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Ersatzverpflichtung einer Bank zur Erstattung torgerichtlicher Rechtsanwaltskosten

Versuchte Inanspruchnahme eines Bürgen trotz vorheriger Kündigung der Bürgschaft durch die Bank

AG Bochum, Urteil vom 21.05.2004, 45 C 500/03

Nordrhein Westfalen Wappen

Amtsgericht Bochum
Urteil vom 21.05.2004
45 C 500/03

Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

Herr …

Kläger

./.

Sparkasse …

Beklagte

hat das Amtsgericht Bochum auf die mündliche Verhandlung vom 22.04.2004 durch den Richter am Amtsgericht …

für Recht erkannt

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 208,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.10.2003 zu zahlen.
  2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
  3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 92 % und die Beklagte zu 8 %.
  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, jedoch dürfen die Parteien die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls nich vor der Vollstreckung die jeweilige Gegenseite Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beklagte gewährte in den Jahren 1997 und 1998 der damaligen Lebensgefährtin des Klägers mehrere Darlehen über insgesamt 900.000,00 DM. Zur Sicherung dieser Darlehen schlossen die Parteien entsprechende Bürgschaftsverträge an.

Mit Schreiben vom 14.06.2002 (Bl. 16 d. A.) kündigte die Beklagte die Bürgschaften gegenüber dem Kläger und forderte diesen anschließend mit gleichem Schreiben auf, die Darlehenskonten auszugleichen. Daraufhin wandte sich der Kläger an seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten, der mit Schreiben vom 24.06.2002 (Bl. 18 d. A.) die „Kündigung der Bürgschaften … ausdrücklich annahmen“. Dafür stellte er dem Kläger eine 7,5/10 Gebühr in Höhe von insgesamt 2.527,06 € in Rechnung, die dieser beglich.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe die Anwaltskosten aufgrund einer auftraglosen Geschäftsführung zu übernehmen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.527,06 € nebst Zinsen in Höhe vom 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Mahnbescheids zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Kündigung der Bürgschaft sei erforderlich gewesen, um den Kläger in Anspruch nehmen zu können, nachdem zuvor – unstreitig – die Darlehensverträge gegenüber der Hauptschuldnerin gekündigt worden waren.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze nebst Anlangen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise begründet.

Der Kläger hat gem. § 280 Abs. 1 BGB einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 208,80 €. Dadurch, dass die Beklagte den Kläger nach Kündigung der Bürgschaftsverträge in Anspruch nahm, verletzte sie eine nachvertragliche Pflicht, in dem sie den Kläger unberechtigter Weise in Anspruch nahm.

Die Beklagte kündigte die Bürgschaftsverträge gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 14.06.2002. Diese Kündigung ist wirksam. Zwar ist eine einseitige Kündigung einer Bürgschaft im Gesetz nicht geregelt (und vertraglich vereinbarte Kündigungsmöglichkeiten sind nicht vorgetragen), jedoch können auch beidseitige Verträge einseitig beendet werden, wenn dies für den Vertragspartner keinerlei rechtliche Nachteile mit sich bringt. Davon ist hier auszugehen. Durch die Kündigung der Bürgschaft verliert die Beklagte ihre Ansprüch gegenüber dem Kläger aus den Bürgschaftsverträgen ohne dass der Bürge dafür irgendeine Gegenleistung zu erbringen hat.

Soweit die Beklagte meint, die Kündigung der Bürgschaft sei erforderlich gewesen, um die Ansprüche aus der Bürgschaft fällig zu stellen, so kann dem nicht gefolgt werden. Aufgrund der Akzessorietät der Bürgschaft ist zum Auslösen der Einstandspflicht der sogenannte Bürgschaftsfall, d.h. die Fälligkeit der Hauptschulden, erforderlich. Diese wird, wie vorliegend auch geschehen, durch Kündigung der Darlehensverträge begründet. Kündigt der Gläubiger jedoch auch die Bürgschaften, kann hierhin nur die einseitige Entlassung des Bürgen aus seiner Verpflichtung gesehen werden. Dem steht nicht entgegen, dass die Sparkasse mit gleichem Schreiben den Kläger aufforderte, die verbürgten Beträge zu zahlen. Lediglich im Wege der Auslegung hätte das Gericht die Möglichkeit gehabt, die Erklärungen dahingehend zu verstehen, dass die Beklagte die Bürgschaften überhaupt nicht kündigen wollte, da sie anschließend den Bürgen zur Zahlung aufforderte. Eine derartige Auslegung verbietet sich jedoch, da die Beklagte auch auf Hinweis des Gerichts ausdrücklich zum Ausdruck brachte, dass sie der Ansicht ist, dass die Bürgschaftsverträge gekündigt werden mussten. Eine Auslegung dahingehend, dass dies gerade tatsächlich nicht gewollt gewesen war, verbietet sich daher.

Die Verletzung der nachvertraglichen Pflicht geschah auch schuldhaft. Insoweit hätte es die im Verkehr erforderliche Sorgfalt erfordert, dass sie die Beklagte, bevor sie Ansprüche geltend macht, sich über die Rechtsfolge der von ihr erklärten Kündigung der Bürgschaften kundig gemacht hätte. Es ist für das Gericht in keinster Weise nachvollziehbar, wie die Beklagte glauben konnte (und offenbar immer noch glaubt), der Bürgschaftsfall würde durch die Kündigung der Bürgschaft eintreten. Von einer Sparkasse als Kreditinstitut kann im besonderen Maße erwartet werden, dass sie die Akzessorietät einer Bürgschaft rechtlich richtg einordnet und die unterschiedliche Rechtsfolgen der Kündigung eines Darlehens und der Kündigung einer Bürgschaft kennt.

Der Kläger muss sich jedoch einen Großteil der entstandenen Anwaltskosten selbst anrechnen lassen, da er gegen die sich aus § 254 BGB ergebende Schadensminderungspflicht verstoßen hat.

Der Kläger konnte zwar einen Rechtsanwalt aufsuchen, da er in rechtlichen Dingen unerfahren ist, jedoch wäre es völlig ausreichend gewesen, wenn er sich anwaltlich hätte beraten lassen. Der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers trägt in der Klagebegründung selbst vor, dass aufgrund des Umstandes, dass die Bürgschaften gekündigt waren, keinerlei Ansprüche mehr bestehen. Dies hätte ausgereicht, um dem Kläger die Rechtslage zu vermitteln.

Ein Tätigwerden gegenüber der Beklagten war nicht erforderlich. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers erklärte Annahme der Kündigung nicht notwendig war, da der Vertrag, wie bereits dargelegt, einseitig seitens der Beklagten beendet werden konnte.

Diese Tätigkeit wäre gem. § 20 Abs. 1 Satz 2 BRAGO mit 180,00 € zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer zu vergüten gewesen, da es sich um eine sogenannte Erstberatung gehandelt hätte. Insoweit hält das Gericht den Höchstsatz von 180,00 € insbesondere deshalb für angemessen, weil bei der Bemessung einer Gebühr innerhalb eines Gebührenrahmens nicht nur die Schwierigkeit des Falles, sondern auch das individuelle Interesse zu berücksichtigen ist. Vorliegend wurde der Kläger mit einer Forderung von 900.000,00 DM überzogen.

Entgegen der Ansicht des Klägers liegt auch keine Geschäftsführung ohne Auftrag vor. Der Kläger handelt nämlich nicht im Interesse der Beklagten, sondern im eigenen. Ein Fremdgeschäftsführungswillen kann daher nicht festgestellt werden.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 286, 288 BGB, 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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