Zum Beweis des ersten Anscheins in der Produkthaftung, wenn ein konkreter Produktfehler infolge der Zerstörung durch einen Brand nicht nachweisbar ist
OLG Schleswig, Urteil vom 27.03.2012, 11 U 123/11
Schleswig – Holsteinisches Oberlandesgericht
Urteil vom 27.03.2012
11 U 123/11
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
Firma…
Klägerin
./.
Firma…
Beklagte
hat der 11. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 27.03.2012 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht Dr.
für Recht erkannt
- Das Urteil des Landgerichts Kiel vom 19.08.2011, Az.: 5 O 274/09, wird auf die Berufung der Beklagten vom 15.09.2011 geändert und die Klage abgewiesen. Die Anschlussberufung der Klägerin vom 22.11.2011 wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 18.683,45 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
I.
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf die Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Beklagte zum Ersatz eines Schadens in Höhe von 17.348,45 € verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zwar könne die Klägerin keine Ansprüche aus dem Produkthaftungsgesetz gegen die Beklagte geltend machen, da der zerstörte Opel Astra der gewerblichen Tätigkeit des Eigentümers zuzuordnen sei, doch ergebe sich ein Schadensersatzanspruch aus der deliktischen Produkthaftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hafte wegen des Inverkehrbringens eines fehlerhaften Produkts. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe das Fahrzeug zur Überzeugung des Gerichts einen Produktfehler im Sinne von § 3 ProdHaftG aufgewiesen. Es könne offen bleiben, ob es sich hierbei um einen Konstruktionsfehler oder einen Fabrikationsfehler gehandelt habe. Aufgrund der Erläuterungen des Sachverständigen könne festgestellt werden, dass der Brand des Opels Astra auf einen elektrischen Fehler zurückzuführen sei. Zwar habe der Sachverständige den genauen Brandherd nicht feststellen können, da ihm das Fahrzeug selbst nicht mehr zur Untersuchung zur Verfügung gestanden habe, doch habe er erkennen können, dass der Brand im Motorbereich entstanden sei. Außerdem habe er drei Brandschwerpunkte im Motorraum ausmachen können, nämlich den Starter, die Batterie und den Lüftungsmotor des Kühlers. Da das Fahrzeug bei Ausbruch des Brandes bereits eine Stunde abgestellt gewesen sei, scheide auch ein heißer Motor als Brandursache aus. Brandstiftung habe der Sachverständige für nahezu ausgeschlossen gehalten. Deshalb stehe fest, dass das Feuer im Motorraum aufgrund eines elektrischen Fehlers entstanden sei. Da der Fehler in jedem Falle der Elektrotechnik anhafte, komme es auch nicht darauf an, welche der drei beschriebenen Brandherde tatsächlich ursächlich für den späteren Brand geworden sei. Ein Fehler in der Elektrik in einem dieser drei Aggregate falle in den Verantwortungsbereich des Herstellers. Der Fehler habe nach Überzeugung der Kammer auch schon bei Auslieferung des Fahrzeugs vorgelegen. Immerhin sei das Fahrzeug erst ein dreiviertel Jahr alt gewesen und habe lediglich eine Kilometerleistung von 25.000 km aufgewiesen, als es zerstört worden sei. Entstehe in einem fast neuen auf lange Nutzung ausgelegten Fahrzeug bei üblicher Benutzung und abgestelltem Zustand ein fehlerhafter Stromfluss, der zu einem Entflammen führe, so sprächen alle Umstände dafür, dass der ursächliche elektrische Fehler dem Fahrzeug schon beim Inverkehrbringen angehaftet habe. Ein Fehler in der Elektrik eines nicht einmal ein Jahr alten Fahrzeugs sei nicht abnutzungsbedingt. Fremde Einflüsse seien nicht erkennbar. Es seien keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich, wonach nach dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs durch Einwirkung von außen an der Elektrik des Fahrzeugs Veränderungen vorgenommen worden seien. Eine unsachgemäße Handhabung durch die Eigentümerin sei fernliegend. Das an die Fahrzeugbatterie ein Starthilfekabel für ein anderes Fahrzeug z. B. mit falscher Polung angeschlossen worden sein könnte, stelle lediglich eine Mutmaßung der Beklagten dar und sei ersichtlich ins Blaue erhoben worden. Da vorliegend der Fehler auf ein kleines Bauteil des zerstörten Fahrzeugs beschränkt gewesen sei, liege auch keine Stoffgleichheit vor, so dass der Schaden an dem fehlerhaften Produkt selbst nach Deliktsrecht zu ersetzen sei.
Die einzelnen Schadenspositionen seien bis auf die Bodensanierungskosten hinreichend substantiiert dargelegt worden. Insoweit greife die Ersatzpflicht der Beklagten ein.
Die Beklagte wendet sich gegen das landgerichtliche Urteil mit nachfolgenden Erwägungen:
Die Entscheidung des Landgerichts sei bereits deswegen rechtsfehlerhaft, weil sie in Bezug auf die Zerstörung des Fahrzeugs zu Unrecht eine Eigentumsverletzung bejahe. Bei den angeblichen Mängeln des Fahrzeugs handele es sich, wenn sie denn vorgelegen hätten, um eine Beeinträchtigung des Äquivalenz- und nicht des Integritätsinteresses, da Mangelquelle und beschädigtes Rechtsgut übereinstimmten. Derartige Fallgestaltungen fielen unter das Gewährleistungsrecht, nicht aber unter § 823 Abs. 1 BGB. Die zur alten Rechtslage vom Bundesgerichtshof hierzu entwickelte „Weiterfresser-Rechtsprechung“ könne nach der Schuldrechtsmodernisierung im Jahre 2002 keine Anwendung mehr finden.
Die beweisbelastete Klägerin habe einen Produktionsfehler der Beklagten nicht bewiesen. Der Sachverständige habe lediglich ausführen können, dass irgendetwas „Elektrisches“ den Brand ausgelöst haben müsse. Eine eingehende Begutachtung sei dem Sachverständigen nicht möglich gewesen, da das Fahrzeug zur Begutachtung nicht mehr bereitgestanden habe. Deshalb könnten nicht einmal eine Brandstiftung oder sonstige Fremdeinflüsse als Ursache ausgeschlossen werden. Soweit der Sachverständige eine Brandstiftung für unwahrscheinlich gehalten habe, müsse berücksichtigt werden, dass der Sachverständige sich lediglich auf die Fotos des Privatgutachters der Klägerin habe stützen können.
Insgesamt habe das Landgericht die Darlegungs- und Beweislast zu Lasten der Beklagten falsch bewertet. Die von der Klägerin angeführten Fehler seien von dem Sachverständigen widerlegt worden. Bezüglich anderer Fehler sei es bei reinen Spekulationen und theoretischen Überlegungen geblieben. Der Sachverständige habe gerade nicht feststellen können, welches der drei Bauteile, die er als möglichen Brandherd angesehen habe, tatsächlich fehlerhaft gewesen sei. Dies könne nicht dazu führen, dass der Beklagten nun eine faktische Generalentlastung abverlangt werden könne. Aus diesem Grunde habe es nicht dahinstehen können, welchem Bauteil ein angeblicher Mangel angehaftet habe. Für die Fehlerhaftigkeit der Teile existiere kein Beweis des ersten Anscheins.
Das Landgericht unterstelle lediglich, dass das Produkt bei Inverkehrbringen bereits fehlerhaft gewesen sei. Hierzu mangele es bereits an substantiiertem Vortrag der Klägerin. Weder zum Starter, dem Lüfter oder der Batterie sei hierzu etwas erklärt worden. Die vom Landgericht hierzu angestellten eigenen Erwägungen, ersetzen Klägervortrag nicht. Die vom Landgericht angenommene Generalverantwortung des Herstellers für diese Teile bestehe nicht. Dies würde im Ergebnis eine Beweislastumkehr im Sinne eines Anscheinsbeweises zu Lasten des Herstellers bedeuten. Hierfür sei kein Raum. Zwar sei in der Rechtsprechung in der Vergangenheit in verschiedenen Ausnahmesituationen eine entsprechende Beweislasterleichterung angenommen worden, doch lägen die Voraussetzungen hierfür nicht vor. Im Übrigen habe die Beklagte bereits dargelegt, dass es ernsthafte Möglichkeiten in der Vergangenheit gegeben habe, das nach dem Erwerb des Fahrzeugs unsachgemäß auf die Elektrik eingewirkt und hierdurch der Brand verursacht worden sein könne. Der Anscheinsbeweis, wenn er denn anzunehmen wäre, würde jedenfalls erschüttert sein. Die bloße Möglichkeit, dass die Brandursache aus dem Bereich des Herstellers herrühre, reiche nicht aus, um eine Haftung im Wege des Anscheinsbeweises zu begründen.
Es sei nicht erkennbar, warum das Alter des Fahrzeugs bzw. dessen Laufleistung dafür spreche, dass der Fehler bereits bei dem Inverkehrbringen bestanden habe. Ein entsprechender Erfahrungssatz existiere in der Praxis nicht.
Der vom Landgericht vorgenommenen faktischen Verlagerung der Darlegungs- und Beweislast auf die Beklagte stehe im Übrigen auch entgegen, dass die Klägerin die Beweisführung vereitelt habe. Das Fahrzeug sei nach der Begutachtung durch den Privatsachverständigen zerstört worden. Die Lichtbilder seien nicht geeignet, dies zu kompensieren. Durch die Zerstörung des Fahrzeugs sei es der Beklagten auch unmöglich geworden, wenn einer der vom Landgericht angenommenen Fehler tatsächlich bestanden hätte, darzulegen und zu beweisen, dass ein sogenannter „Ausreißer“, d. h. ein Fabrikationsfehler, vorgelegen haben könnte. Infolgedessen sei eine Beweislastumkehr jedenfalls gerechtfertigt.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 19.08.2011 verkündeten Urteils des Landgerichts Kiel (Az.: 5 O 274/09) die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,
und im Wege der Anschlussberufung,
das am 19.08.2011 verkündete Urteil des Landgerichts Kiel (Az. 5 O 274/09) abzuändern und darüber hinaus wie folgt zu bescheiden:
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 18.683,45 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.09.2006 zu bezahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 1.105,51 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil und legt Anschlussberufung hinsichtlich der nicht zugesprochenen Kosten für einen vorgenommenen Bodenaustausch ein. Zur Erwiderung auf die Berufung der Beklagten und zur Begründung der Anschlussberufung trägt sie vor:
Der Sachverständige habe eindeutig festgestellt, dass das Fahrzeug einen elektrischen Fehler aufgewiesen habe. Dies sei keine Annahme, sondern die Mitteilung einer wissenschaftlichen Erkenntnis gewesen. Es sei unerheblich, dass die möglichen Schadensursachen nach der Zerstörung des Wagens heute nicht mehr festgestellt werden könnten. Die Unaufklärbarkeit liege einzig und allein an dem schweren Brand, also darin begründet, dass der von der Beklagten zu vertretende Fehler derart risikobehaftet sei, dass er zu nachfolgenden Zerstörung des Fahrzeugs geführt habe.
Das Landgericht habe die Darlegungs- und Beweislast nicht verkannt. Der Sachverständige habe eindeutig festgestellt, dass einzig und allein ein elektrischer Fehler brandursächlich gewesen sei.
Es sei erstinstanzlich bereits vorgetragen und von der Beklagten nicht bestritten worden, dass der zum Brand führende Mangel bereits zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs vorgelegen habe.
Die Anschlussberufung habe Erfolg, da die Klägerin im erforderlichen Maße zu dieser Schadensposition vorgetragen habe. Zum einen sei auf die Anlage K 14 ausdrücklich Bezug genommen worden. Zum anderen sei zur Erforderlichkeit der in der Anlage K14 aufgeschlüsselten Kosten ein Sachverständigengutachten angeboten worden. Wäre ein Hinweis durch das Landgericht erfolgt, hätte die Klägerin bereits erstinstanzlich dargelegt, dass 9 m³ Boden auszuheben, 9 m³ Kiesbettschicht auszutauschen und einzubauen und 9 m² der Oberschicht zu bekiesen gewesen seien. Weiter wäre vorgetragen worden, dass diese Maßnahmen wegen des Brandes erforderlich gewesen seien, und zum Beweis auf die Zeugen P und F Bezug genommen worden.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Klägerin kann den geltend gemachten Ersatzanspruch weder auf das Produkthaftungsgesetz noch auf die deliktische Produkthaftung stützen.
1. Der Anwendungsbereich des Produkthaftungsgesetzes nach § 1 Abs. 1 Satz 2 ProdHaftG ist nicht eröffnet. Von den Regelungen des Produkthaftungsgesetzes wird lediglich der private (End-) Verbraucher gemäß § 13 BGB geschützt (Palandt-Sprau, 71. Auflage 2012, § ProdHaftG, Rz. 7) Der abgebrannte Opel Astra war ein Firmenwagen der Versicherungsnehmerin der Klägerin. Das Landgericht ist deshalb von einer gewerblichen Nutzung des Fahrzeugs ausgegangen. Hiergegen hat die Klägerin keine Einwendungen erhoben.
2. Die Klägerin kann den Ersatzanspruch auch nicht auf § 823 Abs. 1 BGB stützen. Zwar ermöglicht § 823 Abs. 1 BGB dem Abnehmer eines Produkts unter dem Gesichtspunkt einer Verkehrssicherungspflichtverletzung die Inanspruchnahme des Herstellers, wenn ein Produkt einen seinem Organisationsbereich zuzuordnenden Fehler beim Inverkehrbringen aufgewiesen hat und ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Produktfehler und dem Schaden festzustellen ist (Palandt-Sprau, a.a.O., § 823, Rz. 166). Doch verbleiben nach der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme erhebliche Zweifel i.S.v. § 286 ZPO, ob die vom Landgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für den Senat bindend festgestellten Produktfehler dem Organisationsbereich der Beklagten zuzuordnen sind und zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens bereits bestanden haben.
a) Der deliktische Fehlerbegriff im Zusammenhang mit der Produkthaftung ist mit dem Fehlerbegriff des § 3 ProdHaftG identisch (Palandt-Sprau, a.a.O.). Hiernach liegt ein Fehler vor, wenn das Produkt nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände berechtigterweise erwartet werden kann. Dabei sind nach § 3 Abs. 1 Ziff. a – c ProdHaftG insbesondere die Darbietung, der Gebrauch, mit dem billigerweise gerechnet werden kann, und der Zeitpunkt, in dem das Produkt in den Verkehr gebracht wurde, zu berücksichtigen.
Die Fehlerhaftigkeit des Opel Astra ergibt sich entgegen des klägerischen Vortrags nicht aus den Ausführungen des Privatsachverständigen A, wonach der Brand durch eine mangelhaft ausgeführte Verbindungsstelle des Kabels „30“ mit dem Starterrelais und dem Kabel „31“ mit dem Starter ausgelöst worden sein soll. Der gerichtliche Sachverständige hat vielmehr festgestellt, und dem ist das Landgericht in einer den Senat gemäß § 529 Abs. 1 ZPO bindenden Weise zu Recht gefolgt, dass die an diesen Stellen von der Beklagten verwendeten Federringe dem Stand der Technik entsprochen und eine hinreichend feste Verbindung sichergestellt hätten. Eine durch die Federringe bedingte zu geringe Kontaktfläche habe folglich nicht bestanden, so dass dem Stromfluss kein erhöhter Widerstand entgegengesetzt worden sei. Hierdurch sei es nicht zu einer übermäßigen Erwärmung gekommen, was eine Brandursache hätte darstellen können.
Der gerichtliche Sachverständige hat jedoch festgestellt, dass ein elektrischer Fehler die Brandursache war. Er hat drei verschiedene Hauptbrandstellen im Motorraum des Opels Astra anhand der von dem Privatsachverständigen A angefertigten Fotografien lokalisiert, die alle der Elektrik des Fahrzeugs zuzuordnen sind. Außer im Bereich des Starters gab es weitere verstärkte Brandbildungen in den Bereichen der Batterie und des Lüftungsmotors. Welches der drei Bauteile letztlich ursächlich war, hat der Sachverständige nicht ermittelt. Die Feststellung des Landgerichts, dass ein Fehler in der Elektrik ursächlich für den Brand gewesen sei, bindet den Senat gemäß § 529 Abs. 1 ZPO, auch wenn der Sachverständige die konkrete Ursache nicht hat bestimmen können, da ihm das Fahrzeug zu Untersuchungszwecken nicht mehr zur Verfügung stand. Deshalb sind die Feststellungen des Landgerichts jedoch weder unrichtig noch unvollständig. Andere Ursachen für den Fahrzeugbrand kommen nicht in Betracht. Der Sachverständige hält eine Brandstiftung als mögliche andere Brandursache aufgrund des fotografisch dokumentierten Schadensbildes für unwahrscheinlich (85 GA). Auch eine Entzündung wegen einer gebrauchsbedingten Überhitzung des Fahrzeugs ist im Hinblick auf die unstreitige Standzeit vor der Entzündung ausgeschlossen.
b)Die Brandursache kann jedoch dem Organisationsbereich des Herstellers, also dem der Beklagten, nicht mit der erforderlichen Sicherheit zugeordnet werden. Die gegenteilige Feststellung des Landgerichts, die Fahrzeugelektrik falle in den Verantwortungsbereich der Beklagten, weshalb ein Fabrikationsfehler aus dem Organisationsbereich der Beklagten vorliege, ist fehlerhaft und bindet den Senat nicht.
Im Rahmen der deliktischen Produkthaftung ist der Hersteller eines Produktes nur für die Fehler verantwortlich, die in seinem Organisationsbereich entstehen. Es obliegt deshalb der Klägerin darzulegen und zu beweisen, dass der Fehler dort entstanden ist (vgl. MüKo-Wagner, 5. Aufl., § 823; Rz. 660). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht jedoch lediglich fest, dass ein elektrischer Fehler in einem der drei Aggregate zu dem Brand führte. Es konnte von dem Sachverständigen nicht aufgeklärt werden, ob der Fehler durch eine mangelhafte Fabrikation der Beklagten, einen Konstruktionsmangel oder eine andere Ursache entstanden ist. Der gerichtliche Sachverständige B konnte lediglich den bereits demontierten Starter untersuchen. Die anderen beiden Aggregate konnten von ihm auf mögliche Fehler nicht untersucht werden, da der Wagen zwischenzeitlich anderweitig verwertet worden war. Im Bereich des Starters hat der gerichtliche Sachverständige einen Konstruktions- bzw. Fabrikationsfehler im Bereich der Kabel 30 und 31 ausgeschlossen. Ob an den anderen Bauteilen derartige Fehler vorlagen, ist nicht mehr festzustellen. Auch die Gutachten und Stellungnahmen des Privatsachverständigen Lang gegeben insoweit keinen Anhalt. Im Gegenteil hat dieser Sachverständige keinen ursächlichen Zusammenhang dieser Bauteile mit der Brandentstehung festgestellt (6, 7 AB). Die nach der Beweisaufnahme insoweit verbleibende Unklarheit geht nach den allgemeinen Regeln der Beweislast zu Lasten der Klägerin.
Entgegen der von der Klägerin in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 30.03.2012 geäußerten Rechtsauffassung ist der gerichtliche Sachverständige nicht vom Senat dazu zu befragen, ob der angenommene Fehler in der Fahrzeugelektrik ein solcher im Sinne von § 3 ProdHaftG sei. Der Sachverständige hat Rechtsfragen nicht zu beantworten. Der Sachverständige kann auch Fragen zu der Brandursache aus den dargestellten Gründen nicht beantworten, so dass keine Feststellungen dazu getroffen werden können, ob der Fehler dem Organisationsbereich der Beklagten zuzuordnen ist.
Die Beweislast dafür, dass ein Produktfehler im Verantwortungsbereich des Herstellers entstanden ist, ist vorliegend auch nicht umzukehren. Zwar kann unter besonderen Umständen zugunsten des Geschädigten eine Beweislastumkehr in Betracht kommen, wenn der Hersteller aufgrund der ihm im Interesse des Verbrauchers auferlegten Verkehrssicherungspflicht gehalten war, das Produkt auf seine einwandfreie Beschaffenheit zu überprüfen und den Befund zu sichern, er dieser Verpflichtung aber nicht nachgekommen ist (BGH NJW1988, 2611 – Mehrweg-Limonadenflaschen). Doch sind entsprechende Feststellungen zu den Voraussetzungen einer Beweislastumkehr vorliegend nicht zu treffen.
Die Schlussfolgerung des Landgerichts verstößt demgegenüber gegen die Regelung des § 286 ZPO. Das Landgericht ordnet jeden Fehler in der Fahrzeugelektrik dem ersten Anschein nach dem Verantwortungsbereich des Herstellers zu, so dass es dem Hersteller obläge, einen abweichenden Geschehensablauf darzulegen und ggf. zu beweisen, um diesen ersten Anschein zu erschüttern. Indes sind die Voraussetzungen für einen Anscheinsbeweis nicht erfüllt. Bereits ein Erfahrungssatz, wonach Fehler in der Fahrzeugelektrik stets auf einen Fabrikations- oder Konstruktionsfehler zurückzuführen seien, besteht nicht. Auch ein Erfahrungssatz, wonach ein elektrischer Fehler bei einem Kraftfahrzeug, das eine Stunde nach Abstellen des Motors in Brand gerät, auf einer mangelhaften Fabrikation oder Konstruktion durch den Hersteller beruht, kann nicht festgestellt werden. Es mangelt bereits an einer substantiierten Darlegung eines entsprechenden Erfahrungssatzes durch die Klägerin. Auch ist eine Erkenntnisquelle für einen solchen Erfahrungssatz weder ersichtlich noch dargelegt, so dass eine Beweisaufnahme zur Feststellung eines Erfahrungssatzes nicht erfolgen kann (vgl. hierzu Zöller-Greger, ZPO, 29. Auflage 2012, § 286, Rz. 11).
Im Übrigen spricht gegen das Bestehen eines Erfahrungssatzes in dem vorstehenden Sinne, dass das Fahrzeug zwar erst ein dreiviertel Jahr alt war, aber bereits eine Laufleistung von etwa 25.000 km aufwies, als es in Brand geriet. Vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Motorraum geöffnet und Arbeiten im Motorraum ausgeführt wurden. Es kann infolgedessen auch nicht ausgeschlossen werden, dass in diesem Zusammenhang Veränderungen – gewollt oder auch ungewollt – an der Fahrzeugelektrik vorgenommen wurden, so dass ein Erfahrungssatz, wie er vom Landgericht bemüht wurde, nicht zugrunde gelegt werden kann.
Die Entscheidung des Landgerichts Verden vom 10.12.2007, 8 O 27/07 (Anlage K20), steht dem nicht entgegen. Zwar hat das Landgericht Verden in der zum Produkthaftungsgesetz ergangenen Entscheidung ausgeführt, dass es keiner bauteilbezogenen Fehlersuche bedürfe, wenn die Ursächlichkeit eines Produkts für die Schadensentstehung feststehe und zugleich denknotwendig ein technischer Mangel dieses konkreten Produkts vorgelegen haben müsse. Doch unterscheidet sich der vom Landgericht Verden entschiedene Fall von dem vorliegenden bereits dadurch, dass sich der konkrete technische Mangel in dem Fall des Landgerichts Verden aufgrund des Brandes nicht mehr nachweisen ließ. Eine entsprechende Feststellung ist vorliegend nicht zu treffen. Eine eingehende Begutachtung des Opel Astra ist lediglich wegen der zwischenzeitlich erfolgten Verwertung des Fahrzeugs durch den Versicherungsnehmer der Klägerin ausgeschlossen gewesen.
Hinzu kommt, dass der von der Klägerin außergerichtlich beauftragte Sachverständige A in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass ein vergleichbarer Fall ihm bei einem Opel Astra bislang nicht bekannt geworden sei, obwohl er mit entsprechenden Fahrzeugbränden regelmäßig zu tun habe. Es besteht mithin anders als in dem Fall des Landgerichts Verden kein Anhaltspunkt für eine generelle Fehlerhaftigkeit des Produkts.
Auch aus der Entscheidung des Landgerichts Bielefeld vom 09.06.2010, Az. 1O 377/08 (Anlage K21), folgt nichts anderes. In jenem Fall stand aufgrund der Beweisaufnahme fest, dass alle möglichen Ursachen für das Abbrennen eines Personenkraftwagens fahrzeugimmanent waren und denklogisch einen technischen Fehler darstellten. Eine irgendwie geartete Einflussnahme von außen konnte ausgeschlossen werden, so dass ein Anscheinsbeweis für einen Fabrikations- oder Konstruktionsfehler sprach. Einflussnahmen von außen können vorliegend hingegen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, auch wenn nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen eine Brandstiftung äußerst unwahrscheinlich ist.
c) Zudem ist nicht festzustellen, dass der Fehler in der Fahrzeugelektrik bereits zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs bestand. Der entsprechende Fehlernachweis ist jedoch vom Geschädigten für den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produkts durch den Hersteller zu führen (BGHZ 80, 186 [196 f.] – Derosal; BGHZ 104, 323 [332] – Limonadenflasche I; BGHZ 114, 284 [296] – AIDS; BGH VersR 1996, 1116 [1117]; MüKo-Wagner, a.a.O.). Das Landgericht hat auch insoweit zu Unrecht die Grundsätze eines Anscheinsbeweises angewendet. Es hat ausgeführt, der erste Anschein spreche dafür, dass bei einem „relativ neuen“ Auto ein elektrischer Fehler, der eine Stunde nach dem Abstellen des Motors einen Brand verursache, bereits bei Inverkehrbringen vorgelegen habe. Diesen Anschein habe die Beklagte nicht erschüttert. Ein Anscheinsbeweis kann jedoch nur bei einem typischen Geschehensablauf zur Anwendung kommen, bei dem ein bestimmter Sachverhalt feststeht, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist. Zwar muss die Ursache einer bestimmten Tatsache für einen bestimmten Erfolg nicht in allen Fällen der betrachteten Fallgruppe immer vorhanden sein, sie muss aber sehr wahrscheinlich sein (vgl. BGH NJW 2004, 2623 [2623 f.] m.w.N.). Es bestehen bereits Zweifel, ob es einen Erfahrungssatz überhaupt geben kann, wie er vom Landgericht angenommen worden ist. Jedenfalls liegen aber die Voraussetzungen des vom Landgericht angewandten Satzes nicht vor. Bei dem Fahrzeug handelte es sich nicht um ein (relativ) neues Fahrzeug. Das Fahrzeug war zum Brandzeitpunkt bereits ein dreiviertel Jahr alt und hatte eine Laufleistung von etwa 25.000 km, dies entspricht mehr als der durchschnittlichen 2-Jahres-Fahrleistung eines Pkw. Die Einstufung des Landgerichts als Neuwagen ist hiermit nicht zu vereinbaren. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass lediglich ein Fahrzeug mit einem Alter von bis zu 1 Monat bzw. bis zu einer maximalen Laufleistung von 3.000 km noch als Neuwagen eingestuft werden kann (BGH NJW 1982, 433). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Selbst wenn die vorstehenden Grenzen nicht als starr anzusehen sind und großzügig angewendet werden, lägen sowohl das Alter als auch die Laufleistung des abgebrannten Opel Astra deutlich oberhalb der vorstehenden Grenzen.
3. Da ein Anscheinsbeweis nicht für einen dem Organisationsbereich der Beklagten zuzuordnenden Fehler beim Inverkehrbringen des Fahrzeugs spricht, braucht nicht entschieden zu werden, ob die Beklagte den Anscheinsbeweis erschüttert hat und inwieweit die Verwertung des Fahrzeugs durch den Versicherungsnehmer der Klägerin im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen wäre.
4. Da die Haftung der Beklagten wegen des abgebrannten Opel Astra bereits dem Grunde nach nicht festgestellt werden kann, hat die Anschlussberufung der Klägerin keinen Erfolg. Sie ist auf die Erhöhung des erstinstanzlich zu Unrecht zugesprochenen Schadensersatzbetrages gerichtet.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Entscheidung basiert auf einzelfallbezogenen tatsächlichen Feststellungen. Von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder anderer Oberlandesgerichte weicht der Senat nicht ab.