Klägerin fordert Schadensersatz nachdem sich beim Beladen eines Spezialanhängers ein Unfall ereignet hat
BGH, Urteil vom 05.05.1992, VI ZR 188/91
BUNDESGERICHTSHOF
Urteil vom 05. Mai 1992
VI ZR 188/91
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Amtlicher Leitsatz
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Schadensersatzansprüche wegen Schäden an einer erworbenen Sache können gegen deren Hersteller auch dann entstehen, wenn dieser die Verwender nicht ausreichend darüber unterrichtet, wie sie mit der Sache umzugehen haben, um Schäden daran zu vermeiden.
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Beim Inverkehrbringen von Produkten die nur von Fachpersonal bedient werden, sind die Instruktions- und Warnpflichten des Herstellers deutlich herabgesetzt.
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Mai 1992
durch
den Vorsitzenden Richter und
die Richter …, …, … und …
für Recht erkannt
Tenor
Auf die Revision wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 18. April 1991 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, einem Hersteller von Spezialanhängern, Schadensersatz, nachdem sich beim Beladen eines ihrer beiden von der Beklagten hergestellten Sattelauflieger mit Silobehälter ein Unfall ereignet hat.
Die Klägerin erwarb im Mai 1985 unter Einschaltung der Spedition H. von der Beklagten zwei dreiachsige Sattelauflieger mit Silobehälter von jeweils 52 cbm Inhalt zum Preis von je 120.000,00 DM, die zum Transport von Staub- und Rieselgütern bestimmt sind. In den Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der Beklagten sind u.a. folgende Bestimmungen erhalten:
„VIII. Mängelrüge und Gewährleistung
Die Abnahme schließt Gewährleistungsansprüche aus, es sei denn, daß die Lieferung oder Leistung nicht erkennbare Mängel aufweist. Mängelrügen sind unverzüglich nach Feststellung schriftlich an den Auftragnehmer zu richten und die Mängel genau zu bezeichnen.
Alle anderen Ansprüche des Bestellers sind ausgeschlossen, insbesondere alle weitergehenden Ansprüche auf Mängelbeseitigung, Wandlung, Minderung sowie auf Ersatz von Schäden aller Art. Konstruktionsänderungen werden vorbehalten, soweit der Auftrag dadurch nicht grundsätzlich geändert wird.
IX. Haftung
Der Auftragnehmer haftet für Schäden und Verluste an den ihm übergebenen Fahrzeugen und Teilen nur, soweit sie durch Außerachtlassung seiner Sorgfaltspflichten entstanden sind. Gleiches gilt für Schäden und Vernichtung bei Probefahrten sowie durch Feuer, Einbruch, Diebstahl oder Gefahren anderer Art.
Die Haftung des Auftragnehmers beschränkt sich auf die Beseitigung eingetretener Schäden.
Falls eine Instandsetzung nach Sachverständigenfeststellung unmöglich oder mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist, hat der Auftragnehmer lediglich Ersatz des Zeitwertes des Fahrzeuges am Tage der Beschädigung oder des Untergangs zu leisten. Die Feststellung des Zeitwertes trifft ein Sachverständiger des Karosseriebauhandwerks im Einvernehmen mit einer von der Deutschen A.-T.-G. m. b. H zugelassenenen Schätzstelle. Der Ersatz eines weiteren mittelbaren oder unmittelbaren Schadens ist ausgeschlossen.
…“
An der Bedienungsposition ist auf dem Silokipper ein Klebeschild angebracht mit folgenden Bedienungshinweisen:
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Druckbeaufbeschlagung auf 2 bar (höchstzulässiger Betriebsdruck).
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Behälter waagerecht mit Heckstützen abstützen (Libelle beachten).
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Ankippen des Behälters auf 2 Stempel und Entleerungsvorgang pneumatisch beginnen. Stufenweise Behälter nachkippen, um kontinuierlichen Entladevorgang zu sichern.
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Wenn Behälter leer ist, diesen über Schnellentlastung vom absenken.
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Heckstützen einfahren.
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Behälterdruck über Abluft entspannen.
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Bei schlechtrutschenden Medien besondere Vorsicht walten lassen („Bergrutschgefahr“)!
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Bei Entladung von „Überlasten“ vorderste Traverse gut gegen SZM-Rahmen abstützen.
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Während des Transports und besonders bei Temperaturwechsel innen oder außen Ablufthahn geöffnet lassen! (Vacuumschäden möglich).“
Der nicht durch Trennwände unterteilte Silobehälter der Auflieger ist über 5 Domdeckel zu befühlen und mittels freier Heckabstützungen sowie eines vom angreifenden 5-stufigen Rundhebezylinders hydraulisch zu kippen.
Beim Beladen eines dieser Anhänger mit mehlförmigem Kunststoffgranulat hatte der Fahrer am 12. Juli 1985 den Silobehälter angekippt, nachdem dieser bereits zum Teil beladen war. Dabei brach die vierte Zylinderstufe der Fronthebepresse, der Silobehälter fiel dadurch auf das Fahrgestell des Aufliegers und beschädigte dieses sowie Teile der Sattelzugmaschine, die mit dem Anhänger verbunden war.
Die Klägerin hat von der Beklagten zunächst die Rückzahlung des Kaufpreises für beide von ihr erworbenen Auflieger, Untersuchungs-, Reinigungs- und Reparaturkosten, sowie Nutzungsausfall des beschädigten Aufliegers verlangt. Im Hinblick auf eine im Jahre 1986 vorgenommene Veräußerung des zweiten (unbeschädigten) Aufliegers hat die Klägerin in Höhe von 95.000,00 DM die Klage in der Hauptsache für erledigt erklärt und noch eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 264.918,46 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe des beschädigten Fahrzeugs verlangt.
Die Klägerin hat behauptet, der Schaden sei beim Befühlen auf völlig ebenem Untergrund nach Ankippen des schon überwiegend beladenen Silos bis zur zweiten Stufe durch Wegrutschen der Ladung nach unten und einem dadurch bewirkten Ausziehen der Teleskoppresse bis in die obersten Stufen eingetreten. Die maßgebliche Ursache hierfür liege, wie gleichartige Schadensfälle und Parallelprozesse gegen die Beklagte zeigten, in der für den vertraglichen Gebrauch völlig unzureichenden konstruktiven Auslegung des Siloaufliegers, insbesondere im Bereichs des Chassis und der Kippvorrichtung.
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 105.700,00 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des beschädigten Kippsilo-Sattelaufliegers zu zahlen.
Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht durch Teilurteil unter Abweisung der Klage in Höhe von 25.466,80 DM die Verurteilungssumme auf 177.679,65 DM erhöht. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht geht davon aus, daß kaufvertragliche Gewährleistungsansprüche der Klägerin verjährt sind, daß der Klägerin gegen die Beklagte aber Deliktsansprüche zustehen, die durch Ziffer VIII der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der Beklagten nicht ausgeschlossen und durch Ziffer IX nicht beschränkt sind. Die Ersatzpflicht der Beklagten leitet das Berufungsgericht aus der Versäumnis von Instruktionspflichten her.
Hierzu stellt das Berufungsgericht aufgrund des vom Landgericht eingeholten Gutachtens des Sachverständigen R. fest, daß vor Eintritt des Schadensfalles die Fronthebepresse mindestens bis zur Stufe 4 ausgefahren worden war, und die daraus bei einer Beladung mit bereits etwa 19,7 Tonnen Granulat resultierenden Druckkräfte die kritische Knick-Kraft für das Rohr der vierten Zylinderstufe mit großer Wahrscheinlichkeit überschritten haben. Maximale Belastungen des als Pendelstütze wirkenden Fronthebezylinders seien nicht zweckmäßig gewesen, solange die Konstruktion nicht auf das Abfangen solcher höchsten Belastungen ausgerichtet worden sei. Jedem Fachmann sei das Zunehmen der Druck-, Auslenk- und Innendruckkräfte bei einem fortschreitenden Teleskopieren des Fronthebezylinders bekannt gewesen. Eine Instruktion der Klägerin über die Handhabung des Silobehälters beim Beladen und über dabei möglicherweise auftretende Gefahren sei nicht erfolgt. Beim Beladen sei ein Ankippen des Silobehälters in den Fällen allgemein üblich, in denen leichtes Ladegut nach der automatischen Befüllung über die Dome noch nicht die höchstmögliche Zuladung bringe und zusätzlicher Laderaum durch Ankippen des Behälters und damit einhergehender Verdichtung des Ladeguts gewonnen werden müsse.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, im Hinblick auf die bestehenden Gefahren und die übliche Verfahrensweise bei der Silobefüllung sei die Beklagte verpflichtet gewesen, mit gebotenem Nachdruck darauf hinzuweisen, daß der Silobehälter nach einer weitgehenden Beladung nicht bis in die obersten Stufen ausgefahren werden dürfe. Die vorhandenen Bedienungshinweise über das Entladen seien nicht geeignet gewesen, den hier verwirklichten Gefahren zu begegnen.
Das Berufungsgericht hält die unterbliebene Instruktion auch für schadensursächlich und verneint ein der Klägerin gemäß § 254 Abs. 1 BGB zuzurechnendes Mitverschulden durch Fehlbedienung des Kippers seitens ihres Fahrers.
II.
Das Berufungsurteil hält nicht durchweg den Angriffen der Revision stand.
a) Es ist zwar grundsätzlich möglich, durch Allgemeine Geschäftsbedingungen deliktsrechtliche Ansprüche auch insoweit auszuschließen, als sie mit Schadensersatzansprüchen aus dem Gewährleistungsrecht konkurrieren (BGH, Urteil vom 7. Februar 1979 – VIII ZR 305/77 – BB 1979, 698 mit Anm. Schmidt-Salzer). Soweit es um den Ausschluß der Haftung für leichte Fahrlässigkeit geht, unterliegt dieser – auch im kaufmännischen Verkehr, um den es hier geht – allerdings denn Beschränkungen des § 9 AGB Gesetz. Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Das ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen werden soll, nicht vereinbar ist (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGB Gesetz), oder wenn sie wesentliche Rechte oder Pflichten, sog. „Kardinalpflichten“, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, daß die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 AGB-Gesetz). Das kann nicht nur bei der Abbedingung von Hauptpflichten der Fall sein, sondern auch dann, wenn sich der Haftungsausschluß auf die Verletzung von Nebenpflichten (sog. Schutzpflichten) bezieht, sofern bei diesen eine Freizeichnung die angemessene Risikoverteilung empfindlich stören würde (BGH, Urt. v. 3. März 1988 – X ZR 54/86 – NJW 1988, 1785, 1786 mit weit. Nachw.).
Für die Entscheidung des Streitfalles kann es dahinstehen, inwieweit im Rahmen der Produzentenhaftung bestehende Pflichten als „wesentliche Pflicht“ i.S. des § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGB-Gesetz anzusehen sind (vgl. dazu einerseits M. Wolf, NJW 1980, 2433, 2434; andererseits v. Westphalen, NJW 1979, 838, 842 f. [VG Karlsruhe 13.03.1978 – V – 135/77] und Produkthaftungshandbuch, Bd. I, § 13 Rdn. 23 ff), oder ob eine formularmäßige Freizeichnung aller deliktischen Verhaltenspflichten, die neben Vertragspflichten bestehen, einer Aufgabe des Schutzgedankens des § 823 BGB gleichkomme und deshalb schon nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGB-Gesetz unwirksam wäre (so Rolland, Produkthaftungsrecht, 1990, Teil II, Rdn. 141) oder etwa nur in Ausnahmefällen, etwa bei einer nicht erfolgten Warnung vor einem nur dem Hersteller bekannten Produktrisiko (vgl. dazu Schmidt-Salzer, Entscheidungssammlung Produkthaftung, Anm. zu I. 216).
b) Selbst wenn durch Haftungsfreizeichnungsklauseln solche Schadensersatzansprüche, wie sie im Streitfalle geltend gemacht werden, wirksam ausgeschlossen werden könnten, liegt kein Rechtsfehler darin, daß das Berufungsgericht davon ausgeht, daß in den Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der Beklagten ein solcher Ausschluß nicht vorgesehen ist.
aa) Rechtlich einwandfrei hat das Berufungsgericht einen Haftungsausschluß durch Ziffer VIII dieser Bedingungen daran scheitern lassen, daß er lediglich für Mängel gilt und Ansprüche aus unerlaubter Handlung nicht erfaßt. Diese Ziffer trägt die Überschrift „Mängelrüge und Gewährleistung“. Ob eine solche Freizeichnung auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung einschließt, bemißt sich nach der Auslegung einer derartigen Klausel im Einzelfall (BGHZ 67, 359, 366). Das Berufungsgericht ist bei seiner Auslegung zutreffend davon ausgegangen, daß Freizeichnungsklauseln, mit denen eine Risikoverlagerung auf den Käufer bezweckt wird, grundsätzlich eng auszulegen sind, so daß mit derartigen Klauseln, die in einem Abschnitt enthalten sind, der nach seiner Überschrift darauf hindeutet, daß er sich nur mit vertraglichen Ansprüchen befasse, Ansprüche aus unerlaubter Handlung nicht ausgeschlossen werden können. Nach der sog. „Unklarheitenregel“ des § 5 AGBG müssen nämlich verbleibende Zweifel an der Reichweite der in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Bestimmungen zu Lasten desjenigen gehen, der sie aufgestellt hat und sich ihrer bedient. Aus dem Urteil des VIII. Zivilsenats vom 7. Februar 1979 (VIII ZR 305/77 – Kartonmaschine – BB 1979, 698, 699 = NJW 1979, 2148, 2149), auf das sich die Revision bezieht, ergibt sich entgegen ihrer Auffassung nichts anderes. Der VIII. Zivilsenat hat auch in diesem Urteil mit Recht darauf hingewiesen, daß Haftungsausschlußklauseln, welche abweichend von dem durch das positive Recht geprägten Leitbild des Kaufvertrages ein Risiko auf den Käufer verlagern, nur wirksam sind, wenn sie ihm in den Allgemeinen Geschäftbedingungen eindeutig sowie an der systematisch maßgeblichen Stelle vor Augen geführt werden, und er damit in der Lage ist, insbesondere die Versicherbarkeit dieses Risikos zu prüfen. Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an. Dies gilt auch im kaufmännischen Verkehr.
bb) In den in jener Entscheidung zu beurteilenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen war – ähnlich wie im Streitfall in Ziffer IX der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der Beklagten – außer der mit dem Wort „Gewährleistung“ überschriebenen Klausel noch eine weitere Klausel enthalten, welche die Überschrift „Haftung“ trug; dieser Klausel hatte der VIII. Zivilsenat eine Haftungsfreizeichnung auch für deliktische Ersatzansprüche beigemessen. Rechtsfehlerfrei geht indes das Berufungsgericht davon aus, daß sich auch aus Ziffer IX der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der Beklagten keine Beschränkung des deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruches auf den unmittelbaren Schaden ableiten läßt. Es ist kein Rechtsfehler darin zu sehen, daß das Berufungsgericht die Bestimmung nach Maßgabe des Wortlauts des ersten Satzes der Klausel dahin auslegt, daß sie nur den Fall der Beschädigung oder des Verlustes von Fahrzeugen, Fahrzeugteilen oder Fahrzeuginhalten betrifft, die der Beklagten zur Ausführung von Aufträgen im Rahmen eines Werkvertrages übergeben worden sind.
2. Mit der Revision können deliktische Schadensersatzansprüche der Klägerin bezüglich der Schäden an dem Silokipper auch nicht deshalb verneint werden, weil die Klägerin insoweit durch eine unzureichende Instruktion über dessen Gebrauch nicht in ihrem Integritätsinteresse verletzt worden sei.
Im Streitfalle geht es – jedenfalls aus der rechtlichen Sicht des Berufungsgerichts – nicht um die vom Bundesgerichtshof seit der grundlegenden Entscheidung in BGHZ 67, 359 mehrfach (zuletzt durch Senatsurteil vom 24. März 1992 – VI ZR 210/91 – zur Veröffentlichung bestimmt) bejahte Frage, ob die Lieferung einer Sache, an der nur einzelne Teile mangelbehaftet sind, Ansprüche aus Verletzung des Eigentums an dieser Sache auslösen kann, wenn dadurch vorher einwandfreie Teile dieser Sache beschädigt oder zerstört werden. Hier geht es vielmehr darum, ob Schadensersatzansprüche wegen Schäden an einem völlig einwandfreien Produkt dann entstehen können, wenn der Hersteller den Verwender nicht ausreichend darüber unterrichtet, wie er mit dem Produkt umzugehen hat, um Schäden daran zu vermeiden. Die diesbezüglichen Instruktions- und Warnpflichten sind, wie auch vom Schrifttum offenbar nicht in Abrede gestellt wird, dem Hersteller im Integritätsinteresse des Erwerbers auferlegt. Bei einem Schaden, der infolge der Verletzung dieser Pflichten an dem Produkt entsteht, kann deshalb ohne weiteres eine deliktische Haftung des Herstellers eingreifen (vgl. Steffen, VersR 1988, 977, 978; vgl. auch OLG Frankfurt, Urteil vom 18. November 1988 mit NA-Beschluß des Senats vom 9. Januar 1990 – VI ZR 345/88 – Industriefilter – VersR 1990, 981, 982).
3.Mit Erfolg rügt die Revision jedoch, daß das Berufungsgericht die Anforderungen an die Instruktionspflicht des Herstellers überspannt.
Jeder Warenhersteller ist allerdings grundsätzlich verpflichtet, vor den mit der Verwendung seines Produktes verbundenen Gefahren zu warnen und den Produktverwender darauf hinzuweisen, wie er solche Gefahren vermeiden kann. Unter Umständen muß sogar vor einem naheliegenden Mißbrauch des Produkts gewarnt werden (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 12. November 1991 – VI ZR 7/91 – Kindertee – VersR 1992, 96, 97, demnächst auch in BGHZ 116, 60). Die Instruktionspflicht besteht jedoch, worauf die Revision zutreffend hinweist, nur im Rahmen der Verbrauchererwartung und nur insoweit, als der Hersteller damit rechnen muß, daß seine Produkte in die Hand von Personen gelangen, die mit den Produktgefahren nicht vertraut sind (Senatsurteile vom 4. Februar 1986 – VI ZR 179/84 – Überrollbügel – VersR 1986, 653 und vom 7. Oktober 1986 – VI ZR 187/85 – Verzinkungsspray – VersR 1987, 102, 103). Vor allem im Hinblick auf die Gefahr sachwidriger Verwendung von Produkten werden die inhaltlichen Anforderungen an die Instruktionspflichten maßgeblich dadurch beeinflußt, ob die Produkte von Laien in privaten Haushaltungen oder von Fachleuten im gewerblichen Bereich verwendet werden (vgl. Walter, Kaufrecht, 1987, S. 419). Nur dann, wenn der Hersteller davon ausgehen muß, daß bestimmte Produktgefahren auch in spezialisierten Fachunternehmen nicht bekannt sind (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. vom 7. August 1990, mit NA-Beschluß des Senats vom 11. Juni 1991 – VI ZR 301/90 – Brandschutzmörtel – NJW-RR 1992, 285), oder wenn außer Fachleuten auch sonstige Personen das Produkt verwenden, die dessen Gefahren nicht kennen (vgl. Kullmann in Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, Kennzahl 1520 [Bearbeitung VIII/90], S. 41; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urt. vom 10. Januar 1991 mit NA-Beschluß des Senats vom 12. Dezember 1991 – VI ZR 35/91 – Saunaaufguß – NJW-RR 1992, 534), muß er auch bei Lieferungen seines Produkts an Fachunternehmen bzw. Großabnehmer auf die Produktgefahren hinweisen. Da die Silokipper aber nur von Fachpersonal bedient werden, waren die Instruktions- und Warnpflichten der Beklagten damit ihren Kunden gegenüber deutlich herabgesetzt.
Es mag dahinstehen, ob der Revision schon darin zu folgen ist, daß bereits aus dem Aufbau des Fahrzeugs, nämlich der Entladeöffnung am hinteren unteren Ende des Silobehälters und dem vom angreifenden Fronthebezylinder bzw. aus dem Umstand, daß in die Bedienungsanleitung ausschließlich Hinweise aufgenommen waren, welche die Bedienung der Fronthebepresse bzw. das Anheben beim Entladen betreffen, zu entnehmen war, daß die Kippvorrichtung grundsätzlich nur für den Entladenorgang vorgesehen ist. Die Beklagte hat jedenfalls in den auf einem Aufkleber enthaltenen Bedienungshinweisen, der an der Bedienungsposition der Kippvorrichtung angebracht war, u.a. darauf hingewiesen, daß der Entleerungsvorgang „nach Ankippen des Behälters auf zwei Stempel“ zu beginnen ist, d.h., daß der Behälter nicht über die zweite Zylinderstufe hinaus angehoben werden soll, und daß dann nur stufenweise der Behälter nachzukippen ist, um einen kontinuierlichen Entladevorgang zu sichern. Diesen Hinweisen mußte ein vernünftiger Fahrer eines Sattelzuges mit einem solchen Auflieger, der ständig mit diesem Gerät arbeitet, entnehmen, daß beim Ankippen in der beschriebenen Weise vorsichtig zu verfahren war. Entsprechend hatte er, wenn er schon die Kippvorrichtung beim Beladen zum Zwecke einer günstigeren Verteilung des Ladeguts in dem Silobehälter selbst einsetzte, die Hinweise auch auf den Beladevorgang zu transformieren. Für ihn mußte sich daraus ergeben, daß auch beim Beladen des Silos, jedenfalls wenn es schon nahezu gefüllt war, die Fronthebepresse nicht weiter als bis zur zweiten Stufe und nicht, wie es nach den getroffenen Feststellungen von dem Fahrer der Klägerin praktiziert worden war, bis zur Stufe 4 ausgefahren werden durfte.
Es bedurfte dabei keines ausdrücklichen Verbotes bzw. einer ausdrücklichen Warnung und schon gar nicht einer plausiblen Darlegung des Gefahrenzusammenhanges, wie das für Warnhinweise verlangt wird, die für nicht sachkundige Verbraucher bestimmt sind (vgl. insoweit Senatsurteil vom 12. November 1991 – VI ZR 7/91 – aaO).
Dieser würdigung steht die Feststellung des Berufungsgerichts nicht entgegen, daß das Ankippen des Silobehälters beim Beladen „allgemein üblich“ gewesen sei. Abgesehen davon, daß das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, ob üblicherweise nur bei Beginn des Entladevorganges die Kippvorrichtung benutzt wurde und nicht erst, wenn der Beladevorgang schon nahezu abgeschlossen war, und auch nicht, bis zu welcher Stufe üblicherweise der Fronthebezylinder ausgefahren wurde, und ob diese Übung bereits vor der Auslieferung der Sattelauflieger mit Silobehälter durch die Beklagte bestand, muß der Hersteller sachkundiges Personal nicht durch besondere Hinweise vor einem offensichtlichen Mißbrauch seines Produktes warnen.
III.
Bei dieser Sachlage muß das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, um ihm Gelegenheit zu geben, zu der von ihm bisher ausdrücklich offen gelassenen Frage Feststellungen zu treffen, ob sich für die Klägerin Schadensersatzansprüche auch aus einer fehlerhaften Konstruktion des Silokippers ergeben können.
Für den Fall, daß sich das Berufungsgericht nach weiterer Sachaufklärung vom Vorliegen eines Konstruktionsfehlers überzeugen sollte, wird schon jetzt darauf hingewiesen, daß auch gegen die Verneinung eines der Klägerin anzurechnenden Mitverschuldens Bedenken bestehen. Selbst wenn mit dem Berufungsgericht ein Verschulden des Fahrers verneint werden könnte, was schon zweifelhaft ist, dann müßte sich das Berufungsgericht vor allem im Hinblick darauf, daß eine Übung bestanden haben sollte, auch beim Beladen das Silo zu kippen, mit der Frage befassen, ob dann etwa ein eigenes Mitverschulden der Klägerin deshalb bestand, weil sie ihre Fahrer auf die dabei entstehenden Gefahren nicht hingewiesen hat.
Im übrigen wird darauf hingewiesen, daß die Klägerin, soweit sie Ersatz ihr entstandener Kosten verlangt, im Hinblick auf ihre Berechtigung zum Vorsteuerabzug keinen Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer hat (Senatsurteil vom 4. Mai 1982 – VI ZR 166/80 – VersR 1982, 757, 758).