Änderung einer Einziehungsklage in eine Feststellungsklage, nachdem die Drittschuldnerin nach Rechtshängigkeit eine Drittschuldnererklärung gem. § 840 ZPO erteilt hat und sich sodann der Erledigungserklärung der Klägerin nicht angeschlossen hat
LG Mannheim, Urteil vom 23.12.2009, 9 O 238/09
Landgericht Mannheim
Urteil vom 23. Dezember 2009
9 O 238/09
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtstreit
… GmbH, ….
Klägerin
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Volker Dahlbokum, LL.M.Eur., LL.M., Klosterstr. 22, 40211 Düsseldorf
./.
… GmbH, ….
Beklagte
wegen Schadenersatz
hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim im schriftlichen Verfahren nach dem Sach- und Streitstand vom 15. Dezember 2009 durch Vorsitzenden Richter am Landgericht … als Einzelrichter
für Recht erkannt
- Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entstanden ist, dass die Beklagte die auf Grund des Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg von 19.05.2009 (AZ.: 29b M 599/09) geschuldete Drittschuldnererklärung erst nach Zustellung der Klage abgegeben hat.
- Die Kosten des Rechtstreits trägt die Beklagte.
- Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
- Streitwert: 50.410,25 €
Tatbestand
Am 19.05.2009 erwirkte die Klägerin auf der Grundlage des Versäumnisurteils des Landgerichts Hamburg vom 17.03.2009 (Az. 322 O 2/09) gegen ihre Schuldnerin, die …. GmbH & Co. KG, wegen Forderung in Höhe von 56.856,55 € nebst Zinsen zzgl. weiterer 916,50 € einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg unter dem Az. 29b M 599/09. Gegenstand der Pfändung waren angebliche Ansprüche der Schuldnerin gegen die Beklagte auf Auszahlung des Guthabens oder der bis zum Tage der Auszahlung aufgelaufenen Zinsen aus den bei der Beklagten geführten Treuhandkonten und/oder Verwalterkonten. Dieser Beschluss wurde der Beklagten am 15.06.2009 zugestellt mit der Aufforderung, sich gemäß § 840 ZPO als Drittschuldner zu erklären, was die Beklagte bis zur Einreichung der Klage am 06.07.2009 aber nicht tat.
Mit ihrem urspünglichen Zahlungsantrag verfolgte die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von zuletzt 50.410,25 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 49.601,54 € seit Rechtshängigkeit.
Mit Schriftsatz vom 01.10.2009 erklärte die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragte, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, nachdem die Forderung der Klägerin gegen die … GmbH & Co. KG bei der … AG und Überweisung des Guthabens befriedigt worden war. Die Beklagte stimmte der Erledigungserklärung der Klägerin nicht zu.
Mit Schriftsatz vom 03.11.2009 stellte die Klägerin die Klage um. Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte als vermeintliche Drittschuldnerin verpflichtet gewesen sei, binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses eine Drittschuldnererklärung abzugeben. Insbesondere habe sie selbst keine Kenntnis davon gehabt, dass die Beklagte tatsächlich nicht Drittschuldnerin sei, eine Kenntnis über die Bankverbindung der Hauptschuldnerin habe sie erst im Prozess erlangt.
Sie beantragt zuletzt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin den durch die Nichterteilung bzw. nicht rechtzeitigen Erteilung einer Auskunft entstandenen Schaden zu ersetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass sie nicht auskunftspflichtig nach § 840 Abs. 1 ZPO gewesen sei, da sie nicht Kontoinhaberin und damit nicht Drittschuldnerin der … GmbH & Co. KG sei. Die Klägerin habe dies auch gewusst und in Kenntnis der Bankverbindung direkt auf das Konto der Hauptschuldnerin zugreifen können. Außerdem habe die Klägerin doppelte Zahlung erhalten, nachdem auch Zahlungen im Erkenntnisverfahren erfolgt, aber nicht beachtet worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Urkunden Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Die Umstellung der Klage auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz des der Klägerin durch die Nichterteilung bzw. nicht rechtzeitige Erteilung einer Auskunft entstandenen Schadens ist zulässig. Eine solche Klageänderung ist gemäß § 263 ZPO sachdienlich anzusehen (BGH, Urteil vom 28.01.1981, Az. VIII ZR 1/80, Rn. 28 f. – zitiert nach Juris -). Sachdienlichkeit ist gegeben, wenn mit der geänderten Klage die noch bestehenden Streitpunkte mit erledigt werden können und dadurch ein neuer Prozess vermieden wird (Greger, in: Zöller, ZPO, 27. Auflage, § 263 Rn. 13). Da der Auskunftsanspruch nach § 840 Abs. 1 ZPO nicht eingeklagt werden kann (BGH, Urteil vom 17.04.1984, Az. IX ZR 153/83, Rn. 11 ff. – zitiert nach Juris – ), und der Gläubige damit nur die Möglichkeit hat, seinen Anspruch im Wege einer Leistungsklage einzufordern, wäre es für ihn unzumutbar und auch nicht prozessökonomisch, wenn er seinen möglichen Schadenersatzanspruch auf Grund nicht oder zu spät erteilter Drittschuldnererklärung in einem erneuten Verfahren geltend machen müsste (BGH, Urteil vom 28.01.1981, Az. VIII ZR 1/80, Rn- 23 – zitiert nach Juris -).
2. Das Feststellungsbegehren ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO auf Ersatz des durch die nicht oder verspätet erteilte Drittschuldnererklärung entstandenen Schadens.
a) Die Beklagte hat eine auskunftspflicht nach § 840 Abs. 1 ZPO. Voraussetzung dafür ist, dass der wirksame Pfändungsbeschluss zugestellt wird und dass der Gläubiger den Drittschuldner bei Zustellung zur Abgabe der Erklärung auffordert. Die Aufforderung muss in der Zustellungsurkunde aufgenommen werden, somit muss also durch den Gerichtsvollzieher zugestellt werden.
aa) Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Beklagte hat den Pfändungsbeschluss am 15.06.2009 formwirksam durch den Gerichtsvollzieher zugestellt bekommen, in diesem war die Aufforderung zur Abgabe der Auskunft enthalten.
bb) Unbeachtlich ist das Vorbringen der Beklagten, dass sie auf Grund der fehlenden Drittschuldnereigenschaft nicht auskunftspflichtig gewesen sei. Auskunftspflichtig nach § 840 Abs. 1 ZPO ist jeder, der im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss als Drittschuldner bezeichnet ist, nicht nur der tatsächliche Drittschuldner. Gepfändet wird nämlich immer nur eine angebliche Forderung, da der Rechtspfleger garnicht prüft, ob der vom Gläubiger genannte Anspruch des Schuldners tatsächlich besteht (LG Mönchengladbach, Urteil vom 20.11.2008, Az. 10 O 97/08, Rn- 16 – zitiert nach Juris -). Gerade über den Bestand der angeblichen Forderung ist, soll Auskunft erteilt werden. Die Auskunftspflicht knüpft somit nicht an den Bestand der gepfändeten Forderung an, sondern an die Stellung als potentieller Drittschuldner auf Grund des Pfändungsbeschlusses (AG Wipperfürth, Urteil vom 11.03.2002, Az. 1 C 405/01, Rn. 4 – zitiert nach Juris -). Ausweislich des der Beklagten zugestellten Pfändungsbeschlusses ist diese Drittschuldnerin der Klägerin und somit auskunftspflichtig nach § 840 Abs. 1 ZPO.
cc) Unbeachtlich ist des Weiteren die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe Kennntnis von der Bankverbindung und der fehlenden Inkassovollmacht der Beklagten und damit von der fehlenden Drittschuldnerstellung gehabt. Die Beklagte hat nicht dargelegt, woher die Klägerin diesbezüglich Kenntnis hätte haben sollen, und hat auch keinen entsprechenden Beweis angetreten. Auch aus den der Klägerin zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage vorliegenden Unterlagen ergibt sich keine andere Beurteilun. Zudem ist die Auskunftspflicht nach § 840 Abs. 1 S. 1 ZPO aber auch bei einem möglichen Kenntnisstand des Gläubigers hinsichtlich der angeblichen Forderungen des Hauptschuldners bzw. bei bloßer Erkennbarkeit gegeben. Eine von der bloßen Erkennbarkeit zu unterscheidende sichere Kenntnis der Klägerin vom Nichtbestehen der Forderung, welche allein die Auskunftspflicht ausschließen könnte (vgl. LG Mönchengladbach, Urteil vom 20.11.2008, Az. 10 O 97/08, Rn. 18 – zitiert nach Juris-), ist vorliegend von der Beklagten nicht hinreichend dargetan und auch sonst nicht ersichtlich.
b.) Die somit bestehende Auskunftspflicht wurde von der Beklagten schuldhaft verletzt. Die Beklagte hat erst im Verlauf des Verfahrens, konkret mit Schriftsatz vom 05.08.2009, Angaben zum Bestehen der Forderung gemacht. Selbst wenn diese Angaben der notwendigen Form des § 840 Abs. 1 ZPO entsprechen sollten, wurden sie nicht innerhalb der erforderlichen Zwei-Wochen-Frist nach Zustellung des Pfändungsbeschlusses vom 15.06.2009 gemacht. Auch die nicht rechtzeitige Auskunft stellt eine Nichterfüllung der Auskunftspflicht dar mit der Konsequenz der Schadenersatzhaftung (Greger, in: Zöller, ZPO, 27. Auflage, § 263 Rn. 12). Die Beklagte trägt die Beweislast für das Nicht-Verschulden (BGH, Urteil vom 28.01.1981, Az. VIIIZR 1/80, Rn. 14 – zitiert nach Juris -), sie hat sich diesbezüglich aber nicht entlastet.
3. Die Klägerin ist gemäß § 249 BGB so zu stellen, wie sie bei rechtzeitiger Erfüllung der Auskunftsverpflichtung durch die Beklagte gestanden hätte. Ihr Schaden besteht in den Kosten, die sie aufgewendet hat, um die Forderung gegen den Drittschuldner gerichtlich geltend zu machen (BGH, Urteil vom 25.09.1986, Az. IX ZR 46/86, Leitsatz und Rn. 15 – zitiert nach Juris -). Hätte die Beklagte bereits im Rahmen der Zweiwochenfrist mitgeteilt, dass nicht sie, sondern die Hauptschuldnerin Inhaberin des Hauskontos ist, wäre der Rechtsstreit vermieden worden und die Klägerin hätte sogleich die Forderungen der Hauptschuldnerin gegen die Bank pfänden können.
4. Soweit die Beklagte andeutet, im Erkenntnisverfahren vor dem Landgericht Hamburg seien Zahlungen der Hauptschuldnerin nicht berücksichtigt worden, kann die Berechtigung dieses Einwandes dahingestellt bleiben, da er im Erkenntnisverfahren oder im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden müsste. Außerdem steht ein etwaiger Rückforderungsanspruch nicht der Beklagten, sondern der Hauptschuldnerin zu.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
5. Der Streitwert ergibt sich aus dem im Einziehungsrechtsstreit geforderten Betrag (AG Meißen, Urteil vom 03.09.2001, Az. 2 C 272/04, Rn- 56; vgl. auch LG Mönchengladbach, Urteil vom 20.11.2008, Az. 10 O 97/08, Rn- 23). Er beträgt folglich 50.410,25 €. Ob er sich nach der Erledigungserklärung der Klägerin oder nach der Klageänderung auf das Kosteninteresse reduziert hat, kann dahingestellt bleiben, da sowohl für die Gerichtsgebühren und auch für die Anwaltsgebühren nur der höchste Hauptsachestreitwert maßgeblich ist.