Zeugenaussagen in Prozess um vermietete Beschallungsanlage wiesen mehrere Ungereimtheiten auf
LG Essen, Urteil vom 17.12.2002, 13 S 215/02
Landgericht Essen
Urteil vom 17.12.2002
13 S 215/02
Im Namen des Volkes
Urteil
Im Rechtsstreit
Herr … handelt unter der Firma …
Kläger und Berufungskläger
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Volker Dahlbokum LL.M., Klosterstr. 22, 40211 Düsseldorf
./.
Herr … handelt unter der Firma …
Beklagten und Berufungsbeklagten
hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Essen auf die mündliche Verhandlung vom 3. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht …, die Richterin am Landgericht … und den Richter am Landgericht …
für Recht erkannt
- Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 17.04.2002 (4 C 6/02) abgeändert.
- Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.942,91 € (i.W.: eintausendneunhundertzweiundvierzig und 91/100 Euro) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14.11.2001 zu zahlen.
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
I.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen. Ein Rechtsmittel gegen das Berufungsurteil kommt nicht in Betracht. Die Kammer lässt die Revision nicht zu, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht gegeben sind. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO ausgeschlossen.
II.
Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet.
Die unstreitige Klageforderung in Höhe von 1.942,91 € ist nicht durch Aufrechnung erloschen, da dem Beklagten die mit dem Schreiben vom 20.11.2001 in Rechnung gestellten Gegenforderungen nicht zustehen.
Der Beklagte vermochte nicht zu beweisen, dass er dem Kläger im Juni 2001 die in der Rechnung aufgeführte Beschallungsanlage mit Endstufenrack vermietete.
Den von ihm behaupteten telefonischen Abschluss eines Mietvertrages am 20.06.2001 vermochte keiner der vernommenen Zeugen zu bestätigen. Das Führen eines Indizienbeweises ist dem Beklagten ebenfalls nicht gelungen. Zwar haben die von ihm benannten Zeugen …, …, … und … übereinstimmend bekundet, dass die Anlage von der Ehefrau des Klägers, die ihnen schon vorher bekannt gewesen sei, sowie einer weiteren Frau abgeholt worden sei; die Zeugen … und … haben weiter ausgesagt, dass der Vater des Klägers sie zurückgebracht habe. Dem stehen nicht nur die Aussagen der Zeugen … entgegen, sondern die Kammer hat auch aus mehreren anderen Gründen erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Bekundungen. Schon die Zeugenaussagen selbst weisen Ungereimtheiten auf. So hat der Zeuge … betont, dass die Zeugin …, die Ehefrau des Klägers, bei der Abholung hochschwanger gewesen sei und er sich gewundert habe, dass der Kläger sie zur Abholung der schweren Verstärkeranlage geschickt habe. Tatsächlich hat die Zeugin …, wie sie glaubhaft bekundet hat, erst am 14.11.2001 entbunden und war deshalb im Juni 2001 noch keineswegs hochschwanger. Der Zeuge … hat bekundet, auch er sei erstaunt gewesen, als die schwangere Zeugin … die Anlage abgeholt habe; diesbezüglich erscheint schon nicht plausibel, dass der Zeuge, der nach seiner weiteren Bekundung zu dem Zeitpunkt lediglich damit beschäftigt war, Kaffee zu trinken, sich nicht veranlasst sah, der Zeugin zu helfen. Weiter haben sowohl der Zeuge … als auch der Zeuge … ausgesagt, dass die Anlage während der Sommerferien abgeholt worden sei, wobei der Zeuge … noch eingehend erläutert hat, weshalb die Schulferien für ihn von Relevanz sind und er den Zeitraum deshalb kannte. Tatsächlich begannen die Sommerferien in Nordrhein – Westfalen im Jahre 2001 erst am 05.07.2001. Lediglich die Zeugin … hat bekundet, dass die Abholung der Anlage vor den Sommerferien erfolgt sein müsse. Zum Zurückbringen der Anlage fällt auf, dass der Zeuge … bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung noch angegeben hat, dass die Anlage von einem Herrn zurückgegeben worden sei, der der Vater des Klägers sein könne, anlässlich seiner Vernehmung vor der Kammer aber sofort bekundet hat, er sei sicher, dass es sich um den Vater des Klägers gehandelt habe, da er ihn schon vorher vom Sehen her gekannt habe. Diese Änderung der Ausage lässt sich nicht erklären; insbesondere kann es sich nicht um eine plötzliche zurückgekehrte Erinnerung handeln. Näher liegt vielmehr, dass der Zeuge versucht, seine Aussage, zumal in der zweiten Instanz, so günstig wie möglich für den Beklagten auszugestalten. Darüber hinaus sprechen auch mehrere andere Umstände insbesondere in ihrer Gesamtheit dafür, dass es dem Beklagten hier darum geht, Ansprüche zu konstruieren, die er der im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Restkaufpreisforderung entgegenhalten kann. Es ist schon wenig überzeugend, dass der Beklagte den Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem Kläger zunächst exakt auf den 20.06.2001 datierte und dann, nach der Vorlage der ärztlichen Bescheinigung betreffend die stationäre Behandlung der Zeugin …, vorträgt, dass „nach nochmaliger Prüfung der Angelegenheit“ die Anmietung auch bereits in der ersten Hälfte des Monats Juni erfolgt sein könne. Weiter hat der Beklagte die Rechnungen, obwohl die Forderungen bei Zugrundelegung seines Vortrages bereits im Juni 2001 fällig waren, erst am 20. November 2001 und damit wenige Tage nach Zugang des Mahnbescheids im vorliegenden Verfahren am 14.11.2001 erstellt. Zwar vermochte er im Termin am 03.12.2002 hierzu betreffend die Schadensersatzforderung eine Erklärung anzubieten. Danach hatte er angenommen, dass der Kläger die Reparatur selbst vornehmen werden, und ihn mehrfach darauf angesprochen. Nach Zustellung des Mahnbescheides habe er sich dann sofort wegen der Höhe der Reparaturkosten an die Firma … gewandt und die Kosten dann dem Kläger in Rechnung gestellt. Keinerlei Erklärung hat der Beklagte aber für die späte Inrechnungstellung der Mietkosten angeboten. Es ist auch kein Grund dafür ersichtlich, weshalb er diese Kosten derart lange zurückgehalten haben sollte. Er hatte am 22.08. per Scheck und am 27.09.2001 in bar erhebliche Teilbeträge auf die Forderung des Klägers gezahlt, ohne die Forderung aus der Vermietung in irgendeiner Form geltend zu machen. Garnicht in Einklang zu bringen ist, dass er am 21.09.2001 eine Rechnung über eine andere Vermietung in Höhe von 1.856,00 DM erstellte, die er mit der Forderung des Klägers verrechnete; weshalb er dann eine schon im Juni 2001 fällige Mietzinsforderung nicht ebenfalls zur Verrechnung brachte, ist völlig unerfindlich. Auch nicht pausibel ist, weshalb der Beklagte dem Kläger dieselbe Anlage unstreitig in der Zeit vom 16.03. bis 22.03.2001 für 500,00 DM vermietete und sie dann im Juni 2001 für nur wenige Tage länger zu einem Preis von 3.039,99 DM, also ein Vielfaches, vermietet haben sollte, und dies im Prozess auch noch als Freundschaftspreis bezeichnete. Auch viel anlässlich der Anhörung des Beklagten auf, dass dieser nie angab, wie der Kläger auf die Vorwürfe, die Anlage beschädigt zu haben und das Ansinnen, diese zu reparieren, reagierte.
Die Zweifel der Kammer daran, dass überhaupt eine Vermietung der Anlage an den Kläger im Juni 2001 erfolgte, führen dazu, dass auch die behauptete Beschädigung durch den Kläger als nicht erwiesen angesehen werden muss.
Die zugesprochene Zinsforderung ergibt sich aus §§ 284, 288 Abs. 1 BGB.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Ziffer 11, 713 ZPO.
Anmerkung:
vgl. zum Urteil in I. Instanz: AG Gelsenkirchen, Urteil vom 17.04.2002, 4 C 6/02