Kabelhersteller muss für Schäden an Wohnhaus aufkommen
LG Bonn, Urteil vom 02.06.2004, 13 O 5/03
Landgericht Bonn
Urteil vom 02.06.2004
13 O 5/03
Im Namen des Volkes
Urteil
Tenor
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 61.715,22 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.11.2002 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche Schäden, die dem Kläger durch Austritt von Phtalsäureester, sog. Weichmacher, aus dem von der Beklagten produzierten NYM-Kabel im Objekt des Klägers, F-Straße, in S. noch entstehen, zu ersetzen. Ausgenommen ist ein Ersatz für die Kabel selbst.
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt der Produkthaftung.
Die Beklagte stellt Elektrokabel, u.a. sog. NYM-Kabel, her. Der Kläger ist Eigentümer des Einfamilienhauses F-Straße in S. Hierbei handelt es sich um einen Altbau, den der Kläger seit Anfang 2001 renoviert, um dort mit seiner Lebensgefährtin einzuziehen. Für die Zeit des Umbaus ist der Kläger mit seiner Lebensgefährtin in eine ihm gehörende, bis dahin vermietete, 60 m² große Wohnung gezogen. Da in dieser Wohnung nicht ausreichend Platz vorhanden ist, hat der Kläger fast alle größeren Möbel in dem Haus untergebracht.
Im Juli 2001 erwarb der Kläger in einem Baumarkt von der Beklagten hergestellte NYM-Kabel und verlegte diese Kabel in den Wänden und im Fußboden- bzw. Deckenbereich seines Hauses. Dort befestigte er die Kabel, indem er sie mit Kabelklemmen, -schellen festnagelte. Das Holzständerwerk der Wände wurde sodann mit einer Flockendämmung isoliert, mit OSB-Platten beplankt, mit Gipskartonwänden verkleidet und in den Bädern gefliest.
Im Bereich der Holzbalkendecken bzw. -fußböden wurde über den Kabeln Dämmung, Estrich und sodann keramischer Bodenbelag aufgebracht. Teilweise wurden zudem Heizschlangen für eine Fußbodenheizung eingebaut.
Kurze Zeit nachdem der Kläger die Kabel in dem Haus verlegt hatte, stellte er fest, dass eine leicht gelblich transparente ölige Flüssigkeit aus den Kabelenden austrat. An Steckdosen, Wänden und Fliesen zeigten sich dunkle, ölige Flecken. Es kam zu Kurzschlüssen aufgrund an den Kabelenden zusammenfließender Tropfen. Nach einigen Tagen wurde durch diese Flüssigkeit der aus Kunststoff bestehende Verteilerkasten unbrauchbar zerstört.
Durch Nachforschungen bei dem Baumarkt bzw. dessen Lieferanten erfuhr der Kläger, dass es sich bei der austretenden Flüssigkeit um sog. Weichmacher handelt und das „Ausölen“ Folge eines Produktionsfehlers in der Kabelherstellung ist. In der Kabelherstellung werden für den Mantel, die Isolierung der einzelnen Adern und die Füllmischung verschiedene Weichmacher verwendet, um die erforderliche Elastizität der Kabel herzustellen und zu erhalten. Dabei lassen sich Wanderungsvorgänge (Migration) der Weichmacher nicht gänzlich unterbinden. In Abhängigkeit vom Mischungsverhältnis der Weichmacher kann es zu Unverträglichkeiten kommen, die zu einem Ausschwitzen und Abscheiden der Weichmacher in Form öliger Substanzen führen. Hinsichtlich der Produktionscharge, aus der die vom Kläger erworbenen Kabel stammen, besteht die austretende Weichmacherflüssigkeit nach Angaben der Beklagten zu ca. 60 % aus Diethylhexylphtalat (DEHP).
Der Beklagten ist der Produktionsfehler spätestens seit Februar 2001 bekannt. Sie hat angesichts des für sie nicht überschaubaren Kreises möglicher Geschädigter eine Regulierungsvereinbarung mit ihrer Betriebshaftpflichtversicherung getroffen. Der Kläger stand bis Mitte September 2002 mit der Versicherung in Verhandlungen bezüglich der Schadensregulierung, sodann verwies die Versicherung an die Beklagte persönlich. Eine vergleichsweise Erledigung der Angelegenheit scheiterte. Die Beklagte hat spätestens Mitte November 2002 eine Leistung endgültig verweigert.
Der Kläger hatte bereits am 10.10.2001 ein selbständiges Beweisverfahren vor dem Landgericht Bonn zur Ermittlung der Schadensursache und der notwendigen Sanierungsmaßnahmen bzw. -kosten eingeleitet (Az.:13 OH 21/01). Aufgrund des Beweisbeschlusses der Kammer vom 26.10.2002 (vgl. Bl. 15 ff der dortigen Akten) hat der gerichtliche Sachverständige Dipl. Ing. T sein schriftliches Gutachten vom 22.07.2002 erstattet, das er unter dem 22.07.2002 (Bl. 47 ff der dortigen Akten) und 13.01.2003 (Bl. 90 ff der dortigen Akten) ergänzt hat. Wegen des genauen Inhalts der Beweisbeschlüsse und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die vorgenannten Seiten der Akten LG Bonn 13 OH 21/01 verwiesen.
Der Kläger behauptet, die Weichmacherflüssigkeit trete aus allen offenen Kabelenden aus, unabhängig davon ob die Kabel horizontal oder vertikal verlegt seien. Sie tropfe teilweise in die Wände, die Zwischenwände und die dort eingebrachte Isolierung hinein und sei auf alle Schaltgeräte, Schalter und Steckdosen abgetropft. Eine Sanierung sei nur durch einen Komplettaustausch der eingebauten Kabel möglich. Nur so könne zudem sichergestellt werden, dass nicht weiterhin Flüssigkeit austrete und bereits renovierte Teile erneut beschädigt werden.
Der Kläger meint, angesichts der wissenschaftlich noch nicht vollständig erforschten Gefährlichkeit von DEHP für die menschliche Gesundheit sei es ihm nicht zuzumuten, dass die schadhaften Kabel im Haus verbleiben.
Gestützt auf die Angaben des Sachverständigen Dipl. Ing. T im selbständigen Beweisverfahren beziffert der Kläger seinen Schaden hinsichtlich der zur privaten Nutzung bestimmten Räume wie folgt:
I. Gipskartonwände:
a) Austausch von 160 m² Gipskartonwänden, zzgl. 40 m² Gipskartondecke
(= 200 m² x EUR 45,18) = EUR 9.036,00
b) Aus- und Einbau der Flockendämmung
= EUR 4.454,00
II. Decken/Fußböden:
1. Entfernung von 100² schwimmenden Estrich nebst Dämmung und Neuherstellung
(= 100m² x EUR 41,72) = EUR 4.172,00
2. Erneuerung von 30 m² Fußbodenheizung
(= 30m² x EUR 55,22) = EUR 1.660,00
3. Erneuerung keramischer Bodenfliesen
(= 100 m² x EUR 98,70) = EUR 9.870,00
Demontage und Rückbau der Kachelofenanlage
= EUR 6.264,00
III. Elektroinstallation:
Neuverlegung = EUR 8.392,00
IV. Bäder/Toiletten:
Neuverfliesung der Vorsatzwände auf 25 2
= EUR 2.376,00
V. Kosten für Entsorgung, An- und Abfahrt:
= EUR 510,00
VI. Ferner begehrt der Kläger Ersatz der durch die Unbewohnbarkeit des Hauses entgangenen Gebrauchsvorteile. In diesem Zusammenhang behauptet er, geplanter Einzugstermin in das renovierte Haus sei September 2001 gewesen. Zum Zeitpunkt der Entdeckung der Kabelproblematik im August 2001 sei das Objekt bereits soweit fertiggestellt gewesen, dass die noch ausstehenden Tapezier- und Malerarbeiten bis Ende September zu erledigen gewesen wären.
Das Haus wäre nach der Renovierung – unstreitig – zum Mietzins von monatlich EUR 1.200,- (Netto) zu vermieten. Unter Anrechnung eines Abschlags von 40 % begehrt der Kläger Ersatz zum Ausgleich des Gebrauchsverlusts in Höhe von monatlich EUR 720,- für die Zeit von August bis einschließlich Dezember 2002.
17 Monate x EUR 720,00 = EUR12.240,00
VII. Hinsichtlich der im Falle der Sanierung durch ein Fachunternehmen auszulagernden und anschließend wieder im Haus aufzustellenden Möbel verlangt der Kläger Ersatz der Speditionskosten in Höhe von
EUR 4.181,22.
Insgesamt beträgt der vom Kläger geltend gemachte Schaden EUR 63.155,22.
Unter Berücksichtigung eines Selbstbehalts gem. § 11 ProdHaftG in Höhe von EUR 575,02 beantragt der Kläger,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 62.580,20 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.08.2002 zu zahlen und
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche Schäden, die ihm durch Austritt von Phtalsäureester, sog. Weichmacher, aus dem von der Beklagten produzierten NYM-Kabel in seinem Objekt, F-Straße, in S noch entstehen, zu ersetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Klageanspruch sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach entgegen.
Die Beklagte ist der Ansicht, eine Haftung nach den Vorschriften des Produkthaftungsgesetzes scheide aus, da es sich bei dem Haus um ein zusammengesetztes Produkt handele, dessen verschiedene Einzelteile untereinander keine „andere Sache“ im Sinne von § 1 I, 2 ProdHaftG darstellten. Eine deliktische Haftung gemäß § 823 BGB scheide aus, da der Schaden stoffgleich mit dem Mangelunwert der Kabel sei. Durch die Verwendung fehlerhafter Baustoffe trete an dem Bauwerk keine Eigentumsverletzung ein, sondern es entstehe von vornherein „schlechtes“ Eigentum.
Aber selbst wenn man eine Haftung dem Grunde nach annehmen würde, wäre lediglich für die durch das Abtropfen beschädigten Gegenstände (drei Bodenfliesen und einem Teil der Gipskartonwände) Ersatz zu leisten. Ein Komplettaustausch der Kabel sei unter keinem Gesichtspunkt erforderlich.
Sie behauptet in diesem Zusammenhang, für eine Gesundheitsgefährdung in Bezug auf eine Luftkontamination gebe es keine konkreten Anhaltspunkte. Das Austropfen von Weichmacher komme bei einer Raumtemperatur von 25 °C nach ca. einem Jahr zum Stillstand. Der Austritt von Weichmacherflüssigkeit könne zuverlässig durch das Aufbringen sog. Schrumpfkappen an den Kabelenden verhindert bzw. die Flüssigkeit durch ein Faserflies aufgefangen werden.
Soweit der Kläger einen Teilabbruch begehre, treffe ihn ein Mitverschulden, da dieser Rückbau deshalb nötig werde, da er die Kabel nicht – wie technisch erforderlich – in KPG-Rohren verlegt habe. Auch hinsichtlich des Verteilerkastens treffe den Kläger ein Mitverschulden, da er unzulässigerweise einen PVC-Kasten und nicht einen aus Polycarbonat (PC) gefertigten Kasten verwendet habe. Allein die Verwendung eines Kastens aus Polycarbonat sei fachgerecht, da dieses Material gegen Weichmacher unempfindlich sei.
Die Akten des selbständigen Beweisverfahrens LG Bonn 13 OH 21/01 sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Das Gericht hat in Ergänzung zu den Gutachten im selbständigen Beweisverfahren gemäß Beweisbeschluss vom 29.10.2003 Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher Gutachten der Sachverständigen N und Dipl. Ing. T. Der Sachverständige T hat sein Gutachten zudem im Termin vom 05.05.2004 mündlich erläutert. Wegen der weiteren Einzelheiten und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Beweisbeschluss (Bl. 105 – 107 d.A.), die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen N vom 11.02.2004 und des Sachverständigen T vom 28.01.2004 (Bl. 125 – 133 d.A.) sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 05.05.2004 (Bl. 198 – 201 d.A.) verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat mit Ausnahme eines Teils der geltend gemachten Nutzungsentschädigung und eines Teils des Zinsanspruchs Erfolg.
A) Der Kläger kann von der Beklagten gemäß § 823 I BGB Ersatz der geltend gemachten Schäden verlangen.
I.
Die Beklagte ist Herstellerin der hinsichtlich des Weichmacheraustritts mit einem Fehler behafteten Kabel. Als Herstellerin haftet sie gemäß § 823 I BGB unter dem Gesichtspunkt der Produkthaftung, da sie die ihr obliegenden Verkehrssicherungspflichten bei der Produktion und dem Inverkehrbringen der Kabel verletzt hat. Es ist insofern auch von einem schuldhaften Verhalten auszugehen, denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes muss der Hersteller eines Produkts dann, wenn bei bestimmungsgemäßer Verwendung eines Erzeugnisses eine Sache durch ein fehlerhaftes Produkt beschädigt wird, darlegen und beweisen, dass ihm hinsichtlich des Mangels keine objektive Pflichtverletzung oder kein Verschulden zur Last fällt (vgl. BGH NJW 1999, 1028, 1029 m.w.N.). Hierzu fehlt jedoch jeglicher Vortrag der Beklagten.
II.
Durch den Weichmacheraustritt aus den fehlerhaften Kabel ist Eigentum des Klägers im Sinne des § 823 I BGB verletzt worden. Unstreitig – und auch vom Sachverständigen Dipl. Ing T bestätigt – ist die im Keller befindliche Verteileranlage, insbesondere das Kunststoffgehäuse zerstört, es sind im Erdgeschoß mindestens 3 keramische Platten irreversibel verfleckt sowie ölige Flecken an den Gipskartonflächen im Bereich von Verteiler-/Steckdosen vorhanden.
Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich hierbei um eine Eigentumsverletzung, die deliktische Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte als Produktherstellerin begründet. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen ein fehlerhaftes Produkt nach dem Einfügen in ein Bauwerk zu Schäden an anderen Baustoffen führt (sog. weiterfressender Fehler) stellt sich die Frage der Anspruchskonkurrenz zwischen Gewährleistungsansprüchen und deliktischen Schadensersatzansprüchen. Diese Abgrenzung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass deliktische Verkehrspflichten gemäß § 823 I BGB nicht – wie die Gewährleistungspflichten des Kaufrechts – zum Inhalt haben, auf den Erwerb einer mangelfreien Kaufsache gerichtete Vertragserwartungen, insbesondere Nutzungs- und Werterwartungen (sog. Nutzungs- und Äquivalenzinteresse) zu schützen. Sie sind vielmehr auf das Interesse gerichtet, das der Rechtsverkehr daran hat, durch die von dem Hersteller in Verkehr gebrachte Sache nicht in seinem Eigentum oder Besitz verletzt zu werden (sog. Integritätsinteresse) (vgl. BGH VerS 1987, 165 m.w.N.).
Ein deliktsrechtlicher Anspruch besteht nur dann, wenn das Integritätsinteresse und das Nutzungs- und Äquivalenzinteresse nicht „stoffgleich“ sind. Stoffgleichheit ist dabei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gegeben, wenn sich der geltend gemachte Schaden mit dem im Augenblick des Eigentumsübergangs dem Produkt anhaftenden Mangelunwert, d.h. der im Mangel verkörperten Entwertung der Sache für das Äquivalenz- und Nutzungsinteresse, deckt. Das ist im Einzelfall durch eine natürliche und wirtschaftliche Betrachtungsweise zu beantworten (vgl. Palandt-Thomas, BGB, 62. Aufl., § 823 Rz. 212 m.w.N.).
Unproblematisch scheidet danach ein deliktischer Anspruch für den Sachschaden an dem fehlerhaften Einzelteil selbst aus, so dass dem Kläger kein Schadensersatzanspruch bezüglich der defekten Kabel selbst zusteht. Diesen macht er mit der Klage auch nicht geltend.
Hinsichtlich der an sonstigen Baustoffen entstandenen Schäden sind jedoch deliktsrechtliche Ansprüche gegeben und zwar unabhängig davon, ob die beschädigten Teile zeitlich vor oder nach den Kabeln in das Haus eingebaut worden sind. Angesichts der im Einzelfall erforderlichen wertenden Betrachtung ist hier nach Auffassung der Kammer keine Veranlassung gegeben, die mangelfreien Baustoffe aus dem deliktsrechtlichen Schutz herauszunehmen, nur weil in den Decken und Wänden eine Verbindung mit den schadhaften Kabeln besteht und alle Baustoffe zu wesentlichen Bestandteilen des Gebäudes (§ 94 BGB) geworden sind. Vielmehr ist hier zu berücksichtigen, dass es sich bei den Kabeln um funktionell abgegrenzte Teile handelt, die wieder aus den Decken und Wänden abtrennbar sind und ansonsten fehlerfreie Baustoffe beschädigen bzw. zerstören. Es besteht auch keine Stoffgleichheit. Denn der Schaden des Klägers besteht nicht in der bloßen Unbrauchbarkeit der Kabel. Der Austritt der Weichmacherflüssigkeit führt vielmehr zu einer Beeinträchtigung des bis zum Einbau der Kabel mangelfreien Altbaus. Insofern wird das Integritätsinteresse des Klägers als Eigentümer des Hauses verletzt. Bei der Bejahung hieraus resultierender deliktischer Schadensersatzansprüche stützt sich die Kammer insbesondere auch auf die Erwägungen des Bundesgerichtshofes im sog. Asbestzement-Platten-Fall (vgl. Urteil vom 05.05.1981-VI ZR 280/79 – NJW 1981, 2250). Dort begehrte die Eigentümerin einiger Häuser, deren Fassaden mit Asbestzement-Platten verkleidet worden waren, von dem Hersteller der Platten Ersatz für den Schaden, der auf den Fensterscheiben des Hauses dadurch entstand, dass das Niederschlagswasser Substanzen aus den Asbestzement-Platten herauslöste und auf die Fensterscheiben schlemmte. Der Bundesgerichtshof hat deliktsrechtliche Ansprüche der Klägerin grundsätzlich anerkannt, da die bebauten Grundstücke bereits vor Anbringung der Platten in mangelfreiem Zustand im Eigentum der Klägerin standen und sich ihr Schaden nicht auf die Unbrauchbarkeit der Plattenverkleidung beschränkt; gleichgültig, ob die Fenster vor oder nach Anbringung der Fassadenverkleidung eingesetzt wurden. Dieser Schadensfall ist nach Ansicht der Kammer mit dem vorliegenden Rechtstreit vergleichbar, so dass sich die rechtliche Bewertung übertragen lässt.
III.
Ist somit dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch des Klägers gemäß § 823 I BGB zu bejahen, so kann der Kläger unproblematisch gemäß § 249 S. 2 a.F. BGB den Geldbetrag verlangen, der für die Erneuerung der bereits durch das Austropfen der Weichmacherflüssigkeit beschädigten Bauteile, d.h. die verfleckten Bodenplatten, den beschädigten Verteilerkasten sowie die Ölflecken um die Verteilerdosen, anzusetzen ist.
Der Kläger hat jedoch auch einen Anspruch auf vollständige Entfernung der schadhaften Kabel und insofern auf Ersatz der für den Rückbau und die Wiederherstellung erforderlichen Kosten. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Komplettsanierung zum Schadensausgleich im Sinne des § 249 S. 2 BGB a.F. erforderlich ist.
Bei Sachschäden – wie im vorliegenden Fall – kann der Geschädigte gemäß § 249 S.2 BGB a.F. vom Schädiger den Geldbetrag verlangen, der zur Herstellung des Zustands erforderlich ist, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Zu erstatten sind die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten zur Schadensbeseitigung für zweckmäßig und notwendig halten durfte (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 249 Rz. 11,12 m.w.N.).
Der Kläger ist hier nicht auf die von Beklagtenseite als ausreichend angesehene Sanierung durch das Aufbringen von Schrumpfkappen bzw. Einlegen von Faserflies zu verweisen. Zwar schätzt der Sachverständige Dipl. Ing. T den Aufwand für eine Sanierung mit Schrumpfkappen auf lediglich EUR 650,-, so dass man das Begehren des Klägers unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB) hierauf beschränkt sehen könnte, nach Ansicht der Kammer ist eine Sanierung mittels Schrumpfkappen und Faserflies zur Schadensbeseitigung jedoch nicht ausreichend, um den Zustand zu erreichen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde.
Die Kammer schließt sich insofern den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Ing. T an. Dieser hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 28.01.2004 (Bl. 128, 129 d.A.) ausgeführt, dass bei dem Einsatz von Schrumpfkappen/Schrumpfaufteilkappen keine vollständig dichte Verklebung bzw. Verbindung zwischen dem Kabelende und der Schrumpfkappe entsteht, mit der Folge, dass durch kapillares Kriechen – wenn auch zeitlich stark verzögert – weiterhin Weichmacherflüssigkeit zwischen Schrumpfkappe und Mantelfläche hindurchtreten kann. Soweit die Beklagte behauptet, dieses kapillare Kriechen lass sich durch den Einsatz von Schrumpfkappen der Firma M verhindern und ein Gutachter in einem anderen Rechtstreit (LG Bonn – 18 O 285/02) zu dem Ergebnis gelangt ist, dass Schrumpfkappen eine zuverlässige Verschlussmethode darstellen, da Undichtigkeiten nur aufgrund handwerklicher Mängel beim Aufschrumpfen aufträten, folgt die Kammer diesen Einschätzungen in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dipl. Ing. T nicht. Der Sachverständige hat im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens im Termin vom 05.05.2004 unter Berufung auf die ihm bekannten Studien und seine langjährige praktische Erfahrung im Einsatz von Schrumpfkappen für die Kammer nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass sich durch Schrumpfkappen der weitere Austritt von Weichmacherflüssigkeit an den Kabelenden nicht zuverlässig verhindern lässt.
Hinzu kommt, dass Schrumpfkappen – unstreitig – überhaupt nur dort zum Einsatz kommen können, wo eine gewisse Mindestarbeitslänge des schadhaften Kabels vorhanden ist. Sofern diese nicht gewährleistet ist, kann nur auf das Einbringen von Faserflies in z.B. eine Verteilerdose zurückgegriffen werden. Dieses Flies verhindert nicht das Austreten der Weichmacherflüssigkeit, sondern saugt diese nur auf. Nach Überzeugung der Kammer handelt es sich hierbei um keine dem Kläger zumutbare Sanierungsmethode. Denn das Flies muss – was auch die Beklagte einräumt – in regelmäßigen Zeitabständen kontrolliert und ggfs. erneuert werden.
In diesem Zusammenhang ist zum einen zu berücksichtigen, dass – entgegen der Ansicht der Beklagten – nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Ing. T überhaupt noch nicht absehbar ist, wie lange der Migrationsprozess noch anhalten wird. Diese zeitliche Ungewissheit ist einerseits dadurch bedingt, dass nicht feststellbar ist, wie viel Weichmacher schon ausgetreten ist. Zum anderen ist der Migrationsvorgang sehr stark abhängig von der Umgebungstemperatur. Bei einer konstanten Raumtemperatur von mehr als 20 °C kann der Prozess in 5 bis 7 Jahren abgeschlossen sein, bei geringeren Temperaturen kann der Migrationsprozess nach Aussage des Sachverständigen Dipl. Ing. T 10 Jahre oder länger dauern.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass das in der Weichmacherflüssigkeit – nach Angaben der Beklagten – zu ca. 60 % enthaltene DEHP nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen die Gesundheit des Menschen schädigen kann.
DEHP ist gemäß den Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Ing. T das meist verwendete Phtalat im Innenraumbereich und insofern als allgegenwärtiger Stoff anzusehen, weshalb Phtalate auch im menschlichen Organismus anzutreffen sind, wobei als Hauptaufnahmequelle die Nahrung gilt. Wie sich eine erhöhte Raumluftkonzentration dauerhaft auf Menschen auswirkt, lässt sich heute nicht mit Sicherheit vorhersagen. Luftgrenzwerte existieren derzeit allein für den Bereich des Arbeitsschutzes. Gemäß den dort geltenden Technischen Regeln für Gefahrstoffe (hier TRGS 905) ist DEHP als ein Stoff zu kennzeichnen, der als beeinträchtigend für die Fortpflanzungsfähigkeit des Menschen und fruchtschädigend angesehen werden soll. Der Luftgrenzwert am Arbeitsplatz ist auf 10 mg/m³ DEHP festgelegt, wobei derzeit neuere Erkenntnisse vorliegen, die dazu führen können, dass eine Herabsetzung des Grenzwertes empfohlen wird.
Unumstritten ist nach Angaben des Sachverständigen zudem, dass DEHP maßgeblich an dem Phänomen „schwarze Wohnung“ (dark dust / Fogging) beteiligt ist. Dabei handelt es sich um eine Ansammlung von an Staub gebundenen Weichmacher auf Oberflächen der Bauteile und des Mobiliars. In den von dem Sachverständigen ausgewerteten Publikationen wird DEHP unter den zahlreichen Weichmachern der Phtalsäureester als der Stoff mit dem größten Einfluss auf das Fogging-Phänomen und der zweitgrößten Halbwertzeit beschrieben.
Wie der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens für die Kammer nachvollziehbar ausgeführt hat, erfolgt eine Belastung der Wohnräume des Klägers mit DEHP nicht nur durch die an den Kabelenden austretende Weichmacherflüssigkeit, sondern aufgrund des Dampfdrucks insbesondere in Form von Ausgasung durch den Kabelmantel.
Die Kammer verkennt nicht, dass im Haus des Klägers keine Raumluftmessungen vorgenommen worden sind, da dies angesichts des derzeitigen unbewohnten Ausbauzustands des Hauses einerseits und der fraglichen Übertragbarkeit arbeitsschutzrechtlicher Grenzwerte auf den privatgenutzten Wohnbereich nach Einschätzung des Sachverständigen nicht zweckdienlich erscheint. Es liegen somit keine gesicherten Werte hinsichtlich des derzeitigen bzw. im Falle der Wohnnutzung noch zu erwartenden DEHP-Gehalts in der Raumluft vor.
Es ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass neben der Raumluftbelastung für den Kläger und sonstige (zukünftige) Bewohner des Hauses im Falle eines Verbleibs der Kabel auf unabsehbare Zeit ein unmittelbarer Kontakt mit der aus den Kabelenden heraustropfenden Flüssigkeit droht. Dies sowohl aufgrund des nicht zu verhindernden weiteren Austropfens aus den Kabeln als auch bei zukünftigen Arbeiten an den Kabeln, z.B. dem Anschluss von Lampen etc. und insbesondere dann, wenn man die Sanierung mittels Faserflies wählt, da das vollgesogene Flies in regelmäßigen Abständen ausgetauscht werden muss.
Dabei ist nach Empfehlung des Sachverständigen Dipl. Ing. T ein unmittelbarer Kontakt mit der Weichmacherflüssigkeit ohne Schutzmaßnahmen zu vermeiden. Diese Einschätzung wird bestätigt durch die von Beklagtenseite zur Gerichtsakte gereichten Feststellungen des Labors X vom 31.01.2002 (vgl. Bl. 178 ff d.A.), das bei Untersuchungen an schadhaften Kabeln im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf u.a. zu dem Ergebnis gekommen ist, dass „die Aufnahme von DEHP durch Hautkontakt nicht zu unterschätzen ist“ und daher entsprechende Vorkehrungen getroffen werden müssen: „Schutz der Hände durch Tragen von Handschuhen, Reinigung berührter Flächen nach Abschluss von Arbeiten an den Kabeln“ (vgl. Bl. 182 d.A.).
Ferner droht durch den möglichen weiteren Austritt von Weichmacherflüssigkeit die erneute Beschädigung von renovierten Baustoffen. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Abtropfens auf die keramischen Bodenbeläge als auch hinsichtlich von Schaltautomaten, Relais und ähnlichen Geräten. Denn – wie die Beklagte selbst einräumt – ist aufgrund des Kriechverhaltens zum einen ein Eindringen in diese Geräte möglich und kann es zum anderen aufgrund klebriger bzw. fester Rückstände durch Trocknungsprozesse zu mechanischen Funktionsstörungen, z.B. bei Leitungsschutzschaltern kommen. Diese Funktionsstörungen sind im Hause des Klägers bereits eingetreten, ebenso wie Kurzschlüsse infolge an den Kabelenden zusammenfließender Tropfen.
Bei einer zusammenfassenden Würdigung der vorstehenden Aspekte ist nach Ansicht der Kammer dem Kläger keine Sanierungsform zumutbar, die auf unübersehbare Zeit zur Folge hat, dass DEHP ausgast, dass Weichmacherflüssigkeit austritt, die zu einer erneuten Beschädigung von Baustoffen führen und mit der der Kläger in Kontakt kommen kann, dass Schaltautomaten, sonstige Geräte und Verteilerdosen kontrolliert und ggfs. verunreinigte Faserfliese ausgetauscht werden müssen. Zumal diese Kontrollen auch bedingen, dass der Kläger die betroffenen Verteilerdosen frei zugänglich halten muss und sie z.B. weder übertapezieren noch mit sperrigen Möbelstücken verstellen kann. Eine solche Teil-Sanierung führt nicht zu einer gemäß § 249 BGB geschuldeten Naturalrestitution, d.h. einem Zustand, der dem entspricht wie er ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Dieser ist nach Ansicht der Kammer vielmehr allein durch einen vollständigen Austausch der schadhaften Kabel zu erreichen.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass im vorliegenden Fall eine betragsmäßig nicht unerhebliche Summe (ca. 50.000,- EUR) für die vollständige Entfernung der Kabel und die sich anschließenden Wiederherstellungsarbeiten aufgewandt werden muss. In Relation zu den ansonsten – wie oben dargelegt – auf unabsehbare Zeit drohenden Beeinträchtigungen im Falle eines Verbleibs der Kabel erscheinen diese Kosten jedoch nicht unverhältnismäßig.
IV.
Im Einzelnen kann der Kläger daher wie folgt gemäß § 823 I, 249 S.2 BGB a.F. Schadensersatz verlangen:
Hinsichtlich der geltend gemachten Schadenspositionen 1.) -5.) werden die vom Kläger in Ansatz gebrachten Kosten in vollem Umfang durch die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Ing. T in seinen Gutachten vom 22.07.2002 (Bl. 47 ff der Akten 13 OH 21/01) und 13.01.2003 (Bl. 90 ff der Akten 13 OH 21/01) sowie die von Klägerseite vorgelegten Kostenvoranschläge bestätigt. Weder die gutachterlichen Feststellungen noch die Kostenvoranschläge sind von der Beklagten im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens beanstandet worden. Soweit sie nunmehr pauschal die Höhe der Kosten bestreitet, ist dieses prozessual unbeachtlich.
VIII. Gipskartonwände/-decke:
A. Die schadhaften Kabel liegen in den Hohlräumen der Ständerwände. Um sie zu entfernen sind die Gipskartonwände einschließlich OSB-Platten zu öffnen und anschließend neu zu montieren. Der Sachverständige Dipl. Ing. T hat in seinen schriftlichen Gutachten vom 22.07.2002 und 13.01.2003 die Kosten für De- und Remontage mit einem Faktor 1,7 des Neuwertes angesetzt und eine Preisspanne von EUR 45,18 – EUR 52,13 pro m² brutto inclusive Materialkosten ermittelt.
Er legt seiner Kostenberechnung die unterste Preisspanne zugrunde und beziffert die Kosten für den Austausch von 160 m² Gipskartonwänden und 40 m² Gipskartondecke mit insgesamt
EUR 9.036,00.
2. Die Kosten für das Entfernen und den Neueinbau der Zellulosedämmschüttung beziffert der Sachverständige mit EUR 22,27 pro m², so dass sich bei 200 m² Gesamtkosten in Höhe von brutto
EUR 4.454,- ergeben.
IX. Decken / Fußböden:
Im Decken- bzw. Fußbodenbereich liegen die zu entfernenden Kabel in der Dämmschicht unterhalb des Estrichs und des darauf aufgebrachten keramischen Bodenbelags.
a) Gemäß den Feststellungen des Sachverständigen Dipl. Ing. T in seinem Gutachten vom 22.07.2002 ist es zur Entfernung der Kabel auch erforderlich, den Estrich und die Dämmung zu entfernen und zu erneuern.
Die Kosten für die Demontage und den Neuauftrag des schwimmenden Estrichs nebst Dämmung sind nach Angaben des Sachverständigen mit EUR 41,72 brutto zu beziffern, so dass sich bei einer betroffenen Fläche von ca. 100 m² im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss Gesamtkosten in Höhe von brutto
EUR 4.172,00 ergeben.
b) Soweit im Erdgeschoß auf 24 m² und im Bad des Obergeschosses auf 6 m² im Bodenbereich eine Fußbodenheizung eingebaut ist, muss diese ebenfalls entfernt werden, um an die beschädigten Kabel heranzukommen und sodann neu installiert werden.
Die Kosten hierfür belaufen sich nach den Feststellungen des Sachverständigen auf EUR 55,22 pro m², so dass hierfür Gesamtkosten (30m² x EUR 55,22) in Höhe von brutto
EUR 1.660,00 anzusetzen sind.
c) Die Kosten für die Erneuerung des keramischen Bodenbelags belaufen sich bei betroffenen 100 m² im Erdgeschoß und ersten Obergeschoß nach den Angaben des Sachverständigen auf brutto EUR 98,70 pro m², mithin
EUR 9.870,00.
d) Im Rahmen der Entfernung der Kabel aus dem Bodenbereich ist auch der festinstallierte Kachelofen zu demontieren und wieder aufzubauen. Die hierfür im Kostenvoranschlag der Firma M (Bl. 73 der Akten 13 OH 21/01) in Ansatz gebrachten
EUR 6.264,00 brutto
sind nach Angaben des Sachverständigen angemessen.
X. Elektroinstallation:
Der Kläger hat für die Erneuerung der verölten Schalter, Steckdosen, Verteilerdosen sowie des Verteilerkasten, nebst Schaltautomaten Kostenvoranschläge eingeholt. Das niedrigste Angebot für die Gesamtarbeiten (Firma T (Bl. 68 f. der Akten 13 OH 21/01)) beläuft sich auf brutto
EUR 8.392,00.
XI. Im Bereich der Bäder und Toiletten ist nach den Feststellungen des Sachverständigen neben der bereits in Ziffer 1.) erfassten Demontage der Wandbereiche zudem auf einer Fläche von ca. 25 m² eine Neuverfliesung der vorgesetzten Wände inclusive Abdichtung vorzunehmen. Der Sachverständige legt hierfür einen Preis in Höhe von brutto EUR 95,04 pro m² zugrunde, so dass sich Gesamtkosten in Höhe von
EUR 2.376,00 ergeben.
XII. Entsorgung:
Gemäß den Ausführungen des Sachverständigen lässt sich der im Rahmen der Baumaßnahmen anfallende Bauschutt der allgemeinen Verwertung zuführen und bedarf keiner Spezialentsorgung. Die insgesamt für die verschiedenen Baumaterialien anzusetzenden Entsorgungskosten schätzt der Sachverständige auf brutto
EUR 510,00.
XIII. Nutzungsentschädigung:
Der Kläger kann zudem, beginnend mit dem Monat Oktober 2001, Ersatz der durch die Unbewohnbarkeit des Hauses entgangenen Gebrauchsvorteile erhalten.
Insofern steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger die noch im Haus auszuführenden Arbeiten soweit fertiggestellt hätte, dass er ohne das Schadensereignis Ende September mit seiner Lebensgefährtin in das Haus hätte einziehen können. Nach dem Vortrag des Klägers war das Objekt zum Zeitpunkt der Entdeckung der Kabelproblematik soweit fertiggestellt, dass lediglich noch auf die bereits vorhandenen Gipskartonwände die Tapeten aufgebracht und die Malerarbeiten durchgeführt werden mussten. Dieser Ausbauzustand wird von dem Sachverständigen Dipl. Ing. T, der das Gebäude als nahezu fertiggestellt beschreibt, in seinem Gutachten vom 22.01.2002 bestätigt. Der im Gutachten – auch photographisch – dokumentierte Ausbauszustand, bietet der Kammer, gestützt auf ihre Erfahrung und Kenntnisse als Spezialkammer für Bausachen, hinreichende Anknüpfungstatsachen, um gemäß § 287 I ZPO abzuschätzen, dass die Fertigstellung der Restarbeiten bis Ende September 2001 zu bewerkstelligen gewesen wäre und dem Kläger mithin ab Oktober 2001 ein Schaden in Form der entgangenen Gebrauchsvorteile entstanden ist. Denn infolge der Kabelproblematik ist das Haus bislang nicht bewohnbar. Der Sachverständige N hat in seinem Gutachten vom 11.02.2004 darauf hingewiesen, dass die Inbetriebnahme der Unterverteilung in dem jetzigen Zustand auf Grund der Gefahr eines elektrischen Schlages und auf Grund von Brandgefahren nicht zugestimmt werden kann. Die Beklagte befindet sich mit der Schadensbeseitigung bzw. Kostenübernahme jedenfalls seit Mitte November 2002 in Verzug, da sie die Leistung seitdem (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 11.11.2002 (Bl.83 der Akten 13 OH 21/01)) ernsthaft und endgültig verweigert.
Seit der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen des Bundesgerichtshofes (BGHZ 98, 212 ff) ist die schadensrechtliche Ersatzfähigkeit des Verlustes des Wohngebrauchs anerkannt. Eine verbindliche Vorgabe hinsichtlich des Bewertungsmaßstabs für die Bemessung des jeweiligen Schadens ist in dieser Entscheidung nicht getroffen worden. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist danach nicht zwingend auf die anteiligen Vorhaltekosten abzustellen. Zwar ist von der Maßgabe auszugehen, dass der Gebrauchsverlust für eine eigenwirtschaftliche Verwendungsplanung und nicht der entgangene Gewinn aus einer nicht beabsichtigten entgeltlichen Gebrauchsüberlassung an einen Dritten zu entschädigen ist. Gleichwohl sieht es der Bundesgerichtshof auch als zulässig an, der Schadensbemessung Wertmaßstäbe des Verkehrs für eine entgeltliche Gebrauchsüberlassung zu Grunde zu legen, sofern diese von den spezifisch die erwerbswirtschaftliche Nutzung betreffenden Wertfaktoren zuverlässig bereinigt werden können (vgl. BGH, a.a.O).
Diese Faktoren sind nach Schätzung der Kammer (§ 287 I ZPO) durch den vom Kläger vorgenommenen 40%-igen Abschlag vom zu erzielenden Nettomietzins angemessen berücksichtigt. Der vom Kläger in Ansatz gebrachte monatliche Mietzins in Höhe von EUR 1.200,- netto ist als Ausgangsgröße zu Grunde zu legen, da die Beklagte diesen nicht bestritten hat (§ 138 III ZPO).
Die Nutzungsentschädigung beträgt danach pro Monat EUR 720,- (60 % von EUR 1.200,-).
Der Kläger begehrt mit dem Klageantrag zu 1.) Ersatz für die bis einschließlich Dezember 2002 entgangene Nutzung. Entgegen der Klageforderung ist jedoch nicht bereits ab August 2001 eine Nutzungsentschädigung zu gewähren, sondern erst ab Oktober 2001, da der Kläger im Laufe des Rechtsstreits das geplante Einzugsdatum auf Ende September korrigiert hat. Der Schadensberechnung sind somit nicht 17 sondern nur 15 Monate (Oktober 2001 – Dezember 2002) zu Grunde zu legen, so dass sich die Nutzungsentschädigung auf insgesamt
EUR 10.800,- beläuft.
In Höhe der darüber hinaus geltend gemachten EUR 1.440,- war die Klage als unbegründet abzuweisen.
7.) Speditionskosten:
Die vom Kläger durch den Kostenvoranschlag der Fa. E (Bl. 14 f d.A.) substantiiert dargelegten Kosten in Höhe von
EUR 4.181,22
für die während der Sanierung erforderliche Auslagerung der Möbel sind gemäß § 138 III ZPO als zugestanden anzusehen, da die Beklagte sie nicht bestritten hat.
Die vorstehenden Schadenspositionen sind (ausgenommen die Nutzungsentschädigung gem. Ziff.6.) jeweils inclusive Umsatzsteuer zu erstatten, da gemäß Art. 229 § 8 EGBGB die Regelung des § 249 BGB a.F. anzuwenden ist, weil das schädigende Ereignis vor dem 31.07.2002 eingetreten ist.
Zusammenfassend ergibt sich danach ein Schadensersatzanspruch in Höhe von insgesamt
EUR 61.715,22.
V.
Dieser Ersatzanspruch ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens wegen Verstoßes gegen Schadensminderungspflichten (§ 254 BGB) zu kürzen. Dies gilt sowohl hinsichtlich des zerstörten Verteilerkastens als auch der Tatsache, dass die Kabel nicht in Leerrohren verlegt worden sind:
Soweit die Beklagte behauptet, die Verwendung eines PVC-Verteilerkastens sei nicht fachgerecht, ist diese Behauptung durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt worden. Wie der Sachverständige N, der der Kammer als Spezialkammer für Bausachen langjährig als erfahrener und zuverlässiger Sachverständiger bekannt ist, in seinem Gutachten vom 11.02.2004 uneingeschränkt überzeugend festgestellt hat, entspricht der vom Kläger verwandte PVC-Verteilerkasten vielmehr der gemäß VDE 0100 notwendigen Ausführung und ist die Verwendung insgesamt fachgerecht. Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 24.03.2004 (Bl. 154 d.A.) die mündliche Erläuterung des schriftlichen Gutachtens durch den Sachverständigen beantragt hat, war diesem Beweisantritt nicht zu entsprechen, da die Behauptung der Beklagten, aus Polycarbonat gefertigte Verteilerkästen seien, anders als PVC-Kästen gegen Weichmacher unempfindlich, als zutreffend unterstellt werden kann, dies jedoch nichts daran ändert, dass die Verwendung von PVC-Kästen gemäß den schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen als technisch fachgerecht anzusehen ist. Mehr als eine solche fachgerechte Ausführung kann von dem geschädigten Kläger nicht verlangt werden. Insofern ist die Tatsache, dass es im Hinblick auf die Weichmacherresistenz möglicherweise noch bessere Kästen gibt, für die Frage des Mitverschuldens im Sinne des § 254 BGB irrelevant.
Auch der Einwand der Beklagten hinsichtlich der unterbliebenen Verwendung von Leerrohren ist unbeachtlich. Denn die hinsichtlich der Frage des Mitverschuldens darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat die Behauptung, eine Verlegung der Kabel mittels Kabelklemmen sei nicht fachgerecht, ohne weitere Substantiierung und insbesondere ohne Beweisantritt aufgestellt. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat auch der Sachverständige Dipl. Ing. T nicht zum Ausdruck gebracht, dass die gewählte Verlegeform nicht fachgerecht sei. Er hat in seinem Gutachten vom 22.01.2002 (dort Seite 6) die vorgefundene Verlegeform lediglich kommentarlos wiedergegeben und zudem in der mündlichen Erläuterung im Termin vom 05.05.2004 – über das Protokoll hinaus – bekundet, dass er keine sachverständigen Angaben bezüglich der Frage des Erfordernisses der Verwendung von KPG-Rohren machen kann.
VI.
Hinsichtlich des geltend gemachten Zinsanspruchs ist die Klage gemäß § 286, 288 I BGB i.V.m. Art. 229 § 1 I EGBGB unter dem Gesichtspunkt des Verzuges ab dem 11.11.2002 begründet, da der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 11.11.2002 (Bl. 83 der Akten 13 OH 21/01) – unbestritten – vorgetragen hat, dass die Beklagte endgültig die Leistung verweigert. Soweit mit der Klage darüber hinaus Zinsen ab dem 29.08.2002 verlangt werden, ist nicht schlüssig dargelegt, dass die Beklagte sich bereits zu diesem Zeitpunkt in Verzug befand.
b) Der vom Kläger gestellte Feststellungsantrag ist zulässig, da die Beklagte den Anspruch dem Grunde nach bestritten hat und es möglich ist, dass neben den der dem Klageanspruch zu 1.) zu Grunde gelegten Schäden noch weitere Schadenspositionen anfallen.
Er ist auch begründet. Insofern wird auf die obigen Ausführungen zu der dem Grunde nach gegebenen Haftung der Beklagten verwiesen.
Dem Feststellungsantrag war jedoch nur mit der Maßgabe zu entsprechen, dass das schadhafte Kabel als solches als Schadensposition ausgenommen ist. Denn insofern ist mangels Stoffgleichheit keine deliktisch geschützte Eigentumsverletzung des Klägers gegeben, da der Kläger bezüglich des Kabels nie mangelfreies Eigentum erworben hat.
Da der Kläger in seiner Klagebegründung ausdrücklich darauf verwiesen hat, dass er lediglich Schadensersatz hinsichtlich anderer Sachen als dem Kabel begehrt, war der Feststellungsantrag dahingehend auszulegen, dass in Bezug auf das Kabel keine Feststellung begehrt wird. Die Kammer hat dies zur Klarstellung im Tenor mit aufgenommen.
c) Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 II Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Streitwert: bis zum 14.04.2003 : EUR 63.126,20
a) danach: EUR 67.580,20
(Klageantrag zu 1.)
bis zum 14.04.2003: EUR 58.126,20
danach : EUR 62.580,20
Klageantrag zu 2.) EUR 5.000,00