Klage wegen mehrerer Baumängel führt zur Kaufpreisminderung
LG Bochum, Urteil vom 22.06.2004, 2 O 96/03
Landgericht Bochum
Urteil vom 22.06.2004
2 O 96/03
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
GmbH
AG
Klägerin
./.
Frau
Beklagte zu 1)
Herrn
Beklagte zu 2)
Prozessbevollmächtigten: Rechtsanwalt Volker Dahlbokum LL.M.Eur., LL.M, Klosterstr. 22, Düsseldorf 40211
GmbH
Streithelferin auf Seiten der Klägerin und Streitverkündete zu 2)
GmbH
Streithelferin auf Seiten der Beklagten
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum auf die mündliche Verhandlung vom 22.06.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht …, den Richter am Landgericht … und die Richterin …
für Recht erkannt
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.
Die Kosten der Nebenintervention trägt die Streitverkündete selbst. - Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von den Beklagten die Zahlung restlichen Entgeltes in Höhe von 6.081,67 € sowie die Feststellung, dass den Beklagten keine Gewährleistungsansprüche aus der Mängelliste vom 31.12.2001 zustehen. Die Klägerin hat ein ehemaliges Zechengelände erschlossen und bebaut. Durch notariellen Erwerbsvertrag vom 01.02.1999 erwarben die Beklagten auf diesem Gelände das Grundstück … mit der Verpflichtung der Klägerin dort ein Einfamilienhaus (Reihenmittelhaus) mit der Nr. 124 nebst Carport und freistehendem Kellerersatzraum zu errichten. Das vereinbarte Entgelt belief sich auf 315.000,00 DM.
Hinsichtlich der Gartenzugangswege enthält der notariell beurkundete Vertrag auszugsweise folgende Regelung:
„1. Die veräußerten Gartenzugangswege stehen den Erwerbern der Häuser 84 bis 144 in Bruchteilseigentum zu.
2. Erwerber verpflichten sich, gemeinsam mit den anderen Erwerbern weiterer Miteigentumsanteile die Gartenzugangswege nur zum Gehen zu benutzen, um ihr jeweiliges Grundstück zu erreichen. Die Benutzung mit Krankenfahrstühlen ist gestattet.“
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den notariellen Vertrag vom 01.02.1999 (UR-Nr. … des Notars … in B. = Anlage K1 zur Klageschrift vom 03.04.2002) Bezug genommen.
Ausweislich des Besitzübergabe- und Abnahmeprotokolls (Bl. 39-49 d. A.) erfolgte die Inbesitznahme des Hausgrundstückes durch die Beklagten am 02.08.2000. Mit Schreiben vom 15.10.20003 stellte die Klägerin den Beklagten für die letzte Kaufpreisrate sowie den Aufwand für eine von den Beklagten in Anspruch genommene Zwischenfinanzierung abzgl. einer vereinbarten Kaufpreisminderung 11.194,58 € in Rechnung. Auf diesen Forderung zahlte die Wohnungsbauförderungsanstalt Nordrhein Westefalen am 15.03.2002 5.112,91 €.
Die Beklagten übersandten mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 31.12.2001 eine umfangreiche Mängelliste. Wegen dieser Mängelliste wird auf Bl. 56 und 57 d. A. Bezug genommen. Eine Mängelbeseitigung erfolgte nicht.
Die Klägerin erkennt die Berechtigung der geltend gemachten Mängel nicht an. Wegen der Tür in der Lärmschutzwand und der Regenfallrohre beruft sie sich auf den § 2.2 des Vertrages vereinbarten Änderungsvorbehalt. Sie behauptet hinsichtlich der Tür in der Lärmschutzwand, dass bei der ursprünglichen Konzeption der Zugangstür entgegen einer – unstreitigen – Auflage der Feuerwehr – eine tragbare Leiter nicht habe in Stellung gebracht werden können. Hinsichtlich des Gartenzugangsweges ist sie der Ansicht, dass eine „Ebenerdigkeit“ des Gartenzugangsweges nicht geschuldet gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin als Gesamtgläubiger 6.081,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 17.11.2001 zu zahlen.
2. festzustellen, dass den Beklagten gegenüber den Klägerin aus dem Kaufvertrag über das Hausobjekt am … in B. vom 01.02.1999 (UR-Nr. … des Notars … mit Dienstsitz in B.) keine Gewährleistungsansprüche gemäß Mängelliste vom 31.12.2001 zustehen.
Die Streitverkündete zu 2) beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldnerin zu verurteilen, an die Klägerin als Gesamtgläubiger 6.081,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 17.11.2001 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, die in der Mängelliste aufgeführten Mängel seien auch vorhanden. Im Einzelnen tragen sie vor:
– Die Tür der Lärmschutzwand sei mangelhaft und entspreche nicht der vertraglichen Vereinbarung. Sie sei einflügelig statt zweiflügelig ausgeführt worden, weise lediglich eine Breite von 1,20 m statt 1,60 m auf und das kleine Sichfenster stelle keine Teilverglasung im Sinne der Baubeschreibung dar – was unstreitig – ist.
– Statt der unstreitig vereinbarten Ausführung der Regelfallrohre in Zinkblech seien – ebenfalls unstreitig – Kunststoffrohre verwendet worden.
– Statt der unstreitig vereinbarten Pflasterung der Zuwegung im Vorhof mit Betonplatten seien – unstreitig – Knochensteine verwendet worden.
– Die Dachrinne sei ohne Traufblech, Traufbohle und Traufenzuluftelement angebracht worden. Ferner sei die Dachlatte zu hoch gestellt, so dass Regenwasser über die Dachrinne hinweg fließen könne.
– Die Holzbalken des Carports weisen Risse auf und seien daher mangelhaft.
– Die Hausfassade sei verdeckt.
– Die Einfahrtshöhe des Carports betrage nur 2,20 m statt wie vereinbart 2,40 m.
– Im Kriechschacht befinde sich Wasser. Dort sei der Einbau einer Drainage erforderlich.
– Im Haus seien an der Decke des ersten Obergeschoss Putzschäden vorhanden.
– Aufgrund der Umstandes, dass der Gartenzugangsweg hinter dem Grundstück – unstreitig – nicht ebenerdig, sondern bis zu 2 m höher angelegt wurde, sei im Garten der Beklagten eine 2 m hohe Stützwand aus L – Betonsteinen und eine 0,9 m breite Stahltreppe durch die Klägerin angelegt worden. Diese führe zu eine Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks. Da der Gartenzugangsweg nur über eine Treppe erreichbar sei, könne dieser auch nicht mit einem Krankenfahrstuhl genutzt werden,
Ferner sind die Beklagten der Ansicht, dass ihnen hinsichtlich der in der Klageforderung enthaltenen Zwischenfinanzierungskosten gegenüber der Klägerin in dieser Höhe ein Schadenersatzanspruch aus Schuldnerverzug zustehe.
Die Beklagten machen Kaufpreisminderung geltend und erklären die Aufrechnung mit einem Schadenersatzanspruch aus Verzug, mit der Maßgabe, dass die Minderung bzgl. des Gartenzugangsweges nur hilfsweise geltend gemacht wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlichen Sachverständigengutachtens gemäß Beweisbeschluss vom 10.07.2002. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen … vom 12.08.2003 sowie auf dessen ergänzende Stellungnahmen vom 05.11.2003 und 17.02.2004 Bezug genommen.
Die .. und … GmbH ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin mit Schriftsatz vom 15.05.2003 beigetreten. Die … GmbH ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten mit Schriftsatz vom 01.08.2003 beigetreten.
Entscheidunsgründe
Die Zahlungsklage sowie die Feststellungsklage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von 6.081,67 €, weil den Beklagten Minderungsansprüche in mindestens gleicher Höhe zustehen.
Zunächst steht nach den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen … in dieser Sache fest, dass verschiedene Mängel vorliegen, die zur Geltendmachung einer entsprechenden Minderung berechtigen,
Die Tür ist der Lärmschutzwand ist mangelhaft. Gemäß der Baubeschreibung schuldete die Klägerin eine komfortable zweiflügelige Holztür mit Teilverglasung, die nach der ursprünglichen Planung 1,60 m breit sein muss. Der Ist-Zustand widerspricht dem Vertragssoll. Die Tür in der Lärmschutzwand misst nur 1,20 m, ist nur einflügelig und lediglich ein kleines Sichtfenster. Diese Ausführung ist nicht durch den Änderungsvorbehalt gemäß § 2.2 des Erwerbsvertrages gedeckt. Denn nach den Darstellungen des Sachverständigen, welche die Parteien insoweit auch nach angegriffen haben, war diese Ausführung nicht bauordnungsrechtlich bedingt.
Der Sachverständige … schätzt die Mängelbeseitigungskosten auf 2.640,16 € für den Einbau einer Türkonstruktion, die den ursprünglichen Plänen entspricht. Soweit sich hinsichtlich der Höhe der Mängelbeseitigungskosten Abweichungen zu den von dem Sachverständigen … ermittelten Mängelbeseitigungskosten in den Verfahren 2 O 137/03 und 2 O 138/03 ergeben, hat der Sachverständige … nachvollziehbar erläutert, dass der Unterschied auf unterschiedlichen Angeboten der Handwerker beruhe. Preisunterschiede von 30 – 50 % seien hierbei keine Besonderheit. Die Mängelbeseitigungskosten sind hier als Minderwert anzusetzen.
Mangelhaft ist ferner die Materialausführung der Regenrohre aus Kunststoff statt aus Zinkblech. Zwar wird ein Mangel von dem Sachverständigen … ohne weitere Begründung verneint. Die Kammer hat jedoch bei gleichem Sachverhalt in anderen Verfahren, z.B. Landgericht Bochum Az: 2 O 67/03, einen Mangel bejaht. Dabei bewendet es abermals. Mit dem Sachverständigen … sind insoweit Mängelbeseitigungskosten von 320,00 € anzusetzen, welche gleichzeitig den Minderwert darstellen.
Mangelhaft ist auch der Traufbereich. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen … stellt das Fehlen der Traufbohle bei der vorliegenden dachkonstruktion einen Mangel dar, da ihre Funktion nicht auf andere Weise erfüllt wird. Ferner ist der Traufbereich so zu gestalten, dass auf der Dacheindeckung herunterbewegendes Wasser auch bei stärkeren Regenfällen noch durch die Dachrinne abgeführt wird. Als Minderwert sind die Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 1.538,16 €.
Des Weiteren stellen die Risse in den Holzbalken des Carports einen Mangel dar. Zwar hat der Sachverständige … festgestellt, dass die Risse im Zeitpunkt der Begutachtung noch nicht die die Standsicherheit gefährdende Gesamttiefe erreicht hatten. Er hat jedoch überzeugend ausgeführt, dass dieser Zustand mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in allernächster Zukunft eintreten werden, so dass bereits aktuell von einem mangelhaften Zustand auszugehen ist. Dabei sind die Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 354,96 € sind als Mindestwert anzusetzen.
Im 1. Obergeschoss des Hauses hat der Sachverständigen zudem Abplatzungen der dort ausgesprühten Raufaserstruktur festgestellt, welche einen Mangel darstellen. Denn nach seinen Ausführungen sind diese durch Reste von Schalöl oder einen partiell fehlenden Grundierung hervorgerufen worden. Der Minderwert beträgt 170,52 €.
Eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung (§ 634 Abs. 1 Satz 1 BGB a. F.) ist entbehrlich, weil die Klägerin ihre Gewährleistungspflicht schlechthin bestreitet. (§ 635 Abs. 2 BGB a. F.)
Hingegen liegen bzgl. folgender Punkten keine Mängel vor:
Die Verwendung von Betonkleinpflaster für die Zuwegung im Vorhof statt der vereinbarten Betonsteinplatten stellt im Gegensatz zu den Ausführungen hinsichtlich der Dachrinne keinen Mangel dar. Denn der Sachverständige … hat überzeugend dargelegt, dass das ausgeführte Betonkleinpflaster gegenüber dem vereinbarten Pflaster eine Verbesserung darstelle, weil es eine längere Lebensdauer habe.
Ebenso stellt die Verschmutzung der Hausfassade keinen Mangel dar. Der Sachverständige hat nachvollziehbar erläutert, dass es sich um die „normale“ durch Zeitablauf auftretende Verschmutzung handele.
Ferner ist die Abweichung bzgl. der Einfahrtshöhe zum Carport (2,20 m statt 2,40 m) kein Mangel, da dadurch bedingte Nutzungseinschränkungen der Beklagten nicht ersichtlich sind.
Der Kriechschacht ist von dem Sachverständigen … ebenfalls als fachgerecht beurteilt worden.
Schließlich begründet vorliegend das Fehlen des Traufenzuluftelements keinen Mangel. Der Sachverständige hat hierzu eingehend erläutert, dass bei Zugrundelegung der unbestrittenen Angaben der Streitverkündete zu 2) die Sachkonstruktion als ungelüftetes Dach zulässig gewesen sei.
Soweit die Beklagten einen Schadenersatzanspruch hinsichtlich der Zwischenfinanzierungskosten gegen die Klägerin geltend machen, steht ihnen kein Anspruch zu. Denn der Schaden ist auch nach gerichtlichem Hinweis vom 01.04.2003 nicht substantiiert dargelegt worden.
Aus dem vorrangig zur Minderung gestellten Positionen ergibt sich daher ein Gegenanspruch in Höhe von 5.023,80 €.
Die verbleibende Klageforderung ist durch das hilfsweise geltend gemachte Minderungsrecht der Beklagten wegen der nicht vertragsgemäßen Gartenzugangswege erloschen.
Die Klägerin hat als Veräußerer nach dem Vertragswortlaut an die Beklagten auch den erstellten Gartenweg zu einem Bruchteil übertragen. Ausweislich § 18 Nr. 2 des notariellen Vertrages wird die Benutzbarkeit des Weges zum Gehen und zum Befahren mit Krankenfahrstühlen vorausgesetzt. Auch wenn sich aus dem Vertragswortlaut nicht ausdrücklich entnehmen lässt, dass dieser Gartenweg auf einer etwa gleichen Höhe mit dem Geländeniveau des Grundstücks der Beklagten angelegt werden soll, ist aus Sinn und Zweck dieser Vertragsbestimmung unzweideutig zu entnehmen, dass die Beklagten den Weg von ihrem Garten auch erreichen können. Dies ergibt sich etwa aus der eingeräumten Benutzungsmöglichkeit für Krankenfahrstühle. Um mit einem Krankenfahrstuhl vom Garten in den Gartenweg zu gelangen, kann allenfalls eine kleine Steigerung von 20 bis 30 cm überbrückt werden, nicht aber ein Höhenunterschied von 2 m, wie er hier unstreitig vorliegt, der zudem über eine 0,9 m breite Stahltreppe zu überwinden ist.
Aus diesem Grund steht den Beklagten ein weiteres Minderungsrecht zu, dessen Höhe die Kammer in Hinblick auf den merkantilen Minderwert gemäß § 287 ZPO auf einen die restliche Klageforderung von 1.057,87 € übersteigenden Betrag schätzt.
Für die Klage auf Feststellung, dass den Beklagten wegen der Mängelliste vom 31.12.2001 keine Gewährleistungsrechte mehr zustehen, dürfte zwar eine Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO gegeben sind, da die Geltendmachung nicht verjährter Minderungs- oder Schadenersatzansprüche nicht ausgeschlossen ist. Die Klage ist jedoch unbegründet, da dem Beklagten, wie bereits ausgeführt, Gewährleistungsrechte zustehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 und 2. Hs., wobei mi der Streitverkündeten die Streitverkündete zu 2) gemeint ist.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht sich auf §§ 709 Satz 1 und 2 ZPO.