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Online-Marketing-Flatrate

Vertrag kann einen Dienstvertrag im Sinne von § 611 BGB darstellen

LG Köln, Urteil vom 13.08.2013, 29 O 22/13

Nordrhein Westfalen Wappen

Landgericht Köln
Urteil vom 13.08.2013
29 O 22/13

Im Namen des Volkes
Urteil

 

In dem Rechtstreit

… GmbH,

Klägerin und Widerbeklagte

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Volker Dahlbokum LL.M.Eur.LL.M., Klosterstr. 22, 40211 Düsseldorf

./.

Beklagte und Widerkläger

… e.K., ….

hat die 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln auf die mündliche Verhndlung vom 16.07.2013 durch den Richter am Landgericht … als Einzelrichter

für Recht erkannt

  1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 806,13 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2012 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 101,40 € zu zahlen.
  2. Die Widerklage wird abgewiesen.
  3. Die Kosten des Rechtstreits trägt der Beklagte.
  4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Beitrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin und die Beklagte schlossen am 12.04.2011 einen „Online-Marketing-Flatrate“-Vertrag. Hiernach schuldete der Beklagte eine monatliche Pauschalgebühr in Höhe von 1.750,00 € zuzüglich Umsatzsteuer, welche der Beklagte ab April 2011 bis Ende März 2012 mithin in Höhe von 12 Monatsraten zahlte.

Laut Projektbeschreibung schuldete die Klägerin ein zeitlich unbegrenztes Leistungskontingent in Bezug auf alle relevanten Online-Marketing-Aktivitäten. Die zu erbringenden Leistungen/Online-Marketing-Maßnahmen sollten gemeinsam geplant, beschlossen und von der Agentur umgesetzt werden. Von dem Rahmenvertrag ausgeschlossen waren Fremdleistungen. Zum Leistungsumfang gehörten die Themengebiete Beratung, Suchmaschinenoptimierung, Google Adwords, Affiliate – Marketing, Preissuchmaschinen und Webcontrolling.

Unter dem 09.05.2011 erfolgte ein Online-Marketing-Briefing durch die Klägerin. Dabei wurde unter anderem nach Online-Marketing-Aktivitäten bis jetzt gefragt und das Stichwort Suchmaschinenoptimierung verwendet sowie nach der verwendeten Servertechnologie gefragt.

Unter dem 22.03.2012 stellte die Klägerin fest, dass die Zielerreichung für 2011/2012 weit hinter den Erwartungen zurücklag.

Tatsächlich hatten sich ab Mai 2011 die Besucherzahlen von zunächst 1.584, bis August 2011 auf 3.010 steigend und dann bis Dezember 2011 auf 1.548 fallend sowie ab da bis März 2012 wieder auf 2.956 steigend, verhalten.

Im Rahmen der Onsite-Analyse 2012 vom 28.03.2012 schlug die Klägerin weitere Verbesserungsmaßnahmen vor. Unter dem 05.04.2012 beanstandete der Beklagte, dass das verwendete Produkt nicht SEO-Konform zu gestalten sei. SEO ist dabei die Abkürzung für Search Engine Optimization (Suchmaschinenoptimierung) und bezeichnet Maßnahmen, die dazu dienen, dass Webseiten im Suchmaschinenranking in den unbezahlten Suchergebnissen auf höheren Plätzen erscheinen.

Unter dem 10.04.2012 erklärte der Beklagte gegenüber der Klägerin die Kündigung.

Mit Rechnung vom 19.04.2012 verlangt die Klägerin die noch verbleibende offene halbe Aprilrate in Höhe von 806,13 € inklusive Mehrwertsteuer. Deren Ausgleich hatte sie unter dem 31.05.2012 angemahnt. Eine weitere anwaltliche Mahnung erfolgte unter der 31.08.2012.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 806,13 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2012 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 101,40 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Klägerseite habe erklärt, dass das von der Beklagten verwandte Shopsystem SEO ungeeignet sei, da eine SEO – Opimierung in die Grundlagen der Shopprogrammierung eingegriffen hätte, was der Beklagten nicht möglich gewesen sei, da es sich nicht um einen von ihr selbst programmierten Shop, sondern um das Shopsystem von … gehandelt habe, das die Beklagte nicht habe ändern können.

Widerklagend verlangt die Beklagte Rückzahlung der an die Klägerin geleisteten Monatsbeiträge sowie Ersatz der von der Beklagten in der Auflistung B 6 angeführten Kosten.

Widerklagend beantragt die Beklagte,

die Klägerin zu verurteilen, an sie 22.356,00 € (Schadenersatz netto) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Widerklage zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstanden wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen der Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die in der von ihnen eingereichten Unterlagen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.
Die Widerklage war abzuweisen.

Die Klägerin steht gemäß § 611 BGB ein auf Zahlung im Rahmen der Laufzeit im April 2012 noch angefallenen Beratungshonorars in Höhe der Klageforderung zu.

Soweit der Beklagte dem Zahlungsanspruch den Einwand mangelhafter Leistungen entgegegenhält, dringt er hiermit nicht durch.

Auf Gewährleistungsrechte im Rahmen eines Werkvertrages kann sich der Beklagte nicht berufen. Das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis ist schon ausweislich des Vertragstextes nicht als Werkvertrag, sondern als pauschaler Dienstleistungsvertrag bezeichnet worden.

Auch der darüber hinausgehende Wortlaut der vertraglichen Vereinbarung spricht für eine Auslegung als Dienstvertrag, da vorliegend Beratungsleistungen und gemeinsam geplante Online-Marketing-Maßnahmen erbracht werden sollten. Ein konkreten Leistungserfolg definiert der Vertrag nicht. Ausweislich des Schriftsatzes vom 17.07.2013 geht auch der Beklagte vom Bestehen eines Dienstvertrages aus.

Das Dienstvertragsrecht sieht jedoch anders als das Kauf- und Werkvertragsrecht keine Gewährleisungsrechte des Dienstberechtigten vor. Aus diesem Grunde kann nach Auffassung der Rechtsprechung eine mangelnde Leistung allenfalls im Rahmen eines Schadenersatzanspruches statt der Leistung wegen teilweiser Nichterfüllung des Beratungsvertrages nach §§ 281 Absatz 1 und Absatz 2, 280 Absatz 1 und Absatz 3 BGB entgegengehalten werden, wonach der Dienstberechtigte von der Vergütungspflicht frei geworden ist.

Dabei gibt die bloße Schlechtleistung des Dienstverpflichteten, soweit kein darüber hinausgehender Schaden entstanden ist, dem Dienstberechtigten grundsätzlich keinen Anspruch auf Schadenersatz (vgl. OLG Köln. Urteil vom 22. Oktober 1987 – 1 U 41/84, ior 1988, 151 – 153).

Lediglich in den Fällen einer Schlechtleistung, die wegen völliger Unbrauchbarkeit der erbrachten Dienstleistung einer Nichtleistung gleichsteht, ist die zu zahlende Vergütung Teil des durch die Schlechterfüllung entstandenen und nach § 280 Absatz 1 zu ersetzenden Schadens (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 02. November 2005 – 15 U 117/04, BB 2006, 1329 – 1332, juris: Tz. 7). Der für diese Einwendung darlegungs- und gegebenenfalls beweispflichtige Beklagte hat vorliegend jedoch nicht ausreichend dargelegt, dass eine solche, wegen ihrer völligen Unbrauchbarkeit einer Nichterfüllung gleichstehende Leistung seitens der Klägerin anzunehmen ist. Dazu hätte er darlegen müssen, dass die Klägerin der ihr aus dem Beratungsvertrag obliegenden Pflicht zur sachgerechten Beratung in einer Weise nicht nachgekommen sei, dass die erbrachte Beratungsleistung so unbrauchbar gewesen sei, dass sie praktisch als völliges Ausbleiben der Leistung anzusehen sei.

Zwar hat der Beklagte dargelegt, dass er die angestrebte Umsatzsteigerung auch durch eine Steigerung im Rahmen des Suchmaschinenrankings durch eine SEO-Oprimierung zu erreichen versucht habe. Dies stellt jedoch nur einen Teil des von der Klägerin geschuldeten und erbrachten Leistungsumfanges dar. Schon dem Vertragstext ist zu entnehmen, dass der Leistungsumfang auch die Bereiche Google Adwords, Affiliate Marketing und Webcontrolling umfasst. Auch das Online-Marketing-Briefing weist der Klägerin einen über die bloße Suchmaschinenoprimierung hinausgehenden Arbeitsauftrag zu. Weil es sich damit im Rahmen der SEO-Optimierung nur um eine Teilleistung handelt, hat der Beklagte schon nicht dargelegt, dass die Gesamtleistung der Klägerin völlig unbrauchbar war.

Letzlich sprechen auch die von der Klägerin angeführten Besucherzahlen gegen die Annahme einer völligen Nichtleistung. Unstreitig kam es nach Aufnahme der Dienste durch die Klägerin zu einer Steigerung der Besuchszahlen, die zumindest vorübergehend auf eine beinahe Verdoppelung der Besuchszahlen hinauslief.

Soweit der Beklagtenvertreter darauf hingewiesen hat, dass auch ein Anwalt dann keine Prozessgebühren geltend machen darf, wenn er pflichtwidrig nicht von einer Prozessführung abgeraten hat, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Auch wenn dem Anwalt kein Anspruch auf Erstattung der im Rahmen des Prozesses entstandenen Kosten zusteht, verbleibt ihm jedoch sein Beratungshonorar.

Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten ergibt sich ebenso wie der Zinsanspruch aus Verzug.

Soweit der Beklagte im Rahmen der Widerklage Rückerstattung des von ihm verauslagten Beratungshonorars verlangt, scheitert er bereits hiermit nach dem obigen Ausführungen.

Soweit der Beklagte darüber hinaus Schadenersatz in Höhe von 1.356,00 € geltend macht, ist nicht konkret dargelegt, inwiefern diese Positionen ausschließlich im Hinblick auf die von der Beklagtenseite behauptete SEO-Untauglichkeit angefallen sein sollen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 ZPO

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Streitwert: Klage: 806,13 €, Widerklage: 22.356,00 €

Anmerkung:
Die Beklagte ist gegen das Urteil in Berufung gegangen.
vgl. hierzu: OLG Köln, Beschluss vom 16.01.2014, 19 U 149/13

Dahlbokum
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