Eigen macht. Das Gegenteil ist der Fall. Mit Schriftsatz vom 12.03.2014 hat der Kläger es nochmals ausdrücklich bestritten, dass das W-Lan-Netzwerk des Beklagten ungesichert bzw. offen gewesen war. Insoweit fehlt für eine Inanspruchnahme als Störer jegliches konkretes Vorbringen.
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Abmahnkosten aus abgetretenem Recht ausscheidet. Hinzu kommt, dass der Beklagte den Zugang des Abmahnschreibens, das sich im Übrigen auch nur auf eine Haftung als Täter bezieht, bestritten hat. Den Beweis für den Zugang hat die Klägerin nicht angetreten.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 100 ZPO
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 1, Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert: 11.859,80€, wovon auf die Klägerin 1.859,80 € und auf den Kläger 10.000,00 € entfallen.