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Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst

An den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG sind grundsätzlich keine anderen Anforderungen zu stellen als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien bildenden Kunst

BGH, Urteil vom 13.11.2013, I ZR 143/12 („Geburtstagszug“)

Bundesadler Wappen

BUNDESGERICHTSHOF
Urteil vom 13.11.2013
I ZR 143/12

Im Namen des Volkes
URTEIL

UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, § 32 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2, § 32a Abs. 1 Satz 1

  1. An den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG sind grundsätzlich keine anderen Anforderungen zu stellen als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien bildenden Kunst oder des literarischen und musikalischen Schaffens. Es genügt daher, dass sie eine Gestaltungshöhe erreichen, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer „künstlerischen“ Leistung zu sprechen. Es ist dagegen nicht erforderlich, dass sie die Durchschnittsgestaltung deutlich überragen (Aufgabe von BGH, Urteil vom 22. Juni 1995 – I ZR 119/93, GRUR 1995, 581 = WRP 1995, 908 – Silberdistel).
  2. Bei der Beurteilung, ob ein Werk der angewandten Kunst die für einen Urheberrechtsschutz erforderliche Gestaltungshöhe erreicht, ist zu berücksichtigen, dass die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen kann, soweit sie nicht dem Gebrauchszweck geschuldet ist, sondern auf einer künstlerischen Leistung beruht. Darüber hinaus ist zu beachten, dass eine zwar Urheberrechtsschutz begründende, gleichwohl aber geringe Gestaltungshöhe zu einem entsprechend engen Schutzbereich des betreffenden Werkes führt.
  3. Der Anspruch auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung nach § 36 Abs. 1 UrhG aF oder § 32 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 UrhG und § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG ist bei der Verwertung eines Werkes der angewandten Kunst, dass einem Geschmacksmusterschutz zugänglich ist und die Durchschnittsgestaltung nicht deutlich überragt, nicht für Verwertungshandlungen begründet, die bis zum Inkrafttreten des Geschmacksmusterreformgesetzes vom 12. März 2004 am 01. Juni 2004 vorgenommen worden sind.

In dem Rechtsstreit

hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. September 2013 durch den Vorsitzenden Richter und die Richter

für Recht erkannt

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 22. Juni 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung in Bezug auf Verwertungshandlungen, die nach dem 01. Juni 2004 vorgenommen worden sind, sowie hinsichtlich des Anspruchs auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin ist selbständige Spielwarendesignerin. Die Beklagte stellt Spielwaren her und vertreibt sie. Die Klägerin zeichnete für die Beklagte im Jahr 1998 Entwürfe für einen Zug aus Holz, auf dessen Waggons sich Kerzen und Ziffern aufstecken lassen („Geburtstagszug“), und für ein Angelspiel. Im Jahr 2001 entwarf sie eine dem Geburtstagszug vergleichbare Tierkarawane („Geburtstagskarawane“). Als Honorar erhielt sie für den Geburtstagszug und das Angelspiel jeweils 400,00 DM und für die Geburtstagskarawane 1.102,00 DM. Für den Geburtstagszug und die Geburtstagskarawane zeichnete sie im Jahr 2002 ergänzend die aufsteckbaren Ziffern 7, 8 und 9 (die ursprüngliche Ausstattung bestand nur aus den Ziffern 1 bis 6). Dafür erhielt sie 54,00 €.

Die Klägerin hält ihre Entwürfe für urheberrechtlich geschützte Werke. Sie meint, die vereinbarte Vergütung sei jedenfalls angesichts des großen Verkaufserfolgs der Artikel zu gering.

Die Klägerin nimmt die Beklagte deshalb auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung (§ 36 UrhG aF, §§ 32, 32a UrhG) in Anspruch. Sie hat – soweit noch von Bedeutung – zuletzt beantragt, die Beklagte zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung über die Zahl und den Preis der verkauften Artikel „Geburtstagszug“, „Angelspiel“ und „Geburtstagskarawane“ und zur Zahlung eines Nutzungsentgelts nach gerichtlichem Ermessen, wenigstens jedoch in Höhe von 5 % des mit dem Verkauf der Werke vereinnahmten Nettoerlöses, zu verurteilen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

I.
Das Berufungsgericht hat angenommen, die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche seien nicht begründet, weil es sich bei den Entwürfen nicht um Werke im Sinne des Urheberrechtsgesetzes handele. Dazu hat es ausgeführt:

Die von der Klägerin angefertigten Entwürfe seien nicht als Werke der angewandten Kunst im Sinn von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG geschützt. Bei Werken der angewandten Kunst seien nach der hergebrachten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hohe Anforderungen an die für einen urheberrechtlichen Schutz erforderliche Gestaltungshöhe zu stellen. Danach komme keiner der von der Klägerin angefertigten Zeichnungen urheberrechtlicher Schutz als Entwurf eines Werkes der angewandten Kunst zu. Der Bundesgerichtshof habe zwar in seiner Entscheidung „Seilzirkus“ (Urteil vom 12. Mai 2011 – I ZR 53/10, GRUR 2012, 58) offengelassen, ob an dieser Rechtsprechung festzuhalten sei. Diese Frage müsse jedoch auch im vorliegenden Verfahren nicht beantwortet werden. Ob die in den Jahren 1998 bis 2002 gefertigten Entwürfe der Klägerin urheberrechtlichen Schutz genössen, bestimme sich nach dem seinerzeit gültigen rechtlichen Maßstab. Der Bundesgerichtshof habe die Frage, ob er an seiner Rechtsprechung festhalte, ausschließlich im Blick auf die Reform des Geschmacksmusterrechts im Jahr 2004 aufgeworfen. Es gebe keinen Grund, eine aus Anlass dieser Reform möglicherweise erforderliche Neubestimmung der Anforderungen an den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst auf noch unter Geltung der alten Rechtslage geschaffene Werke auszudehnen.
Die Zeichnungen seien auch nicht als Darstellungen technischer Art nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG geschützt. Bei technischen Zeichnungen genieße allein die Form, nicht dagegen der Inhalt der Darstellung urheberrechtlichen Schutz. Deshalb ergebe sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG kein Schutz gegen den Nachbau des Dargestellten. Darin liege der Unterschied zu Entwürfen für Werke der bildenden Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG, die gerade in Bezug auf die Ausführung des entworfenen geschützt seien. Die Beklagte habe die Zeichnungen nicht etwa vervielfältigt und verkauft, sondern als Vorlage für die Herstellung der Artikel verwendet.

II.
Die Revision der Klägerin hat teilweise Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche sind zwar nicht begründet, soweit sie darauf gestützt sind, dass es sich bei den in Rede stehenden Zeichnungen um urheberrechtlich geschützte Darstellungen technischer Art im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 UrhG handele (dazu 1). Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann jedoch ein urheberrechtlicher Schutz der Zeichnungen als Entwürfe von Werken der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG nicht verneint werden und können die von der Klägerin erhobenen Ansprüche nicht abgelehnt werden (dazu 2). Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich insoweit allerdings aus anderen Gründen teilweise als richtig dar; der mit der Klage erhobene Anspruch auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung ist in Bezug auf Verwertungshandlungen unbegründet, die bis zum 01. Juni 2004 vorgenommen worden sind (dazu 3).

1. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche sind nicht begründet, soweit sie darauf gestützt sind, dass es sich bei den in Rede stehenden Zeichnungen um urheberrechtlich geschützte Darstellungen technischer Art im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 UrhG handele.

a) Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung geltend, den sie auf § 36 Abs. 1 UrhG aF sowie auf § 32 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 UrhG und § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG stützt. Ein solcher Anspruch setzt zunächst voraus, dass der Urheber einem anderen ein Nutzungsrecht an einem Werk eingeräumt hat. Er setzt weiter voraus, dass entweder die vereinbarte Vergütung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit üblicher- und redlicherweise zu leisten ist (§ 32 Abs. 1 Satz 3 UrhG), oder die vereinbarte Gegenleistung in einem groben bzw. auffälligen Missverhältnis zu den Erträgnissen bzw. den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes steht (§ 36 Abs. 1 UrhG aF bzw. § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG).
b) Die Klägerin trägt zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs vor, die in Rede stehenden Zeichnungen seien als Darstellungen technischer Art im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt; die vereinbarte Vergütung sei – jedenfalls angesichts des großen Verkaufserfolgs der Artikel – zu gering. Damit ist der geltend gemachte Anspruch bereits nicht schlüssig dargelegt. Dabei kann offen bleiben, ob die in Rede stehenden Zeichnungen als Darstellungen technischer Art im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt sind und die Klägerin der Beklagten die entsprechenden Nutzungsrechte eingeräumt hat. Der Verkauf von nach den Entwürfen der Klägerin hergestellten Artikeln stellt jedenfalls keine Nutzung dieser Entwürfe als Darstellungen technischer Art dar.
Bei einer Darstellung technischer Art genießt allein die Form der Darstellung urheberrechtlichen Schutz, nicht dagegen deren Inhalt (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 1978 – I ZR 26/77, BGHZ 73, 288, 292 f. – Flughafenpläne; Urteil vom 01. Juni 2011 – I ZR 140/09, GRUR 2011, 803 Rn. 50 = WRP 2011, 1070 – Lernspiele). Die Bestimmung des § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG gewährt Schutz allein gegen die Verwertung der Darstellung, nicht aber gegen die Verwertung des Dargestellten. Darin liegt, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, der Unterschied zum urheberrechtlichen Schutz des Entwurfs eines Werkes der bildenden Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG, der sich auf die Ausführung dieses Entwurfs erstreckt. Die Klägerin nimmt die Beklagte allein im Blick auf den Vertrieb von nach ihren Entwürfen hergestellten Spielwaren in Anspruch.
c) Auch die von der Klägerin zur Vorbereitung eines bezifferten Zahlungsanspruchs erhobenen Ansprüche auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung sind danach nicht begründet, soweit sie auf ein Recht an den Zeichnungen als Darstellungen technischer Art im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 UrhG gestützt sind.

2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein urheberrechtlicher Schutz der Zeichnungen als Entwürfe von Werken der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG nicht verneint werden und können die von der Klägerin erhobenen Ansprüche nicht abgelehnt werden.

a) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG gehören Werke der bildenden Kunst einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke zu den urheberrechtlich geschützten Werken, sofern sie nach § 2 Abs. 2 UrhG persönliche geistige Schöpfungen sind. Soweit die Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG auch Entwürfe solcher Werke schützt, entspricht sie dem allgemeinen Grundsatz, dass auch Vorstufen eines Werkes geschützt sind, sofern sie eine persönliche geistige Schöpfung darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 09. Mai 1985 – I ZR 52/83, BGHZ 94, 276, 281 f. – Inkasso-Programm; Urteil vom 23. Juni 2005 – I ZR 227/02, GRUR 2005, 854, 856 = WRP 2005, 1173 – Karten-Grundsubstanz; Loewenheim in Schricker/Loewen-heim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 2 UrhG Rn. 133; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 2 Rn. 187). Eine persönliche geistige Schöpfung ist eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer „künstlerischen“ Leistung gesprochen werden kann (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 1983 – I ZR 177/80, GRUR 1983, 377, 378 = WRP 1983, 484 – Brombeer-Muster; Urteil vom 10. Dezember 1986 – I ZR 15/85, GRUR 1987, 903, 904 – Le-Corbusier-Möbel; Urteil vom 01. Juni 2011 – I ZR 140/09, GRUR 2011, 803 Rn. 31 – Lernspiele; BGH, GRUR 2012, 58 Rn. 17 – Seilzirkus).
b) Die von der Klägerin entworfenen Spielwaren dienen einem Gebrauchszweck und sind daher dem Bereich der angewandten Kunst und nicht dem der zweckfreien („reinen“) Kunst zuzurechnen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 1995 – I ZR 119/93, GRUR 1995, 581, 582 = WRP 1995, 908 – Silberdistel; Urteil vom 14. Mai 2009 – I ZR 98/06, BGHZ 181, 98 Rn. 45 – Tripp-Trapp-Stuhl; BGH, GRUR 2011, 803 Rn. 31 – Lernspiele; GRUR 2012, 58 Rn. 17 – Seilzirkus).
c) Das Berufungsgericht ist zwar mit Recht davon ausgegangen, dass nach der hergebrachten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Werken der angewandten Kunst höhere Anforderungen an die Gestaltungshöhe (den Grad des ästhetischen Gehalts) eines Werkes zu stellen sind als bei Werken der zweckfreien Kunst (dazu aa). Es hat auch zutreffend angenommen, dass die von der Klägerin angefertigten Zeichnungen danach keinen Urheberrechtsschutz als Entwürfe von Werken der angewandten Kunst genießen (dazu bb). Die Revision rügt jedoch mit Recht, dass das Berufungsgericht angenommen hat, eine möglicherweise erforderliche Änderung dieser Rechtsprechung betreffe nicht den hier in Rede stehenden Zeitraum (dazu cc).
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei Werken der zweckfreien bildenden Kunst – ebenso wie im Bereich des literarischen und musikalischen Schaffens – die sogenannte kleine Münze anerkannt, die einfache Schöpfungen umfasst. Dagegen ist bei Werken der angewandten Kunst, soweit sie einem Geschmacksmusterschutz zugänglich sind, ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung gefordert. Dies wird damit begründet, dass zwischen dem Urheberrecht und dem Geschmacksmusterrecht kein Wesensunterschied, sondern nur ein gradueller Unterschied bestehe. Da sich bereits die geschmacksmusterschutzfähige Gestaltung von der nicht geschützten Durchschnittsgestaltung – dem rein Handwerksmäßigen und Alltäglichen – abheben müsse, sei für die Urheberrechtsschutzfähigkeit ein noch weiterer Abstand, das heißt ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung zu fordern. Für den Urheberrechtsschutz sei danach ein höherer schöpferischer Eigentümlichkeitsgrad als bei nur geschmacksmusterfähigen Gegenständen zu verlangen, wobei die Grenze zwischen beiden nicht zu niedrig angesetzt werden dürfe (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 1995 – I ZR 119/93, GRUR 1995, 581, 582 = WRP 1995, 908 – Silberdistel, mwN; vgl. auch BVerfG [Kammer], Beschluss vom 26. Januar 2005 – 1 BvR 157/02, GRUR 2005, 410 – Laufendes Auge).
bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, nach diesen Maßstäben komme keiner der von der Klägerin gefertigten Zeichnungen urheberrechtlicher Schutz als Entwurf eines Werkes der angewandten Kunst zu. Die Revision hat diese Beurteilung nicht angegriffen. Sie lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.
cc) Die Revision wendet sich jedoch mit Recht gegen die Annahme des Berufungsgerichts, eine Änderung dieser Rechtsprechung beträfe nicht den hier in Rede stehenden Zeitraum.
(1) Der Senat hat im Urteil „Seilzirkus“ offengelassen, ob nach der Neugestaltung des Geschmacksmusterrechts durch das Geschmacksmusterreformgesetz vom 12. März 2004 und im Blick auf die europäische Urheberrechtsentwicklung daran festzuhalten ist, dass bei Werken der angewandten Kunst höhere Anforderungen an die Gestaltungshöhe eines Werkes zu stellen sind als bei Werken der zweckfreien Kunst (BGH, GRUR 2012, 58 Rn. 33 bis 36). Diese Frage war in jenem Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich, da bereits nicht angenommen werden konnte, dass es sich bei den dort in Rede stehenden Gestaltungen um Schöpfungen individueller Prägung handelte (BGH, GRUR 2012, 58 Rn. 26 bis 32 – Seilzirkus).
(2) Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, diese Frage könne auch im vorliegenden Rechtsstreit offenbleiben, weil für die Beurteilung des Urheberrechtsschutzes der in den Jahren 1998 bis 2002 gefertigten Entwürfe der Klägerin die in jenen Jahren geltende Rechtslage maßgeblich sei. Der Bundesgerichtshof habe die Frage, ob er an seiner Rechtsprechung festhalte,
ausschließlich im Blick auf die Reform des Geschmacksmusterrechts im Jahr 2004 aufgeworfen. Es gebe keinen Grund, eine aus Anlass dieser Reform möglicherweise erforderliche Neubestimmung der Anforderungen an den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst auf noch unter Geltung der alten Rechtslage geschaffene Werke auszudehnen.
Mit dieser Begründung kann den von der Klägerin geschaffenen Entwürfen der Urheberrechtsschutz schon deshalb nicht versagt werden, weil der Bundesgerichtshof die Frage, ob er an seiner Rechtsprechung festhalte, entgegen der Darstellung des Berufungsgerichts nicht allein im Blick auf die Reform des Geschmacksmusterrechts im Jahr 2004, sondern auch im Blick auf die europäische Urheberrechtsentwicklung aufgeworfen hat.
Darüber hinaus hat das Berufungsgericht nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Änderung einer lange Zeit geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht nur Bedeutung für zukünftige Sachverhalte hat, sondern grundsätzlich auch auf einen in der Vergangenheit liegenden, noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt einwirkt. Gerichte sind regelmäßig nicht an eine feststehende Rechtsprechung gebunden, die sich im Licht besserer Erkenntnis als nicht mehr haltbar erweist (vgl. BGH, Urteil vom 29. Februar 1996 – IX ZR 153/95, BGHZ 132, 119, 129 mwN; Urteil vom 07. März 2007 – VIII ZR 125/06, NJW 2007, 2987 Rn. 28). Die gesetzliche Regelung in § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG, die unter anderem bestimmt, dass Entwürfe von Werken der angewandten Kunst zu den urheberrechtlich geschützten Werken gehören, sofern sie persönliche geistige Schöpfungen sind, ist seit ihrem Inkrafttreten am 01. Januar 1966 nicht geändert worden. Es war und ist lediglich umstritten, ob diese Regelung dahin auszulegen ist, dass bei Werken der angewandten Kunst höhere Anforderungen an die für einen Urheberrechtsschutz erforderliche Gestaltungshöhe zu stellen sind als bei Werken der zweckfreien
Kunst. Die Frage, ob die von der Klägerin in den Jahren 1998 bis 2002 entworfenen Spielwaren urheberrechtlichen Schutz genießen, ist daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht auf der Grundlage der hergebrachten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG zu beantworten, sofern an dieser Rechtsprechung nicht mehr festgehalten wird.

3. Soweit das Berufungsgericht die auf einen urheberrechtlichen Schutz der Zeichnungen als Entwürfe von Werken der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG gestützten Ansprüche der Klägerin verneint hat, stellt sich seine Entscheidung allerdings aus anderen Gründen zum Teil als im Ergebnis richtig dar (§ 561 ZPO). Der Senat hält zwar nicht daran fest, dass der Urheberrechtsschutz für Werke der angewandten Kunst, die einem Ge-schmacksmusterschutz zugänglich sind, ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung voraussetzt (dazu a). Der mit der Klage erhobene Anspruch auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung nach § 36 Abs. 1 UrhG aF oder § 32 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 UrhG und § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG ist jedoch gleichwohl für Verwertungshandlungen nicht begründet, die bis zum 01. Juni 2004 vorgenommen worden sind (dazu b).

a) Der Senat hält nicht daran fest, dass der Urheberrechtsschutz für Werke der angewandten Kunst, die einem Geschmacksmusterschutz zugänglich sind, ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung voraussetzt. An den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst sind grundsätzlich keine anderen Anforderungen zu stellen als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien bildenden Kunst oder des literarischen und musikalischen Schaffens. Es genügt daher, dass sie eine Gestaltungshöhe erreichen, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer „künstlerischen“ Leistung zu sprechen. Eine Aufgabe der hergebrachten Rechtsprechung
ist zwar nicht durch das Urheberrecht der Europäischen Union geboten (dazu aa); sie erscheint aber im Blick auf die Neugestaltung des Geschmacksmusterrechts durch das Geschmacksmusterreformgesetz vom 12. März 2004 erforderlich (dazu bb).
aa) Das Urheberrecht der Europäischen Union steht der Annahme nicht entgegen, dass der Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst eine besondere Gestaltungshöhe voraussetzt (Erdmann in FS Loschelder, 2010, S. 61, 63 ff.; Schulze, GRUR 2009, 1019 ff.; Leistner, GRUR 2011, 761, 763; für ein Absenken der Schutzanforderungen im Blick auf die europäische Urheberrechtsentwicklung Loewenheim in Schricker/Loewenheim aaO § 2 UrhG Rn. 34 und 160; A. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl., § 2 UrhG Rn. 150; Obergfell in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., § 2 UrhG Rn. 47; Koschtial, GRUR 2004, 555, 559 f.; Handig, GRUR Int. 2012, 9, 11).
(1) Aus der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft geht lediglich hervor, dass sich die dort geregelten Verwertungsrechte des Urhebers auf ein Werk als Schutzobjekt beziehen. Diese Richtlinie bestimmt jedoch nicht, unter welchen Voraussetzungen ein bestimmtes Schutzgut als ein Werk anzusehen ist. Computerprogramme, Datenbankwerke und Lichtbildwerke sind gemäß Art. 1 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 96/9/EG über den rechtlichen Schutz von Datenbanken und Art. 6 Satz 1 der Richtlinie 2006/116/EG über die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte urheberrechtlich geschützt, wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind. Die Voraussetzungen eines urheberrechtlichen Schutzes von Werken der angewandten Kunst sind im Urheberrecht der Europäischen Union dagegen nicht ausdrücklich geregelt.
(2) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat aus dem Umstand, dass die Richtlinie 2001/29/EG einen harmonisierten Rechtsrahmen des Urheberrechts festlegt, geschlossen, der in dieser Richtline vorausgesetzte Werkbegriff beruhe auf demselben Grundsatz wie derjenige der Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen, der Richtlinie 96/9/EG über den rechtlichen Schutz von Datenbanken und der Richtlinie 2006/116/EG über die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte. Das Urheberrecht im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG könne daher nur in Bezug auf ein Schutzobjekt angewandt werden, bei dem es sich um ein Original in dem Sinne handele, dass es eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstelle (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009 – C-5/08, Slg. 2009, I-6569 = GRUR 2009, 1041 Rn. 33 bis 37 – Infopaq/DDF; Urteil vom 22. Dezember 2010 – C-393/09, Slg. 2010, I-13971 Rn. 45 = GRUR 2011, 220 – BSA/Kulturministeri-um; Urteil vom 04. Oktober 2011 – C-403/08 und C-429/08, GRUR 2012, 156 Rn. 97 und 155 = WRP 2012, 434 – Football Association Premier League und Murphy; Urteil vom 01. Dezember 2011 – C-145/10, GRUR 2012, 166 Rn. 87 – Painer/Standard u.a.; Urteil vom 1. März 2012 – C-604/10, GRUR 2012, 386 Rn. 37 = WRP 2012, 695 – Football Dataco u.a./Yahoo u.a.; Urteil vom 02. Mai 2012 – C-406/10, GRUR 2012, 814 Rn. 65 = WRP 2012, 802 – SAS Institute/WPL). Demnach können die in der Richtlinie 2001/29/EG geregelten Verwertungsrechte auch an einem Werk der angewandten Kunst nur bestehen, wenn es sich dabei um eine eigene geistige Schöpfung des Urhebers handelt.
(3) Zur Bestimmung der Schutzfähigkeit von Computerprogrammen, Datenbankwerken und Lichtbildwerken sind gemäß Art. 1 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen, Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 96/9/EG über den rechtlichen Schutz von Datenbanken und Art. 6 Satz 2 der Richtlinie 2006/116/EG über die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte keine anderen Kriterien als die der „eigenen geistigen Schöpfung“ anzuwenden. Damit ist gemeint, dass der Urheberrechtsschutz dieser Werkarten nicht von einer besonderen Gestaltungshöhe abhängig gemacht werden darf (vgl. für Computerprogramme BGH, Urteil vom 14. Juli 1993 – I ZR 47/91, BGHZ 123, 208, 210 f. – Buchhaltungsprogramm; Urteil vom 03. März 2005 – I ZR 111/02, GRUR 2005, 860, 861 = WRP 2005, 1263 – Fash 2000; für Datenbankwerke BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 – I ZR 130/04, GRUR 2007, 685 Rn. 21 = WRP 2007, 989 – Gedichttitellis-te I; für Lichtbildwerke BGH, Urteil vom 03. November 1999 – I ZR 55/97, GRUR 2000, 317, 318 = WRP 2000, 203 – Werbefotos).
Für andere Werkarten sieht das Urheberrecht der Europäischen Union keine derartige Einschränkung vor. Soweit der Gerichtshof es für möglich gehalten hat, dass bereits elf aufeinander folgende Wörter eines Zeitungsartikels eine geistige Schöpfung darstellen (EuGH, GRUR 2009, 1041 Rn. 48 – Infopaq/DDF), folgt daraus nicht, dass auch der Urheberrechtsschutz von Sprachwerken oder anderen Werkarten nicht von einer bestimmten Gestaltungshöhe abhängig gemacht werden darf. Im Übrigen hat der Gerichtshof die Prüfung der Frage, ob es sich bei einem bestimmten Gegenstand nach den von ihm aufgestellten Maßstäben um eine eigene geistige Schöpfung des Urhebers handelt, in diesem Fall wie auch in anderen Fällen den nationalen Gerichten zugewiesen (vgl. EuGH, GRUR 2009, 1041 Rn. 48 – Infopaq/DDF; GRUR 2011, 220 Rn. 47 – BSA/Kulturministerium; GRUR 2012, 156 Rn. 158 – Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2012, 166 Rn. 94 – Painer/Standard u.a.; GRUR 2012, 386 Rn. 43 – Football Dataco u.a./Yahoo u.a.; GRUR 2012, 814 Rn. 68 – SAS Institute/WPL).
Im Blick auf Werke, die – wie insbesondere Werke der angewandten Kunst – einem Geschmackmusterschutz zugänglich sind, geht zudem aus Art. 17 der Richtline 98/71/EG über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen eindeutig hervor, dass die Mitgliedstaaten berechtigt sind, deren urheberrechtlichen Schutz von einer besonderen Gestaltungshöhe abhängig zu machen (vgl. auch Erwägungsgrund 8 der Richtlinie 98/71/EG). Gemäß Art. 17 Satz 1 der Richtlinie 98/71/EG ist das Muster, das nach Maßgabe dieser Richtlinie durch ein – in einem oder mit Wirkung für einen Mitgliedstaat – eingetragenes Recht an einem Muster geschützt ist, auch nach dem Urheberrecht dieses Staates von dem Zeitpunkt an schutzfähig, zu dem das Muster geschaffen oder in irgendeiner Form festgelegt wurde. In welchem Umfang und unter welchen Bedingungen ein solcher Schutz gewährt wird, wird gemäß Art. 17 Satz 2 der Richtlinie – einschließlich der erforderlichen Gestaltungshöhe – von dem einzelnen Mitgliedstaat festgelegt (vgl. auch EuGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – C-168/09, Slg. 2011, I-181 = GRUR 2011, 216 Rn. 35 ff. – Flos/Semeraro). Bereits aus diesem Grund lässt der Umstand, dass der Gerichtshof es für möglich gehalten hat, dass die grafische Benutzerfläche eines Computerprogramms eine geistige Schöpfung darstellt, ohne eine bestimmte Gestaltungshöhe als Schutzvoraussetzung zu erwähnen (EuGH, GRUR 2011, 220 Rn. 46 – BSA/Kulturministerium), nicht darauf schließen, dass an die Gestaltungshöhe eines Werkes der angewandten Kunst keine besonderen Anforderungen gestellt werden dürfen.
bb) Eine Aufgabe der hergebrachten Rechtsprechung erscheint jedoch im Blick auf die Neugestaltung des Geschmacksmusterrechts durch das Geschmacksmusterreformgesetz vom 12. März 2004 erforderlich (Loewenheim in Schricker/Loewenheim aaO § 2 UrhG Rn. 34 und 160; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 2 UrhG Rn. 98; Koschtial, GRUR 2004, 555 ff.; Zentek, WRP 2010, 73, 75 ff.; Eichmann in Eichmann/v. Falckenstein, GeschmMG, 4. Aufl., Allgemeines zum Designrecht Rn. 32; vgl. auch A. Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 2 UrhG Rn. 146 ff.; ders. in Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 2. Aufl., § 9 Rn. 22 ff.; Dreyer in Dreyer/Kotthoff/Meckel, Urheberrecht, 3. Aufl. § 2 UrhG Rn. 62 ff.; Möhring/Nicolini/Ahlberg, UrhG, 2. Aufl., § 2 Rn. 110 ff.; aA Schulze in Dreier/Schulze aaO § 2 Rn. 174; ders. in Loewenheim aaO § 9 Rn. 98; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 5. Aufl., Rn. 232; Erdmann in FS Loschelder, 2010, S. 61, 72; Ohly, GRUR 2007, 731, 733).
(1) Nachdem das Geschmacksmusterrecht durch das Geschmacksmusterreformgesetz vom 12. März 2004, mit dem die Richtlinie 98/71/EG über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen umgesetzt wurde, neu gestaltet worden ist, besteht zwischen dem Geschmacksmusterrecht und dem Urheberrecht kein Stufenverhältnis mehr in dem Sinne, dass das Geschmacksmusterrecht den Unterbau eines wesensgleichen Urheberrechts bildet. Mit einem solchen Stufenverhältnis können die erhöhten Anforderungen an den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst daher nicht mehr begründet werden.
Der Gesetzgeber hat mit dem Geschmacksmusterrecht ein eigenständiges gewerbliches Schutzrecht geschaffen und den engen Bezug zum Urheberrecht beseitigt (Begründung zum Regierungsentwurf des Geschmacksmusterreformgesetzes, BT-Drucks. 15/1075, S. 29). Das kommt bereits in den jeweiligen Überschriften des früheren sowie des geltenden Geschmacksmustergesetzes, des „Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen“ einerseits sowie des „Gesetzes über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen“ andererseits (ab dem 01. Januar 2014 „Gesetz über den rechtlichen Schutz von Design“, vgl. Art. 1 Nr. 1, Art. 7 Abs. 2 des Gesetzes zur Modernisierung des Geschmacksmustergesetzes sowie zur Änderung der Regelungen über die Bekanntmachungen zum Ausstellungsschutz vom 10. Oktober 2013, BGBl. I S. 3799) zum Ausdruck. Vor allem aber wird die nunmehr vom Urheberrecht abweichende Schutzrichtung des Geschmacksmusterrechts darin deutlich, dass der Schutz als Geschmacksmuster nach seiner Neugestaltung nicht mehr die Eigentümlichkeit (§ 1 Abs. 2 GeschmMG aF) und damit die Gestaltungshöhe, sondern die Eigenart (§ 2 Abs. 1 und 3 GeschmMG) und damit die Unterschiedlichkeit des Musters voraussetzt.
Ein Muster hat gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 GeschmMG Eigenart, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Muster bei diesem Benutzen hervorruft, das vor dem Anmeldetag offenbart worden ist. Für die Ermittlung der Eigenart ist danach die Unterschiedlichkeit der Muster das maßgebliche Kriterium. Die im deutschen Geschmacksmusterrecht vor der Umsetzung der Richtlinie 98/71/EG über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen durch das Geschmacksmusterreformgesetz vom 12. März 2004 erforderliche Eigentümlichkeit und Gestaltungshöhe (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 – I ZR 100/05, GRUR 2008, 153 Rn. 24 f. und 33 = WRP 2008, 241 – Dacheindeckungsplatten) ist keine Schutzvoraussetzung mehr (vgl. zu Art. 6 GGV BGH, Urteil vom 22. April 2010 – I ZR 89/08, BGHZ 185, 224 Rn. 32 – Verlängerte Limousinen, mwN).
Bei der Beurteilung der Eigenart wird allerdings nach § 2 Abs. 3 Satz 2 GeschmMG der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Musters berücksichtigt. Damit ist die Berücksichtigung der in dem jeweiligen Muster verkörperten gestalterischen Leistung zwar nicht ausgeschlossen (vgl. zu Art. 6 Abs. 2 GGV BGHZ 185, 224 Rn. 32 – verlängerte Limousinen, mwN). Das ändert aber nichts daran, dass der Schutz eines Musters keine bestimmte Gestaltungshöhe mehr voraussetzt. Es ist notwendig, aber auch ausreichend, dass sich der Gesamteindruck des Musters vom vorbekannten Formenschatz unterscheidet (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des Geschmacksmusterreformgesetzes, BT-Drucks. 15/1075, S. 33).
(2) Ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung als Voraussetzung des Urheberrechtsschutzes von Werken, die einem Geschmacksmusterschutz zugänglich sind, lässt sich auch nicht damit begründen, dass mit dem Geschmacksmuster – und insbesondere mit dem nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster (Art. 1 Abs. 2 Buchst. a GGV), das für eine Frist von drei Jahren geschützt ist (Art. 11 GGV) – unabhängig von der jeweiligen Schutzrichtung des Urheberrechts einerseits und des Geschmacksmusterrechts andererseits eine wesensadäquate Schutzform für Gestaltungen geringer Eigenart besteht (aA Schack aaO Rn. 232; Ohly, GRUR 2007, 731, 733).
Geschmacksmusterschutz und Urheberrechtsschutz schließen sich nicht aus, sondern können nebeneinander bestehen (vgl. Art. 17 der Richtline 98/71/EG über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen und Art. 96 Abs. 2 GGV; vgl. auch EuGH, GRUR 2011, 216 Rn. 28 ff. – Flos/Semeraro). Sie haben nicht nur verschiedene Schutzrichtungen, sondern auch unterschiedliche Schutzvoraussetzungen und Rechtsfolgen. Der Umstand, dass eine Gestaltung dem Geschmacksmusterschutz zugänglich ist, rechtfertigt es daher nicht, ihr den Urheberrechtsschutz zu versagen oder von besonderen Voraussetzungen abhängig zu machen. Durch die Gewährung von Urheberrechtsschutz wird der Geschmacksmusterschutz auch nicht überflüssig. Eine Gestaltung kann aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit zum vorbekannten Formenschatz einem Geschmacksmusterschutz zugänglich sein, ohne die für einen Urheberrechtsschutz erforderliche Gestaltungshöhe zu erreichen. Zwar ist es insbesondere im Blick auf die ausgesprochen lange urheberrechtliche Schutzfrist – das Urheberrecht erlischt gemäß § 64 UrhG siebzig Jahre nach dem Tode des Urhebers – geboten, für den urheberrechtlichen Schutz eine nicht zu geringe Gestaltungshöhe zu fordern (vgl. auch Rehbinder, Urheberrecht, 16. Aufl., Rn. 61). Es erscheint aber im Blick darauf, dass es sich beim Geschmacksmusterrecht nicht mehr um ein wesensgleiches Minus zum Urheberrecht handelt, nicht gerechtfertigt, an den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst höhere Anforderungen zu stellen als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien Kunst.
Es ist auch nicht zu befürchten, dass damit in der angewandten Kunst die Nutzung eines weiten Bereichs freier Formen übermäßig eingeschränkt wird. Auch wenn bei Werken der angewandten Kunst keine höheren Anforderungen an die Gestaltungshöhe eines Werkes zu stellen sind als bei Werken der zweckfreien Kunst, ist bei der Beurteilung, ob ein solches Werk die für einen Urheberrechtsschutz erforderliche Gestaltungshöhe erreicht, zu berücksichtigen, dass die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen kann, soweit sie nicht dem Gebrauchszweck geschuldet ist, sondern auf einer künstlerischen Leistung beruht (vgl. BGH, GRUR 2012, 58 Rn. 36 – Seilzirkus). Eine eigene geistige Schöpfung des Urhebers setzt voraus, dass ein Gestaltungsspielraum besteht und vom Urheber dafür genutzt wird, seinen schöpferischen Geist in origineller Weise zum Ausdruck zu bringen (vgl. EuGH, GRUR 2009, 1041 Rn. 45 – Infopaq/DDF; GRUR 2011, 220 Rn. 48 bis 50 – BSA/Kulturministerium; GRUR 2012, 156 Rn. 98 – Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2012, 166 Rn. 89 bis 93 – Painer/Standard u.a.; GRUR 2012, 386 Rn. 38 f. – Football Dataco u.a./Yahoo u.a.; GRUR 2012, 814 Rn. 67 – SAS Institute/WPL). Bei Gebrauchsgegenständen, die durch den Gebrauchszweck bedingte Gestaltungsmerkmale aufweisen müssen, ist der Spielraum für eine künstlerische Gestaltung regelmäßig eingeschränkt. Deshalb stellt sich bei ihnen in besonderem Maß die Frage, ob sie über ihre von der Funktion vorgegebene Form hinaus künstlerisch gestaltet sind und diese Gestaltung eine Gestaltungshöhe erreicht, die Urheberrechtsschutz rechtfertigt (vgl. BGH, GRUR 2012, 58 Rn. 25 – Seilzirkus, mwN). Darüber hinaus ist zu beachten, dass eine zwar Urheberrechtsschutz begründende, gleichwohl aber geringe Gestaltungshöhe zu einem entsprechend engen Schutzbereich des betreffenden Werkes führt (vgl. BGH, Urteil vom 20. November 1986 – I ZR 160/84, GRUR 1987, 360, 361 – Werbepläne; Urteil vom 28. Februar 1991 – I ZR 88/89, GRUR 1991, 529, 530 – Explosionszeichnungen, mwN; BGH, GRUR 2011, 803 Rn. 63 – Lernspiele).
b) Der Anspruch auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung nach § 36 Abs. 1 UrhG aF oder § 32 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 UrhG und § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG ist bei der Verwertung eines Werkes der angewandten Kunst, das einem Geschmacksmusterschutz zugänglich ist und die Durchschnittsgestaltung nicht deutlich überragt, jedoch nicht für Verwertungshandlungen begründet, die bis zum Inkrafttreten des Geschmacksmusterreformgesetzes vom 12. März 2004 am 01. Juni 2004 vorgenommen worden sind.
Zwar hat die Änderung einer lange Zeit geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht nur Bedeutung für zukünftige Sachverhalte, sondern wirkt grundsätzlich auch auf einen in der Vergangenheit liegenden, noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt ein (vgl. oben Rn. 24). Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Senat seine lange Zeit geltende Rechtsprechung zu den besonderen Anforderungen an den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst ausschließlich mit dem Verhältnis des Urheberrechts zum Geschmacksmusterrecht begründet hat und nunmehr allein wegen der Änderung dieses Verhältnisses durch das Gesetz zur Reform des Geschmacksmusterrechts aufgibt. Unter diesen Umständen erscheint das Vertrauen des Vertragspartners eines Urhebers, wegen der Verwertung eines Werkes der angewandten Kunst, das einem Geschmacksmusterschutz zugänglich ist und die Durchschnittsgestaltung nicht deutlich überragt, nicht auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung in Anspruch genommen zu werden, hinsichtlich von Verwertungshandlungen schutzwürdig, die bis zum Inkrafttreten des Geschmacksmusterreformgesetzes vorgenommen worden sind.
Dagegen können auf der Grundlage der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen weder der Anspruch auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung für Verwertungshandlungen, die nach dem 01. Juni 2004 vorgenommen worden sind, noch der Anspruch auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung verneint werden. Insbesondere ist es nicht ausgeschlossen, dass sich der Anspruch auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung auf die Zahl und den Preis von Artikeln erstreckt, die vor dem 01. Juni 2004 verkauft worden sind; denn im Rahmen der Prüfung, ob die vereinbarte Gegenleistung in einem groben bzw. auffälligen Missverhältnis zu den Erträgnissen bzw. den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes steht (§ 36 Abs. 1 UrhG aF bzw. § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG) sind sämtliche Erträgnisse bzw. Erträge und Vorteile zu berücksichtigen (vgl. zu § 132 Abs. 3 Satz 2 UrhG BGH, Urteil vom 22. September 2011 – I ZR 127/10, GRUR 2012, 496 Rn. 53 ff. = WRP 2012, 565 – Das Boot).

III.
Danach ist auf die Revision der Klägerin das Berufungsurteil aufzuheben, soweit das Berufungsgericht hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung in Bezug auf Verwertungshandlungen, die in der Zeit nach dem 01. Juni 2004 vorgenommen worden sind, sowie hinsichtlich des Anspruchs auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung zum Nachteil der Klägerin erkannt hat. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Beantwortung der Frage, ob einem Erzeugnis Kunstwerkeigenschaft zukommt und ob es insbesondere einen ausreichenden Grad eigenschöpferischer Kraft offenbart, ist im wesentlichen Sache des Tatrichters (st. Rspr.; vgl. BGH, GRUR 1995, 581, 582 – Silberdistel). Das Berufungsgericht hat – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – nicht geprüft, ob die von der Klägerin entworfenen Spielwaren den geringeren Anforderungen genügen, die nunmehr an die Ge-staltunghöhe von Werken der angewandten Kunst zu stellen sind.

Dahlbokum
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