Gem. § 38 Abs. 1 Satz 2 VVG Trotz der Übersendung einer Doppelversicherungskarte
AG Gelsenkirchen, Urteil vom 25.02.2005, 36 C 277/04
Amtsgericht Gelsenkirchen
Urteil vom 25.02.2005
36 C 277/04
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
Firma… AG
Klägerin
./.
Herr …
Beklagter
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Volker Dahlbokum, LL.M.Eur., LL.M., Klosterstr. 22, 40211 Düsseldorf
hat das Amtsgericht Gelsenkirchen aufgrund der mündlichen Verhandlung 02.02.2005 durch die Richterin … am 25.02.2005
für Recht erkannt
Tenor
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
- Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt mit der Klage die Zahlung einer Kfz-Versicherungsprämie. am 15.04.2002 gewährte die Klägerin für das Beklagtenfarzeug vorläufig Versicherungsschutz. Der Beklagte legte bei der Zulassungsstelle für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … eine Bestätigungskarte der Klägerin als Nachweis für die Abdeckung des Haftpflichtrisikos vor. Ein endgültiger Versicherungsvertrag wurde nicht geschlossen. Für das vorläufige Deckungsverhältnis wurde de Geltung der Bedingungen des späteren Versicherungsvertrages vereinbart. Die Prämie für die vorläufige Deckung war sofort im Voraus fällig. Die Klägerin sprach aufgrund fehlender Antragseinreichung die Kündigung der vorläufige Deckungszusage zum 11.11.2002 aus und macht numehr einen Versicherungsbeitrag für die Zeit vom 15.04.2002 bis zum 11.11.2002 in einer Gesamthöhe von 887,02 € geltend, wobei der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides am 26.05.2004 gestellt wurde.
Die Klägerin trägt vor, der Vertrag betreffend die vorläufige Deckungszusage habe durch die Kündigung zum 11.11.2002 geendet. Ihr stünde daher die Prämie für die Zeit des gewährten Versicherungsschutzes zu.
Die Klägerin beantragt
den Beklagten zu verurteilen, an sie 887,02 € nebst 6 % Zinsen pro Jahr ab dem 18.12.2002 sowie 5,11 € Verzugsschaden zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, der Vertrag über die vorläufige Deckung sei nicht durch die Kündigung seitens der Klägerin, sondern durch die Rücktrittsfiktion den § 38 Abs. 1 2. 2 VVG beendet worden. Gem. § 40 Abs. 2 S. 2 VVG könne die Klägerin damit lediglich eine nach § 4 Abs. 6 AKB zu bestimmende Geschäftsgebühr verlangen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der von ihr geltend gemachten Versicherungsprämie, da gem. § 38 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 40 Abs. 2 S. 2 VVG für die hier in Frage stehenden Versicherungsleistungen lediglich eine angemessene Geschäftsgebühr verlangt werden kann.
Zwischen den Parteien ist durch Aushändigung und Verwendung der Doppelkarte konkludent ein Vertrag über eine vorläufige Deckung geschlossen worden, da der Versicherungsnehmer bei Einreichung der Versicherungskarte nicht nur formellen Voraussetzungen genügen, sondern zugleich einen materiellen Versicherungsschutz für eine Übergangszeit erhalten möchte.
Dieser Vertrag endete hingegen nicht erst mit der Kündigung der Klägerin unter dem 11.11.2002. Dadurch, dass die Klägerin nicht innerhalb von drei Monaten vom Fälligkeitstage an die Versicherungsprämie gerichtlich geltend gemacht hat, griff die Rücktrittsfiktion § des 38 Abs. 1 S. 2 VVG ein, weshalb die Klägerin gem. § 40 Abs. 2 S. 1 VVG lediglich eine angemessene Geschäftsgebühr verlangen kann.
§ 38 Abs. 1 S. 2 VVG ist auf den vorliegenden Fall anwendbar. Dem steht auch nicht vom Grundsatz her entgegen, dass es sich bei dem hier zu beurteilenden Versicherungsverhältnis um eine vorläufige Deckungszusage handelt.
Die Klägerin beruft sich darauf, dass bei einer vorläufigen Deckung § 38 Abs. 2 VVG stets abbedungen sei. Ein Ausschluss des § 38 Abs. 2 VVG führt hingegen nicht automatisch zu einem Ausschluss des Rücktrittsrechts nach § 38 Abs. 1 VVG. Ein entsprechender zwingender Zusammenhang ist aus dem Wortlaut der Bestimmung nicht zu ersehen. Die Auslegung der Bestimmungen führt zu einer getrennten Beurteilung, da die Rechte des Versicherungsnehmers ansonsten ohne deutliche Normierung eingeschränkt würden (vgl.: Prölls/Martin, 27. Auflage, § 38, Rn. 37).
Auch kann nicht von einer grundsätzlichen Unanwendbarkeit des § 38 Abs. 1 S. 2 VVG auf die vorläufige Deckungszusage ausgegangen werden. Zwar wird in der Regel eine stundungsabrede vorliegen, welche als Abbedinung des § 38 Abs. 1 S. 2 VVG auszulegen sein wird (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 29. Februar 2000, Az: 4 U 44/99; Prölls/Martin, 27. A., Zusatz zu § 1 Rn. 10; vgl. auch: BGH, Urteil vom 25. Juni 1956, Az: II ZR 101/55).
Nach übereinstimmenden Parteivortrag liegt bei dem hier zu beurteilenden Vertrag aber gerade keine Stundungsabrede vor. Vielmehr sollte die Versicherungsprämie sofort fällig sein. Eine Vertragsauslegung kann aus diesem Grunde nicht zu einer Abbedigungen des § 38 Abs. 1 S. 2 VVG gelangen, da die regelmäßige Auslegung entsprechender Verträge stets auf der Stundungsabrede basiert. Aufgrund der fehlenden Stundungsabrede kann vorliegend auch nicht ohne weiteres von einem Ausschluss des § 38 Abs. 2 VVG ausgegangen werden (vgl: Prölls/Martin, 27 A., § 38, Rn. 22, 24 m.w.N.). Die Argumentation des OLG Düsseldorf in der oben genannten Entscheidung kommt damit vorliegend nicht zum Tragen, da kein Missverhältnis zwischen den Pflichten der Vertragsparteien auftritt. Die Klägerin schuldete bei Eingreifen des § 38 Abs. 2 VVG keinen Verischerungsschutz, welcher dann lediglich durch eine Geschäftsgebühr abgegolten worden wäre. Anderes würde gelten, wenn die Klägerin zwar nicht im Innen- aber im Außenverhältnis Dritten gegenüber zum Eintreten im Falle eines Schadens verpflichtet gewesen wäre. Sollte auf der Versicherungskarte nicht vermerkt worden sein, dass der Versicherungsbeginn von der Zahlung der Prämie abhängt, wäre ein Haftung Dritten gegenüber zu bejahren (vgl. Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung, 14.A., § 1 AKB, Rn. 73). Dies könnte unter Berücksichtigung der Interessen der Vertragsparteien wiederum zu der Auslegung der Vertrages führen, dass trotz fehlender Stundungsabrede § 38 Abs. 1 S. 2 VVG abbedungen sein soll, da Versicherungsschutz zumindest im Außenverhältnis ab Ausstellung der Versicherungskarte gewährt werden sollte. Auf gerichtlichen Hinweis erfolgten hingegen zu diesen Gesichtspunkten keine weiteren Ausführungen. Es muss nunmehr davon ausgegangen werden, dass die von beiden Parteien vorgetragene fehlende Stundungsabrede mit den entsprechenden Folgen für Dritte anhand der Doppelversicherungskarte erkennbar war, da dies dem Vertragsinhalt entspricht. Gründe, welche für eine Auslegung des Vertrages auf Abbedingung des § 38 Abs. 1 S. 2 VVG sprechen, sind insgesamt nicht ersichtlich.
Sollte die Vereinbarung der sofortigen Fälligkeit hingegen nicht zugleich bedeuten, dass der Versicherungsschutz erst nach Zahlung der Prämie eingreifen sollte (§ 38 Abs. 2 VVG), steht dies der Anwendung des § 38 Abs. 1 S. 2 VVG nicht entgegen, da nach obigen Ausführungen kein zwingender Zusammenhang zwischen § 38 Abs. 2 und Abs. 1 VVG besteht. Die Auslegung, welche zu der Annahme eine Abbedingung des § 38 Abs. 1 S. 2 VVG führt, stellt in vergleichbaren Fällen stets auf die hier nicht vorhandene Stundungsabrede ab.
Da die Klägerin lediglich eine Geschäftsgebühr gem. § 40 Abs. 2 S. 2 VVG verlangen kann, war die Klage auf Zahlung einer taggenau abgerechneten Versicherungsprämie abzuweisen. Ein Zuspruch der Geschäftsgebühr als „Minus“ der Versicherungsprämie konnte mangels subststantiierten Vortrages entsprechend § 4 Abs. 6 AKB trotz ausdrücklichen gerichtlichen Hinweises nicht erfolgen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.