Keine Schadensersatzansprüche nach einem Baumaschinenunfall
LG Köln, Urteil vom 10.05.2016, 30 O 432/10
Landgericht Köln
Urteil vom 10.05.2016
30 O 432/10
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Streithelfers der Beklagten (Streithelfer zu 2)) sowie der Kosten des
selbständigen Beweisverfahrens 30 OH 3/11 LG köln trägt der Kläger. Die Kosten der Streithelferin des Klägers trägt die
Streithelferin zu 1) selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz materiellen und immateriellen Schadens aufgrund eines Unfalles des Klägers am 18.10.2007 in Köln auf dem P-Straße.
Die Beklagte zu 2) ist Herstellerin der Baumaschine Typ #####, mit der sich der streitgegenständliche Unfall ereignete. Die Beklagte zu 2) ist in einen Konzern eingegliedert, dessen oberste Muttergesellschaft zwischenzeitlich die Beklagte zu 1) geworden ist.
Bei dem Dumper handelt es sich um ein Transportfahrzeug zum Einsatz auf Baustellen mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 27 km/h und Zusatzbelastung innerhalb der Kippmulde von zehn Tonnen.
Die Beklagte zu 2) erteilte am 10.07.2007 nach entsprechender CE-Zertifizierung im eigenen Namen einen Prüfauftrag an die U GmbH zur Erstellung eines Musterberichts über den Dumper zum Zwecke der Zulassung in Deutschland. Der Kläger, gelernter Kfz-Meister, war seit März 1996 als Techniker bei der U GmbH angestellt. Er sollte im Rahmen seiner Tätigkeit Tests mit der Baumaschine Dumper Typ 10001+ durchführen. Nachdem bereits etliche Tests mit der zu diesem Zweck von der Beklagten zu 2) zur Verfügung gestellten Maschine (Fahrgestellnummer ####) beim U durchgeführt worden waren, wurden Bremstests durch den Kläger durchgeführt. Dabei wurde zunächst das Verzögerungs- und Bremsverhalten des Dumpers ohne Beladung auf dem Gelände des U geprüft. Sodann sollten Testfahrten mit Beladung durchgeführt werden. Dazu lud der Kläger mit Hilfe von Kränen bei einem dem U-Gelände benachbarten Stahlhandel schwere Stahlplatten in die Lademulde, die – in Fahrtrichtung gesehen – steil nach vorne ansteigt. Anschließend wurden auf dem U-Gelände noch weitere kleinere Stahlplatten mit einem Kran in die Mulde geladen.
Mit der vorstehend beschriebenen Prüfbeladung versehen fuhr der Kläger mit dem Testfahrzeug in den öffentlichen Straßenverkehr, auf die Straße P-Straße am Gelände des U. Aus streitigen Gründen kippte das Fahrzeug nach vorne, die Mulde des Fahrzeuges schlug auf den Straßenasphalt auf und das Fahrzeug geriet mit der Hinterachse in die Höhe und prallte dann wieder in seine Ausgangsposition zurück auf die Straße. Die Stahlplatten rutschten aus der Lademulde auf die Straße. Der Kläger, der einen Beckengurt als Sicherheitsgurt umgeschnallt hatte, wurde hierbei nach vorne geworfen und prallte mit dem Gesicht gegen das Lenkrad. Sodann wurde er zurück nach hinten geschleudert, die Rückenlehne des Fahrersitzes brach am Gelenk zur Sitzfläche und der Kläger schlug mit Rücken und Schädel gegen die hintere Abdeckung der Maschine auf. Dabei zog er sich erhebliche Verletzungen im Schädelbereich, am Rücken und der Wirbelsäule zu, die im Einzelnen streitig sind.
Auf die in Anlage K5 vorgelegten Lichtbilder des Fahrzeuges und der Unfallstelle nach dem Unfall wird ergänzend Bezug genommen.
Im Auftrag des U erstattete der Streithelfer der Beklagten, Herr Dipl.-Ing. I, unter dem 10.12.2007 ein Gutachten zu dem Unfallhergang und der Unfallursache, wegen dessen Inhalts auf Bl. 63 ff. der beigezogenen Strafakte 632 UJs 193/07 Bezug genommen wird. Herr I kam zu dem Ergebnis, dass es nicht durch technische Mängel oder Unzulänglichkeiten vom Fahrzeug zu dem Unfall gekommen sei, sondern dieser auf eine vom Fahrer ausgelöste Verzögerung zurückzuführen sei. Der Streithelfer ergänzte sein Gutachten unter dem 29.12.2008 im Auftrag der Staatsanwaltschaft und bestätigte sein bisheriges Ergebnis (vgl. Bl. 90 ff. der Beiakte).
Der Kläger behauptet, er habe zunächst erwogen, zur Erreichung des Prüfgewichts hinsichtlich der Beladung die Lademulde mit Beton zu füllen, da mit Kies oder anderen Stoffen das Ladungsgewicht von zehn Tonnen nicht zu erreichen gewesen sei. Dies hätte aber dazu geführt, dass nach Abschluss der Untersuchungen die ausgehärtete Betonfüllung zeit- und kostenintensiv aus der Lademulde ausgestemmt hätte werden müssen, was die leitenden Mitarbeiter des U #### und E dem auftraggebenden Kunden, der Beklagten zu 2), nicht zumuten wollten, da das Fahrzeug nach Abschluss der Untersuchungen an einen Kunden ausgeliefert werden sollte. Vor diesem Hintergrund sei es entsprechend einer Absprache mit den Vorgesetzten des Klägers #### und E zu der Beladung mit den – insgesamt sechs – Stahlteilen gekommen. Die zulässige Zuladung von zehn Tonnen sei dabei nicht überschritten worden. Vorsorglich habe der Kläger die Stahlplatten gegen Verrutschen mehrfach abgesichert. Zu diesem Zweck habe der Kläger die Stahlplatten miteinander und zusätzlich auch mit der Mulde an der Vorderkante verschweißt, um ein Verrutschen der Last auszuschließen. Zudem seien die Stahlplatten mit Spanngurten zusätzlich in der Mulde verzurrt worden. Die Form der Beladung zur Herstellung des Prüfgewichtes sei dem Kläger von Seiten des U vorgegeben worden und beruhe auf einer internen – anscheinend fehlerhafte – Berechnung. Für die Berechnung des Schwerpunktes der Ladung und die Auswahl der Art des Prüfgewichtes sei der Kläger nicht verantwortlich gewesen.
Der Kläger behauptet weiter, menschliches Versagen oder eine Fehlbedienung der Maschine durch den Kläger scheide aufgrund der technischen Sicherheitsvorkehrungen bei fehlerfreier Funktion und Einhaltung der baulichen Sicherheitsvorschriften als Unfallursache aus. Als Ursache kämen nur Konstruktions- oder Produktionsfehler in Betracht. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen sei es zu einer plötzlichen Blockade gekommen. Im Hinblick auf die einschlägigen Sicherheitsvorschriften in § 41 StVZO sei eine starke Verzögerung des Fahrzeuges durch Bremsen technisch auszuschließen, gleiches gelte für ein Abbremsen des Fahrzeuges durch ein etwaiges versehentliches Umschalten vom Vorwärts- in den Rückwärtsgang während der Vorwärtsfahrt. Wäre das Fahrzeug ordnungsgemäß mit einer hinreichend stabilen hohen Sitzlehne und darüber hinaus mit einem Dreipunktgurt ausgestattet gewesen, hätte der Kläger sich die nunmehr eingetretenen Verletzungen zudem nicht zugezogen.
Nachdem der Kläger zunächst behauptet hat, es habe die aus Anlage K4 ausschnittsweise (sowie auf Bl. 129 GA ausschnittsweise) ersichtliche Bedienungsanleitung vorgelegen, bestreitet er mit Schriftsatz vom 14.09.2015, dass dem Fahrzeug eine Bedienungsanleitung beigelegen habe.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte zu 1) als Konzernmutter bzw. deren Rechtsnachfolgerin ebenfalls hafte.
Die Streithelferin behauptet, die vom Kläger vorgenommene Beladung mit Stahlplatten habe genau dem Gewicht von zehn Tonnen entsprochen. Die Stahlplatten seien für den Test optimal geeignet gewesen, da nur so das Höchstgewicht ohne Sichtbehinderung für den Fahrer und ohne Verlust der Ladung beim Bremsvorgang erreicht worden sei. Dass diese Art der Beladung nicht ordnungsgemäß sein soll, habe sich aus der seinerzeit ausgehändigten Bedienungsanleitung (Bl. 129 GA) nicht ergeben. Die Beladung (Stahlplatten) habe formschlüssig in der Mulde gelegen und sei zusätzlich miteinander verschweißt gewesen. Zudem sei eine Sicherung durch Zurrgurte erfolgt. Ein Wegrutschen nach vorne oder zu den Seiten sei nicht möglich gewesen. Als erfahrener Testfahrer habe der Kläger selbst über die Art und Weise des zu beladenen Dumpers entschieden; eine Weisung zur Anordnung der Platten habe es nicht gegeben.
Der Kläger und deren Streithelferin beantragen,
1. die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von 120.000,00 €, nebst 8% Zinsen über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 28.11.2008 zu zahlen;
2. die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger eine monatliche Schmerzensgeldrente, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von 250,00 €, nebst 8% Zinsen über dem jeweils gültigen Basiszinssatz ab dem 01.12.2008 zu zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche gegenwärtigen und künftigen materiellen Schäden aus dem Unfall vom 18.10.2007 auf dem P-Straße in Köln zu erstatten, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen;
4. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche künftigen immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 18.10.2007 zu erstatten, die sich aus dem Unfall vom 18.10.2007 oder etwaigen Verschlimmerungen oder Verschlechterungen seines Gesundheitszustandes aufgrund dieses Unfalls ergeben.
Hilfsweise beantragt der Kläger,
dass die Erstattung der Kosten an die S RechtsschutzVersicherungs-AG, E-Straße, 50679 Köln, verlangt wird.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Der Streithelfer der Beklagten beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, der Dumper habe im Jahr 2007 dem Stand der Technik entsprochen und keine Fehler aufgewiesen. Der Unfall sei auf eine unsachgemäße Bedienung des Dumpers zurückzuführen durch ein Verrutschen der nicht zugelassenen Ladung, was zu einer nachteiligen Verlagerung des Schwerpunktes des Fahrzeuges geführt habe. Dass die Beladung unzulässig gewesen sei, ergebe sich aus der Bedienungsanleitung, die – insoweit unstreitig – den Transport der für Baustellen üblichen Schuttgüter sowie Beton vorsah.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 27.06.2011 (Bl. 212 f. GA) mit Ergänzungsbeschlüssen vom 23.02.2012 (Bl. 297 GA) und vom 08.06.2012 (Bl. 326 GA) durch Einholung schriftlicher Sachverständigengutachten. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. T vom 23.10.2013 (Bl. 437 ff. GA) und sein Ergänzungsgutachten vom 20.11.2014 (Bl. 631 ff. GA), das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. Q vom 21.02.2014 (Bl. 476 ff. GA) und das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. X vom 28.03.2014 (Bl. 547 ff. GA) sowie sein Ergänzungsgutachten vom 17.04.2015 (Bl. 626 ff. GA) Bezug genommen. Zudem haben die Sachverständigen Dr. T und Dipl.-Ing. X ihre Gutachten mündlich erläutert. Wegen des Ergebnisses der Anhörungen der Sachverständigen wird auf das Sitzungsprotokoll vom 12.04.2016 (Bl. 765 ff. GA) Bezug genommen.
Das Gericht hat die Akten des selbstständigen Beweisverfahrens 30 OH 3/11 des Landgerichts Köln sowie die Akten 632 UJs 193/07 der Staatsanwaltschaft Köln beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die geltend gemachten Ansprüche stehen dem Kläger gegen die Beklagten aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu, insbesondere nicht aus §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 8, 9 ProdHaftG. Dabei kann die Passivlegitimation der Beklagten zu 1), die unstreitig jedenfalls nicht Herstellerin im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG des streitgegenständlichen Dumpers war, dahinstehen. Denn eine Haftung beider Beklagten scheitert in jedem Fall daran, dass ein Fehler des Produktes nicht festgestellt werden kann. Gemäß § 3 Abs. 1 ProdHaftG hat ein Produkt einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere seiner Darbietung, des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann, des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde, berechtigterweise erwartet werden kann. Die Beweislast für das Vorliegen eines solchen Fehlers trägt gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 ProdHaftG der Geschädigte, mithin vorliegend der Kläger. Den ihm insofern obliegenden Beweis konnte der Kläger nicht führen; er bleibt beweisfällig.
So wurde das Vorliegen eines Fehlers des Dumpers von den Sachverständigen im Rahmen der gerichtlich angeordneten Begutachtung nicht bestätigt.
Die Sachverständigen Dipl.-Ing. Q in seinem Gutachten vom 21.02.2014 (Bl. 476 ff. GA) und Dipl.-Ing. X in seinem Gutachten vom 28.03.2014 (Bl. 547 ff. GA) haben festgestellt, dass ein Bruch der Antriebswelle nicht Ursache des Unfalles gewesen sei, sondern diese Beschädigung erst im Rahmen des Abschleppvorganges nach dem Unfall herbeigeführt worden sei. Der Sachverständige Q hat für seine Feststellungen eine Besichtigung des streitgegenständlichen Dumpers sowie eine Probefahrt durchgeführt. Zwar befanden sich zu diesem Zeitpunkt Sitz, Kardanwelle, Getriebe und Getriebeaufhängung des Fahrzeuges nicht mehr im Zustand des Unfallzeitpunkts, sondern waren ausgetauschte Neuteile, und insbesondere die beschädigte Kardanwelle war zum Zeitpunkt der Besichtigung nicht mehr vorhanden. Aber die am Dumper noch vorhandenen Beschädigungen am Kardantunnel in Verbindung mit den anhand von Lichtbildern getroffenen Feststellungen an der beschädigten Kardanwelle ließen den Sachverständigen eindeutig darauf schließen, dass diese nicht durch einen Bruch zum Blockieren der Antriebsachse geführt hat, sondern davon auszugehen sei, dass die festgestellten Beschädigungen auf einen mehrfachen Kontakt der bei dem Schadensereignis beschädigten Antriebswelle im Rahmen des Abschleppvorgangs herbeigeführt worden sei (vgl. Bl. 501 GA). Der Sachverständige X hat in seinem Gutachten bestätigt, dass die Kardanwelle erst nach dem Unfall gebrochen ist (Bl. 559 f., 567 GA), und er konnte keine Hinweise auf technische Mängel des Dumpers feststellen (Bl. 566 f. GA). In seinem Ergänzungsgutachten vom 17.04.2015 (Bl. 626 ff. GA) hat der Sachverständige X eindeutig erklärt, dass es keine Erklärung für eine plötzliche Blockade, die eine höhere Verzögerung als eine Vollbremsung hervorrufe, gebe, und er keinen Nachweis für einen technischen Mangel gefunden habe (Bl. 629 GA). Die Behauptungen des Klägers in dieser Hinsicht wurden damit nicht bestätigt.
Die Prüfung des Dumpers auf elektromagnetische Verträglichkeit im Prüflabor SGS hat nach den Ausführungen des Sachverständigen Q ergeben, dass bis zu einer Feldstärke von 30 V/m an allen vier Fahrzeugseiten keine EM-Störeinflüsse nachgewiesen werden konnten, die eine Funktionsbeeinträchtigung der Schaltvorgänge hätten auslösen können (Bl. 493, 502 GA). Auch insofern sind die klägerischen Behauptungen damit nicht bestätigt worden.
Der Sachverständige Dr. T hat in seinem Gutachten vom 23.10.2013 (Bl. 437 ff. GA) erklärt, dass bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug nur Beckengurte vorgeschrieben seien und auch der Einsatz von Kopfstützen nicht notwendig sei (Bl. 468 ff., 475 GA), so dass auch insofern die Beweisaufnahme für den Kläger negativ ergiebig verlief.
Schließlich hat der Sachverständige Dr. T eine Simulation des Unfalls mithilfe eines Unfallrekonstruktionsprogrammes („PC-Crash“ in verschiedenen Versionen) durchgeführt. Anhand der Dokumentation und des Datenblattes zu dem Dumper sowie der Messwerte des U zu Achslasten im beladenen und unbeladenen Zustand des Fahrzeuges hat der Sachverständige die Schwerpunktslagen ermittelt und anhand der bekannten Maße der Stahlplatten die fehlenden Maße abgeschätzt, um so den Unfallhergang mit unterschiedlichen, unterstellten Beladungszuständen zu modellieren. Auf dieser Grundlage ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass der den Unfall auslösende Kippvorgang mit großer Wahrscheinlichkeit auf ein Verrutschen der Ladung zurückzuführen sei (Bl. 468, 474 GA). Auf entsprechende Nachfragen hat der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten vom 20.11.2014 (Bl. 631 ff. GA) ausgeführt, dass ein Vorwärtskippen des Dumpers nicht erklärt werden könne, wenn die Stahlplatten hinten am unteren Ende der Mulde auflagen und nicht Verrutschen konnten; diese Beladungsvariante aufgrund der vermessenen Achslasten aus technischer Sicht aber ausgeschlossen werden könne (Bl. 633 ff. GA). Eine Verschweißung der Stahlplatten sei nicht sicher feststellbar, jedenfalls seien keine Schweißnähte ersichtlich; wenn dann müsse eine solche aber so schlecht gewesen sein, dass sie sich gelöst habe (Bl. 641, 645 GA). Diese Feststellungen haben die Sachverständigen T und X im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausführlich – auch anhand von Lichtbildern – erklärt und bestätigt.
Es ist kein Grund ersichtlich, an den ausführlich und nachvollziehbar begründeten Feststellungen der Sachverständigen zu zweifeln.
Der Sachverständige T hat im Rahmen der mündlichen Anhörung ausdrücklich an seinen Feststellungen zur Unfallrekonstruktion festgehalten und diese nochmals ausführlich und nachvollziehbar begründet. So hat er insbesondere ausgeführt, dass er die Art und Weise der Beladung anhand der von dem U angegebenen Achslastverteilung in beladenem Zustand und der bekannten Masse der Beladung rekonstruiert hat. Diese Werte und Berechnungen hatte der Sachverständige bereits in seinem Ausgangsgutachten vom 23.10.2013 angeführt, ohne dass einer der Beteiligten der Richtigkeit der Ausgangswerte bestritten oder korrigiert hat. Ebenfalls ausgeführt hat der Sachverständige anschaulich, dass bei einer Beladung in der von dem Kläger behaupteten Variante einerseits die Achslastverteilung nicht zu den angegeben Werten passe und andererseits die zulässige Last auf der Vorderachse in diesem Fall überschritten gewesen wäre. Schließlich hat er erläutert, dass die genaue Geschwindigkeit und die Straßenbeschaffenheit vorliegend nur einen relativ geringen Einfluss auf die Kipptendenzen des Dumpers gehabt haben können.
Somit konnte auch der Sachverständige Dr. T keinen Fehler an dem streitgegenständliche Dumper feststellen, sondern führt den streitgegenständlichen Unfall eher auf die Art und Weise der Beladung als mögliche Ursache zurück. Diese könne – für sich oder aufgrund eines Verrutschens der Stahlplatten – zu einer Schwerpunktverlagerung geführt haben, die sodann zu dem Kippvorgang geführt habe. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits kann dahinstehen, ob und wie der Kläger die Stahlplatten befestigt hat. Denn ausweislich der von der Streithelferin des Klägers vorgelegten Bedienungsanleitung zu dem Fahrzeug war der Dumper „für den Transport der für Baustellen üblichen Schüttgüter sowie für Beton geeignet und entwickelt“ (Bl. 129 GA). Darunter fallen die Stahlplatten nicht. Und wenn trotzdem eine Beladung zu Prüfzwecken mit einem derart anderen Gut vorgenommen wird, sollte dies nur derart erfolgen, dass die Beladung in Belastung, Schwerpunkt und Bewegungsverhalten mit den zulässigen Gütern vergleichbar ist. Wenn dafür vorliegend Sorge getragen worden wäre, wäre es nach den Ausführungen des Sachverständigen aber nicht zu dem Unfall gekommen. Ob dies auf fehlerhafte Berechnungen oder eine unzureichende Befestigung zurückzuführen ist, ist für den vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich, da beides jedenfalls keinen Produktfehler darstellt. Ob die Streithelferin des Klägers dem Kläger die Bedienungsanleitung überlassen hat, ist in diesem Zusammenhang ebenfalls irrelevant, da sie jedenfalls dem Fahrzeug beilag, welches der Streithelferin überlassen wurde, so dass der Beklagten zu 2) auch insofern kein Vorwurf gemacht werden kann. Und selbst wenn die Anleitung nicht vorgelegen haben sollte, hätte es den Prüfern des Fahrzeuges oblegen, diese zwecks ordnungsgemäßer Durchführung des Prüfverfahrens anzufordern und die darin enthaltenen Hinweise bei den Tests zu berücksichtigen. Dass die Art und Weise der zu Prüfzwecken vorgenommenen Beladung grundsätzlich problematisch war und dies dem Kläger bewusst war, ergibt sich offensichtlich daraus, dass er nach eigenem Vortrag Sicherungsmaßnahmen wie das Verschweißen und Sicherungsgurte von sich aus für erforderlich gehalten hat, was bei einer Beladung mit den für das Fahrzeug vorgesehenen Gütern so nicht erforderlich gewesen wäre.
Dem Antrag des Klägers auf „Vorlage der gesamten Unterlagen/Akte über den streitgegenständlichen Prüfauftrag“ durch die Streithelferin des Klägers war nicht nachzugehen (§ 142 Abs. 1 ZPO). Soweit dieser Antrag bereits mit Schriftsatz vom 09.06.2015 (Bl. 684 GA) gestellt worden ist, handelte es sich um einen Beweisantritt zu der – zwischen dem Kläger und seiner eigenen Streithelferin – streitigen Behauptung, dass für die Berechnung des Schwerpunktes der Ladung und die Auswahl des Prüfgewichtes der Kläger nicht verantwortlich gewesen sei. Unabhängig davon, dass Erklärungen der Streithelferin gemäß § 67 ZPO nicht in Widerspruch zu denen der Hauptpartei stehen dürfen und damit der Sachvortrag des Klägers als Hauptpartei Vorrang vor demjenigen seiner Streithelferin hat (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 67 Rn. 9 m.w.N.), ist diese Tatsache für den vorliegenden Rechtsstreit jedenfalls nicht entscheidungserheblich, so dass dem Beweisantritt nicht nachzugehen war. Soweit der Kläger den Antrag in der mündlichen Verhandlung vom 12.04.2016 wiederholt hat vor dem Hintergrund, dass den Sachverständigen angeblich nicht sämtliche Unterlagen zu dem Prüfauftrag vorgelegen hätten, war seinem Begehren ebenfalls nicht nachzugehen. Denn die gerichtlich bestellten Sachverständigen haben die Begutachtung durchgeführt, ohne gegenüber dem Gericht anzuzeigen, dass eine Begutachtung ohne bestimmte Unterlagen nicht möglich sei, so dass nicht ersichtlich ist, dass die Unterlagen zur Beantwortung der entscheidungserheblichen Fragen erforderlich gewesen sind. Zudem trägt der Kläger nicht vor, um welche Unterlagen es sich konkret handeln soll und welche Tatsachen damit belegt werden sollen. Somit bezweckt der Kläger mit seinem Antrag eine Sachverhaltsausforschung, für die im Zivilprozess kein Raum ist.
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Im Ergebnis kann damit das Vorliegen eines Produktfehlers, der zu dem Unfall geführt haben könnte, nicht festgestellt werden, so dass dem Kläger keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten zustehen.
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Die materiellen Nebenforderungen teilen das Schicksal der unbegründeten Hauptforderungen.
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Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 101 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 u. Satz 2 ZPO.
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Streitwert: 163.000,00 €.