Schlaganfall kann nicht mit dem Medikament in Zusammenhang gebracht werden
BGH, Urteil vom 23.03.2013, VI ZR 109/12
BUNDESGERICHTSHOF
Urteil vom 23. März 2013
VI ZR 109/12
Im Namen des Volkes
URTEIL
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2013 durch den Vorsitzenden Richter …, den Richter …, die Richterin …, den Richter … und die Richterin …
für Recht erkannt
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 15. Februar 2012 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte, die in Deutschland das hier zugelassene Medikament „VIOXX“ vertrieb, unter dem Gesichtspunkt der Arzneimittelhaftung in Anspruch. Er begehrt Auskunft gem. § 84a AMG und Ersatz materiellen und immateriellen Schadens. Das Medikament „VIOXX“ wurde dem damals 70-jährigen Kläger ärztlicherseits ab März 2003 wegen einer Polymyalgie rheumatica mit bestehendem Verdacht auf chronische Polyarthritis verschrieben. Der Kläger nahm das Medikament bis 2004 ein. Am Morgen des 16.01.2004 war ihm schwindelig. Seine linke Körperseite war taub, Arme und Beine kribbelten. Sein Hausarzt wies ihn in ein Krankenhaus ein. Unter der Diagnose eines apoplektischen Insults (Schlaganfalls), deren Richtigkeit zwischen den Parteien streitig ist, wurde der Kläger zunächst stationär und sodann längere Zeit ambulant behandelt. Er macht geltend, er habe am 16. 01. 2004 einen Schlaganfall erlitten. Er habe sich nur langsam erholt und leide noch heute unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Der Kläger führt den Schlaganfall auf die Einnahme des Medikaments „VIOXX“ zurück, das die Beklagte nach dem Bekannt werden möglicher Gesundheitsrisiken am 30.09.2004 vom Markt nahm.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, mit der er sein begehren in vollem Umfang weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil u.a. in PharmR 2012, 301 veröffentlicht ist, verneint einen Auskunftsanspruch gem. § 84a AMG. Es hält die Erteilung der begehrten Auskunft für nicht erforderlich, weil Schadensersatzansprüche des Klägers bereits aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes zu verneinen seien, denn der für eine Haftung erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Einnahme des Medikaments und der gesundheitlichen Schädigung sei vorliegend nicht nachgewiesen. Die Kausalitätsvermutung des § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG komme nicht zur Anwendung, weil nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen andere Umstände vorgelegen hätten, die geeignet gewesen seien, den Schaden zu verursachen (§ 84 Abs. 2 Satz 3 AMG). Die Umstände selbst ergäben sich aus dem eigenen Vortrag des Klägers. Dass diese geeignet seien, für sich allein den Schaden zu verursachen, habe der Sachverständiger Prof. Dr. F. dargelegt. Dies werde von der Berufung nicht angegriffen.
Eine Umkehr der Beweislast nach den vom Bundesgerichtshof für die Arzthaftung entwickelten Grundsätzen des „groben Behandlungsfehlers“ komme in Fällen der vorliegenden Art nicht in Betracht. Das gelte auch für den Fall, dass der Beklagte vorzuwerfen sei, das Medikament nicht schon im Jahr 2002 vom Markt genommen zu haben. Auch die Grundsätze des Anscheinsbeweises kämen nicht zum Tragen. Nach den mit der Berufung nicht weiter angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen, die das Landgericht mit bindender Wirkung zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht habe, lasse sich der Schlaganfall des Klägers zwanglos mit den bei ihm unstreitig vorliegenden Risikofaktoren, die außerhalb der Anwendung von „VIOXX“ stünden, erklären.
Den nach § 286 ZPO zu erbringenden Nachweis der Kausalität zwischen der Einnahme von „VIOXX“ und den vorgebrachten Beschwerden habe der Kläger nicht geführt. Zwar gehe der Sachverständige davon aus, dass die Medikamenteneinnahme hierfür mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich gewesen sei. Zweifel daran ergäben sich jedoch daraus, dass die beim Kläger unstreitig gegebenen Risikofaktoren die Schädigung in gleicher Weise erklären könnten. Der Sachverständige habe im Ausgangsgutachten wie in seinem Ergänzungsgutachten dargelegt, dass diese Risikofaktoren für sich allein geeignet gewesen seien, den erlittenen Schlaganfall herbeizuführen. Das verordnete und eingenommene Medikament habe lediglich einen weiteren Risikofaktor dargestellt.
II.
Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
1. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, Schadensersatzansprüche des Klägers seien deshalb zu verneinen, weil der für eine Haftung der Beklagten gem. §§ 84, 87 AMG erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Einnahme des Medikaments „VIOXX“ und dem eingetretenen Gesundheitsschaden nicht nachgewiesen sei, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
a) Für das Revisionsverfahren ist aufgrund der vom Landgericht getroffenen Feststellungen, an die sich das Berufungsgericht ersichtlich gem. § 529 ZPO gebunden gesehen hat, davon auszugehen, dass der Kläger, wie von ihm selbst vorgetragen, am 16.01.2004 einen apoplektischen Insult (Schlaganfall) erlitten hat.
b) Nach allgemeinen Grundsätzen trifft die Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen der Anwendung des Arzneimittels und der eingetretenen Rechtsverletzung des Geschädigten (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 12, 19; Senatsurteil vom 16. März 2010 – VI ZR 64/09, VersR 2010, 627 Rn. 18; Handorn in Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 2010, § 27 Rn. 71). Eine mit Ursächlichkeit reicht dabei aus (vgl. Senatsurteil vom 16. März 2010 – VI ZR 64/09, aaO Rn. 12 mwN; OLG Brandenburg, PharmR 2011, 419, 422). Um die Schwierigkeiten des Arzneimittelanwenders beim Nachweis der Kausalität zu erleichtern, wurde mit Art. 1 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19.07.2002 (BGBl. I S. 2674) die Kausalitätsvermutung des § 84 Abs. 2 AMG eingeführt (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 19; zur Gesetzgebungsgeschichte siehe Hart, MedR 2009, 253 f.; Wagner, VersR 2001, 1334, 1335 f.). Ist das angewendete Arzneimittel nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet, den Schaden zu verursachen, so wird nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG vermutet, dass der Schaden durch dieses Arzneimittel verursacht ist. Gem. § 84 Abs. 2 Satz 2 AMG beurteilt sich die Eignung im Einzelfall nach der Zusammensetzung und der Dosierung des angewendeten Arzneimittels, nach der Art und Dauer seiner bestimmungsgemäßen Anwendung, nach dem zeitlichen Zusammenhang mit dem Schadenseintritt, nach dem Schadensbild und dem gesundheitlichen Zustand des Geschädigten im Zeitpunkt der Anwendung sowie allen sonstigen Gegebenheiten, die im Einzelfall für oder gegen die Schadensverursachung sprechen. Diese Vermutung gilt gem. § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG jedoch nicht, wenn ein anderer Umstand nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet ist, den Schaden zu verursachen.
c) Das Berufungsgericht lässt offen, ob das Medikament „VIOXX“ geeignet war, diese gesundheitliche Schädigung herbeizuführen. Für das Revisionsverfahren ist deshalb zugunsten des Klägers zu unterstellen, dass dies der Fall ist und damit die Voraussetzungen für das Eingreifen der Kausalitätsvermutung gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG grundsätzlich gegeben sind. Nach Auffassung des Berufungsgerichts greift die Kausalitätsvermutung gemäß § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG jedoch deshalb nicht ein, weil ein anderer Umstand nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet war, den Schaden zu verursachen. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht die Anforderungen an den Ausschluss der Kausalitätsvermutung nicht in einer mit dem Sinn und Zweck der maßgeblichen Gesetzesvorschriften und der Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht in Einklang zu bringenden Weise herabgesetzt.
aa) Die Kausalitätsvermutung gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG stellt eine gesetzliche Vermutung im Sinne des § 292 ZPO dar (Bollweg, MedR 2012, 782, 783; MünchKommZPO/Prütting, 4. Aufl., § 292 Rn. 17; Vogeler, MedR 2011, 81, 83 mwN; vgl. auch Senatsurteil vom 4. November 2003 – VI ZR 28/03, VersR 2004, 118, 120; Senatsbeschlüsse vom 1. Juli 2008 – VI ZR 287/07, VersR 2008, 1264 Rn. 3 und vom 26. Januar 2010 – VI ZR 72/09, juris). Sie steht nach ihrem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes in einem engen Zusammenhang zu § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG. Danach kann die Vermutung nicht nur nach § 292 ZPO durch den Beweis des Gegenteils widerlegt werden, sondern bereits unter erleichterten Voraussetzungen ausgeschlossen sein. Beide Vorschriften stellen dabei auf die Eignung zur Schadensverursachung nach den Gegebenheiten des Einzelfalls ab, § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG auf die Eignung des angewendeten Arzneimittels und § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG auf die Eignung eines anderen Umstands.
Der im Schrifttum zum Teil vertretenen Ansicht, § 84 Abs. 2 AMG sei einheitlich zu betrachten und regele eine Beweismaßreduktion, ist das Berufungsgericht mit Recht nicht gefolgt. Nach jener Ansicht erlaubt § 84 Abs. 2 AMG die Feststellung der Ursächlichkeit des Arzneimittels, wenn es unter Würdigung sämtlicher Umstände überwiegend wahrscheinlich ist, dass die Rechtsgutsverletzung auf der Anwendung des Präparats beruht (vgl. Wagner, VersR 2001, 1334, 1339; ders., NJW 2002, 2049, 2051 mwN; Pflüger, PharmR 2003, 363, 368; siehe auch Klevemann, PharmR 2002, 393, 397; Krüger, Arzneimittelgefährdungshaftung nach § 84 AMG unter besonderer Berücksichtigung alternativer Kausalität, 2006, S. 40 ff. mwN). Dem pharmazeutischen Unternehmer bleibe es unbenommen, den Gegenbeweis zu führen, also nachzuweisen, dass das von ihm vertriebene Arzneimittel für den konkreten Schaden nicht ursächlich gewesen sei, oder die Vermutungsbasis so zu erschüttern, dass die konkrete Eignung des Arzneimittels nicht mehr bejaht werden könne (vgl. Wagner, VersR 2001, 1334, 1339).
Eine solche Auslegung des § 84 Abs. 2 AMG ist jedoch mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu vereinbaren. Das Gesetz unterscheidet zwischen der Kausalitätsvermutung und ihrem Ausschluss. Insoweit ähnelt § 84 Abs. 2 AMG strukturell dem Anscheinsbeweis (vgl. Voit in Festschrift Axel Sander, 2008, S. 367, 370, 377; ders. in Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, 2010, § 13 Rn. 37; siehe auch HK-AKM/Hart, Nr. 243 Rn. 60 [Stand: Februar 2011]; Spickhoff/Spickhoff, Medizinrecht, 2011, § 84 AMG Rn. 27; Wagner, VersR 2001, 1334, 1338). Die Vorschrift geht aber darüber hinaus, weil sie nicht auf die Typizität des Geschehensablaufs, sondern auf die Eignung zur Schadensverursachung nach den Gegebenheiten des Einzelfalls abstellt (vgl. Wagner, NJW 2002, 2049, 2051). Bereits für das Eingreifen der Kausalitätsvermutung sind zwar alle Gegebenheiten zu berücksichtigen, die im Einzelfall für oder gegen die Schadensverursachung sprechen (vgl. § 84 Abs. 2 Satz 2 AMG). Die gesetzliche Anordnung einer Beweismaßreduktion ist dem jedoch nicht zu entnehmen (vgl. Ehling, PatR 2007, 137, 140 f.; siehe auch Brock/Stoll in Kü-gel/Müller/Hofmann, AMG, 2012, § 84 Rn. 117; Melber/Moelle, StoffR 2004, 75, 80; siehe zu Risiken einer Beweislast- oder Beweismaßänderung auch BT-Drucks. 13/10435, S. 15; BR-Drucks. 1012/96, S. 27 f.).
bb) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Begriff der Eignung zur Schadensverursachung in § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG ebenso auszulegen ist wie in § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG. Die Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG sind zwar – im Unterschied zu denen des § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG – von dem pharmazeutischen Unternehmer darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 19; Brock/Stoll, aaO Rn. 123, 126). Aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen den Regelungen sind die für § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG geltenden Grundsätze aber auf § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG übertragbar. Es kommt auf die gleichen Maßstäbe an (vgl. Brock/Stoll, aaO Rn. 120; Prütting/Guttmann, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 2. Aufl., § 84 Rn. 46; Vogeler, aaO S. 85; siehe auch HK-AKM/Hart, aaO Rn. 63; ders., MedR 2009, 253, 254; Sander, Arzneimittelrecht, § 84 Erl. 16 aE [Stand: November 2007]).
Diese Auslegung des § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG wird durch die Parallele zu der Ursachenvermutung der §§ 6, 7 des Umwelthaftungsgesetzes vom 10.12.1990 (UmweltHG, BGBl. I S. 2634) bestätigt. Diesen Vorschriften ist § 84 Abs. 2 AMG nachgebildet (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 19). Ist eine Anlage (vgl. § 1 UmweltHG mit Anhang 1) nach den Gegebenheiten des Einzelfalles geeignet, den entstandenen Schaden zu verursachen, so wird nach § 6 Abs. 1 UmweltHG vermutet, dass der Schaden durch die Anlage verursacht ist. Nach § 7 UmweltHG kann die Ursachenvermutung ausgeschlossen sein, wenn ein anderer Umstand nach den Gegebenheiten des Einzelfalles geeignet ist, den Schaden zu verursachen. Auch für § 7 UmweltHG gilt ein entsprechender Prüfungsmaßstab, wie er in § 6 Abs. 1 UmweltHG für die Feststellung der Schadenseignung der in Anspruch genommenen Anlage aufgestellt ist (vgl. Senats-Urteil vom 17. Juni 1997 – VI ZR 372/95, VersR 1997, 1247, 1249; BT-Drucks. 11/7104, S. 18; Hager in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 7 UmweltHG Rn. 1, 8 [Stand: Oktober 1996]; Staudinger/Kohler, BGB, Neubearb. 2010, § 7 UmweltHG Rn. 20; Salje in Salje/Peter, UmweltHG, 2. Aufl., § 7 Rn. 14).
cc) Damit kommt es für die Eignung eines anderen Umstands, den Schaden zu verursachen (§ 84 Abs. 2 Satz 3 AMG), auf die Darlegung und – im Bestreitensfalle – den Nachweis der konkreten Möglichkeit der Schadensverursachung an. Nach der Gesetzesbegründung verlangt § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG mehr als die nur abstrakt-generelle Eignung des Arzneimittels, Schäden der in Rede stehenden Art hervorzurufen. Die Eignung muss auf Grund der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls festgestellt werden. Da die Darlegung und – im Bestreitensfalle – der Nachweis der konkreten Möglichkeit der Schadensverursachung aber ausreicht, wird der Geschädigte davon befreit, den Kausalverlauf zur vollen Überzeugung des Gerichts darlegen und beweisen zu müssen (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 19; Bollweg, aaO S. 783 f.; Kloesel/Cyran, AMG, § 84 Anm. 39 [Stand: 2003]; Voit in Festschrift Axel Sander, 2008, S. 367, 370; allgemein zur Wirkung gesetzlicher Vermutungen MünchKommZPO/Prütting, aaO Rn. 22).
Eine die Vermutung des § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG ausschließende Alternativursache nach § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG setzt daher ausreichend konkrete, den Gegebenheiten des Einzelfalles entsprechende Feststellungen dahingehend voraus, dass sie geeignet ist, allein (oder im Zusammenwirken mit anderen, dem in Anspruch genommenen pharmazeutischen Unternehmer ebenfalls nicht zuzurechnenden Ursachen) den geltend gemachten Schaden herbeizuführen; es gilt insoweit ein entsprechender Prüfungsmaßstab, wie er in § 84 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AMG für die Feststellung der Schadenseignung aufgestellt ist (vgl. für § 7 UmweltHG Senatsurteil vom 17. Juni 1997 – VI ZR 372/95, aaO; siehe auch Senatsbeschluss vom 26. Januar 2010 – VI ZR 72/09, aaO; Kloesel/Cyran, aaO Anm. 40; Vogeler, aaO). In Fällen der Anwendung weiterer Arzneimittel, die nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet sind, den Schaden zu verursachen, ist die Ausnahmeregelung des § 84 Abs. 2 Satz 4 AMG zu beachten.
dd) Danach hat das Berufungsgericht auf Grundlage der getroffenen Feststellungen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, die Kausalitätsvermutung des § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG sei durch § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG ausgeschlossen.
Als andere Umstände im Sinne des § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG kommen etwa der Gesundheitszustand des Geschädigten (vgl. § 84 Abs. 2 Satz 2 AMG; Kullmann, in Festschrift Gerda Müller, 2009, S. 253, 258; Ufer/Metzmacher, JR 2009, 95, 96), insbesondere eine sich schicksalhaft verschlechternde Grunderkrankung oder eine hinzutretende Erkrankung (vgl. Voit in Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, 2010, § 13 Rn. 38; siehe auch OLG Hamm, NJW-RR 2003, 1382; LG Hagen, Urteil vom 7. Dezember 2006 – 6 O 7/06, juris Rn. 23; für die Rechtslage vor Anwendbarkeit des § 84 Abs. 2 AMG: OLG Celle, VersR 1983, 1143, 1144; OLG Köln, OLGR 2007, 518; OLG Koblenz, OLGR 2009, 399, 400; siehe auch Melber/Moelle, aaO S. 79), oder besondere Lebensgewohnheiten des Geschädigten wie starker Alkohol- oder Zigarettenkonsum (vgl. Prütting/Guttmann, aaO; Ufer/Metzmacher, aaO) in Betracht. So kann § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG im Einzelfall eingreifen, wenn der Geschädigte Risikofaktoren für den eingetretenen Schaden aufweist (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Januar 2010 – VI ZR 72/09, aaO; Bollweg, aaO S. 784; Brock/Stoll, aaO Rn. 120; siehe auch OLG Köln, GesR 2012, 189 f.: sehr hohes Risikoprofil).
Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger leide an Polymyalgie rheumatica mit bestehendem Verdacht auf chronische Polyarthritis, an Diabetes mellitus und an einer kombinierten Hyperlipidämie mit zumindest zeitweise erhöhten Blutfettwerten. Hierbei handelt es sich um bindende tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts, die gemäß § 314 ZPO Beweis für das mündliche Parteivorbringen in der Berufungsinstanz erbringen. Die Beweiskraft des Tatbestands kann nur durch das Sitzungsprotokoll, nicht jedoch durch den Inhalt der Schriftsätze entkräftet werden. Eine etwaige Unrichtigkeit tatbestandlicher Darstellungen im Berufungsurteil kann nur im Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO behoben werden. Eine Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO kommt zur Richtigstellung eines etwaigen Mangels grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. Senats-urteil vom 10. Juli 2012 – VI ZR 341/10, VersR 2012, 1261 Rn. 35, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; BGH, Urteile vom 1. Dezember 2008 – II ZR 102/07, BGHZ 179, 71 Rn. 16 und vom 16. Dezember 2010 – I ZR 161/08, NJW 2011, 1513 Rn. 12 mwN).
Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. festgestellt, dass diese Umstände konkret geeignet waren, für sich allein den Gesundheitsschaden des Klägers zu verursachen. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht nicht die bloße (theoretische) Möglichkeit, dass andere Faktoren als die Einnahme des Arzneimittels den Schaden mitausgelöst haben könnten, als ausreichend erachtet. Das Berufungsgericht führt zwar aus, der Begriff der Eignung stelle auf die „abstrakte“ Möglichkeit der Schadenverursachung ab. Diese missverständlichen Rechtsausführungen ändern jedoch nichts daran, dass das Berufungsgericht die konkrete Möglichkeit der Schadensverursachung durch einen anderen Umstand festgestellt hat.
Höhere Anforderungen an den Ausschluss der Kausalitätsvermutung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG sind entgegen der Auffassung der Revision auch nicht aus dem Senatsbeschluss vom 01.07.2008 (VI ZR 287/07, VersR 2008, 1264) abzuleiten. Darin hat der erkennende Senat das Urteil der Vorinstanz aufgehoben, weil das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft angenommen hatte, dass die Klägerin ihrer Darlegungslast zu den Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten nach § 84 AMG nicht in ausreichendem Maße nachgekommen sei. Der Senat hat unter anderem auf die Vermutung des § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG und die Eignung im Einzelfall gem. § 84 Abs. 2 Satz 2 AMG abgestellt. Dem Beschluss ist jedoch nicht zu entnehmen, dass die Vorinstanzen Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG getroffen haben. Auch den von der Revision angeführten Passagen des erstinstanzlichen Urteils (LG Berlin, NJW 2007, 3582) sind keine Feststellungen dazu zu entnehmen, dass Vorerkrankungen geeignet waren, den Schaden zu verursachen.
ee) Ohne Erfolg wendet die Revision ein, die Kausalitätsvermutung des § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG liefe leer, wenn für ihren Ausschluss ausreiche, dass der Geschädigte einen Risikofaktor für den Schadenseintritt aufweise. Zwar trifft es zu, dass die Kausalitätsvermutung aufgrund der Ausschlussmöglichkeit nach § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG in vielen Fällen wirkungslos bleiben dürfte (vgl. Ehling, aaO S. 143 f.; Hieke, Die Informationsrechte geschädigter Arzneimittelverbrau-cher, 2003, S. 256 f.; 258 f. mwN; siehe auch Deutsch, VersR 2004, 937, 940). Die geringen Anforderungen an den Ausschluss der Kausalitätsvermutung korrespondieren jedoch mit den geringen Anforderungen an ihr Eingreifen. Die Kausalitätsvermutung ginge andernfalls zu weit. Sie soll in der vorliegenden Form der besonders schwierigen Beweissituation des geschädigten Anwenders eines Arzneimittels Rechnung tragen, ohne dem pharmazeutischen Unternehmer eine Verdachtshaftung aufzuerlegen, die haftungsrechtlich weder systemkonform noch interessengerecht wäre (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 12 f., 19). Sie beruht auf einem politischen Kompromiss und sucht die zugrunde liegenden widerstreitenden Interessen auszugleichen (vgl. Bollweg, aaO S. 786; Ufer/Metzmacher, aaO; siehe auch BT-Drucks. 14/7752, S. 12 f.).
Entgegen der Auffassung der Revision hat dies allerdings nicht zur Folge, dass auf §§ 84 ff. AMG gestützte Schadensersatzklagen männlicher, älterer oder in irgendeiner risikobegründenden Weise vorerkrankter Personen stets aussichtlos wären. Die Beweislage des Geschädigten wird durch § 84 Abs. 2 AMG zwar gegenüber der früheren Rechtslage nur in geringem Umfang verbessert. Der Geschädigte ist durch § 84 Abs. 2 AMG aber nicht gehindert, sich auf einen Anscheinsbeweis zu berufen (vgl. Bollweg, aaO S. 784 mwN; Vogeler, aaO S. 86; siehe auch Senatsbeschluss vom 26. 01.2010 – VI ZR 72/09, aaO). Als Ergänzung der Kausalitätsvermutung besteht zudem der Auskunftsanspruch nach § 84a AMG, der dem Geschädigten die Darlegung und den Nachweis der anspruchsbegründenden Tatsachen erleichtern soll. Den pharmazeutischen Unternehmer trifft außerdem die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die schädlichen Wirkungen des Arzneimittels ihre Ursache nicht im Bereich der Entwicklung und Herstellung haben (§ 84 Abs. 3 AMG, vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 19 f.).
Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, dass nach der Senatsrechtsprechung an die Darlegungslast des Patienten keine überhöhten Anforderungen gestellt werden dürfen, um ein weitgehendes Leerlaufen der Vorschriften über die Haftung für Arzneimittelschäden zu vermeiden (vgl. Senatsurteil vom 19. März 1991 – VI ZR 248/90, VersR 1991, 780, 781 für § 84 AMG a.F.; Senatsbeschluss vom 1.07.2008 – VI ZR 287/07, aaO Rn. 3; OLG München, PharmR 2009, 352, 353; OLG München, OLGR 2009, 846, 847; OLG Zweibrücken, NJW-RR 2011, 534). Für die Kausalitätsvermutung und ihren Ausschluss gem. § 84 Abs. 2 AMG lassen sich daraus jedoch keine Rückschlüsse ziehen. Hier kommt es nicht auf die Darlegungslast an, sondern auf die vom Gesetzgeber gewählte Ausgestaltung der Beweiserleichterung.
2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises für den Nachweis des Ursachenzusammenhangs mit Recht abgelehnt.
a) Die Frage, ob der Anscheinsbeweis eingreift, unterliegt der Prüfung durch das Revisionsgericht (Senatsurteil vom 16. März 2010 – VI ZR 64/09, aaO Rn. 16 mwN). Der Anscheinsbeweis setzt einen typischen Geschehensablauf voraus, also einen bestimmten Tatbestand, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist (vgl. Senatsurteile vom 14. Juni 2005 – VI ZR 179/04, BGHZ 163, 209, 212; vom 16. März 2010 – VI ZR 64/09, aaO Rn. 16 mwN und vom 4. Dezember 2012 – VI ZR 378/11, WM 1023, 306 Rn. 23). Allein eine Risikoerhöhung reicht dafür nicht aus (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Januar 2010 – VI ZR 72/09, aaO). Im Wege des Anscheinsbeweises kann gegebenenfalls von dem eingetretenen Erfolg auf die Ursache geschlossen werden (vgl. Senatsurteil vom 19. Januar 2010 – VI ZR 33/09, VersR 2010, 392 Rn. 8 mwN). Der Beweis des ersten Anscheins wird durch feststehende (erwiesene oder unstreitige) Tatsachen entkräftet, nach welchen die Möglichkeit eines anderen als des typischen Geschehensablaufs ernsthaft in Betracht kommt (vgl. Senatsurteile vom 4. April 2006 – VI ZR 151/05, VersR 2006, 931 Rn. 18 und vom 16. März 2010 – VI ZR 64/09, aaO Rn. 17, jeweils mwN).
b) Von der ernsthaften Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ist das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler ausgegangen. Nach seinen Feststellungen lässt sich der Gesundheitsschaden des Klägers zwanglos mit den bei ihm vorliegenden Risikofaktoren erklären. Das Berufungsgericht stützt sich insoweit gem. § 529 Abs. 1 ZPO verfahrensfehlerfrei auf die Feststellungen des Landgerichts. Die Revision legt keine konkreten Anhaltspunkte dar, die nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für das Berufungsgericht Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der landgerichtlichen Feststellungen begründet und deshalb eine erneute Feststellung geboten hätten. Die Ansicht der Revision, die getroffenen Feststellungen fänden in den beiden vom Landgericht eingeholten Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F. keine Stütze, trifft nicht zu. Zwar weist die Revision mit Recht darauf hin, dass die Anwendung von „VIOXX“ nach Auffassung des Gutachters das Risiko eines Schlaganfalls entscheidend erhöht haben kann. Der Sachverständige hat aber auch ausgeführt, dass die beim Kläger vorhandenen Risikofaktoren genügten, um seinen Gesundheitsschaden zu erklären.
Die Annahme der ernsthaften Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs begegnet auch unter Berücksichtigung des Senatsurteils vom 16. März 2010 (VI ZR 64/09, aaO) keinen Bedenken. In jenem Fall ging es darum, ob die Einnahme des Medikaments „VIOXX“ für einen Herzinfarkt ursächlich gewesen ist, den der dortige Kläger beim Schneeschaufeln erlitten hatte. Zwar hat der erkennende Senat die Annahme der ernsthaften Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs durch das Berufungsgericht unter anderem deshalb gebilligt, weil der Sachverständige die ungewohnte körperliche Belastung als risikoerhöhend bewertet hatte (vgl. Senatsurteil vom 16. März 2010 – VI ZR 64/09, aaO Rn. 17). Dies bedeutet jedoch nicht, dass für die Entkräftung des Anscheinsbeweises in „VIOXX“-Fällen stets die Feststellung einer solchen körperlichen Belastung erforderlich wäre. Im Übrigen ist im Senatsurteil vom 16.03.2010 neben dem Alter des Klägers von 73 Jahren nur die körperliche Belastung als Risikofaktor genannt. Im Streitfall sind hingegen mehrere risikoerhöhende Faktoren festgestellt.
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch dagegen, dass das Berufungsgericht die im Arzthaftungsprozess anerkannten Grundsätze zur Beweislastumkehr bei Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers vorliegend nicht angewendet hat.
a) Im Arzthaftungsprozess führt ein grober Behandlungsfehler regelmäßig zur Umkehr der Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Gesundheitsschaden und dem Behandlungsfehler, wenn dieser generell geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 8. Januar 2008 – VI ZR 118/06, VersR 2008, 490 Rn. 11 und vom 19. Juni 2012 – VI ZR 77/11, VersR 2012, 1176 Rn. 6, jeweils mwN; vgl. nunmehr § 630h Abs. 5 BGB idF des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20. Februar 2013, BGBl. I S. 277, 279). Die Umkehr der Beweislast im Falle eines groben Behandlungsfehlers hat ihren Grund darin, dass das Spektrum der für den Misserfolg der ärztlichen Behandlung in Betracht kommenden Ursachen gerade wegen der elementaren Bedeu-tung des Fehlers in besonderem Maße verbreitert bzw. verschoben worden ist. Es entspricht deshalb der Billigkeit, die durch den Fehler in das Geschehen hineingetragene Aufklärungserschwernis nicht dem Geschädigten anzulasten (vgl. Senatsurteile vom 16. März 2010 – VI ZR 64/09, aaO Rn. 18 und vom 19. Juni 2012 – VI ZR 77/11, aaO Rn. 13, jeweils mwN).
b) Damit ist eine Fallgestaltung, wie sie hier vorliegt, nicht vergleichbar. Wie der erkennende Senat entschieden hat, sind die für den Arzthaftungsprozess entwickelten Grundsätze der Beweislastumkehr im Produkthaftungsprozess in Fällen der Verletzung von Warnpflichten durch den Hersteller nicht anwendbar (Senatsurteil vom 12. November 1991 – VI ZR 7/91, BGHZ 116, 60, 76 f.). Für die Inanspruchnahme des Arzneimittelherstellers wegen unzureichender Informationen über die einem Medikament möglicherweise anhaftenden Risiken gilt nichts anderes (Senatsurteil vom 16. März 2010 – VI ZR 64/09, aaO). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass das der Beklagten vom Kläger angelastete Versäumnis, das Medikament „VIOXX“ nicht schon im Jahr 2002 vom Markt genommen zu haben, nicht den Stellenwert eines groben Behandlungsfehlers habe, d.h. eines Fehlers, der aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich und verantwortbar erscheint (vgl. Senatsurteile vom 12. November 1991 – VI ZR 7/91, aaO und vom 10. Mai 1983 – VI ZR 270/81, VersR 1983, 729, 730), steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Senatsurteil vom 16. März 2010 – VI ZR 64/09, aaO) und lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
4. Die Revision wendet sich auch erfolglos gegen die Annahme des Berufungsgerichts, ein Auskunftsanspruch des Klägers nach § 84a Abs. 1 AMG sei zur Feststellung, ob ein Schadensersatzanspruch des Klägers nach § 84 AMG bestehe, nicht erforderlich.
a) Allerdings ist der Auskunftsantrag zulässig. Der Kläger hat ihn zwar „im Wege der Stufenklage“ gestellt. Als Stufenklage im Sinne des § 254 ZPO ist sein Rechtsschutzbegehren unzulässig, weil der von der Klägerin geltend gemachte Auskunftsanspruch gem. § 84a Abs. 1 AMG nicht der näheren Bestimmung eines noch nicht hinreichend bestimmten Leistungsbegehrens dient. Die Stufenklage ist aber in eine – zulässige – Klagehäufung im Sinne des § 260 ZPO umzudeuten (vgl. Senatsurteil vom 29.03.2011 – VI ZR 117/10, BGHZ 189, 79 Rn. 7 ff.). Davon ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen.
b) Liegen Tatsachen vor, die die Annahme begründen, dass ein Arzneimittel den Schaden im Sinne des § 84 AMG verursacht hat, so kann der Geschädigte nach § 84a Abs. 1 Satz 1 AMG von dem pharmazeutischen Unternehmer Auskunft verlangen, es sei denn, dies ist zur Feststellung, ob ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 84 besteht, nicht erforderlich. Der Auskunftsanspruch richtet sich gem. § 84a Abs. 1 Satz 2 AMG auf dem pharmazeutischen Unternehmer bekannte Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie ihm bekannt gewordene Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Wechselwirkungen und sämtliche weiteren Erkenntnisse, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen von Bedeutung sein können (vgl. dazu näher Klevemann, aaO S. 394; Kloesel/Cyran, aaO, § 84a AMG Anm. 5 [Stand: 2004]). Die Vorschrift des § 84a AMG ist mit Art. 1 Nr. 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674) eingeführt worden. Sie orientiert sich an dem Vorbild der §§ 8, 9 UmweltHG sowie des § 35 GenTG (BT-Drucks. 14/7752, S. 20). Sie ist im Streitfall nach Art. 229 § 8 Abs. 2 EGBGB anwendbar.
Nach der Gesetzesbegründung reicht ein geäußerter unbestimmter Verdacht nicht aus, um einen Auskunftsanspruch nach § 84a Abs. 1 AMG zu begründen, andererseits ist aber auch nicht der Vollbeweis einer Kausalität zu ühren. Dem Richter wird vielmehr eine Plausibilitätsprüfung aufgetragen, ob die vorgetragenen Tatsachen den Schluss auf eine Ursache/Wirkung-Beziehung zwischen dem vom auf Auskunft in Anspruch genommenen Unternehmer hergestellten Arzneimittel und dem individuellen Schaden des Auskunftsersuchen den Anwenders ergeben (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 20; siehe auch KG, GesR 2010, 207, 208; OLG Brandenburg, MedR 2010, 789, 790; OLG Köln, VersR 2011, 1397, 1399; LG Köln, PharmR 2009, 567, 568).
c) Nach den Feststellungen der Vorinstanzen sind die notwendigen Tatsachen zur Begründung eines Auskunftsanspruchs nach § 84a Abs. 1 AMG gegeben. Das Berufungsgericht hat in Anknüpfung an die Feststellungen des Landgerichts angenommen, dass „VIOXX“ den Gesundheitsschaden des Klägers mitverursacht haben kann.
d) Zu Recht geht das Berufungsgericht aber davon aus, dass ein Auskunftsanspruch ausgeschlossen ist, weil die Auskunftserteilung zur Feststellung, ob ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 84a Abs. 1 AMG besteht, vorliegend nicht erforderlich ist.
aa) Zwar beruft sich die Revision zutreffend auf das Senatsurteil vom 29. März 2011 (VI ZR 117/10, aaO). Danach verfolgt die Vorschrift des § 84a AMG im Wesentlichen folgende zwei Ziele: Zum einen bezweckt sie die prozessuale Chancengleichheit, weil der Geschädigte in aller Regel den Weg des angewandten Arzneimittels von der ersten Forschung über die Erprobung bis zu dessen konkretem Herstellungsprozess nicht überschauen kann, während die pharmazeutischen Unternehmen – insbesondere zur Frage der Vertretbarkeit ihrer Arzneimittel – den jeweiligen Erkenntnisstand dokumentiert zur Verfügung haben. Im Hinblick darauf hielt es der Gesetzgeber für angebracht, dem Geschädigten die zur Geltendmachung der ihm zustehenden Ansprüche notwendigen Tatsachen zugänglich zu machen, um ihn in die Lage zu versetzen, im Einzelnen zu prüfen, ob ihm ein Anspruch aus Gefährdungshaftung zusteht. Zum anderen soll der Auskunftsanspruch die beweisrechtliche Stellung des Geschädigten im Arzneimittelprozess stärken. Der Geschädigte soll in die Lage versetzt werden, alle Fakten zu erlangen, die für die von ihm darzulegenden und zu beweisenden Anspruchsvoraussetzungen notwendig sind oder die er braucht, um die Kausalitätsvermutung des § 84 Abs. 2 AMG in Gang zu setzen. (Senatsurteil vom 29. März 2011 – VI ZR 117/10, aaO Rn. 9; siehe auch BT-Drucks. 14/7752, S. 20).
bb) Die Revision beachtet jedoch nicht hinreichend, dass dem Kläger nach § 84a Abs. 1 Satz 1 AMG kein Auskunftsanspruch zusteht, wenn die Auskunft zur Feststellung, ob ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 84 AMG besteht, nicht erforderlich ist.
Allerdings ist die Erforderlichkeit der Auskunft grundsätzlich bereits gegeben, wenn die Möglichkeit besteht, dass die begehrten Auskünfte zur Anspruchsfeststellung dienen können (vgl. Krüger, PharmR 2007, 232, 236; siehe auch BGH, Urteil vom 7. Juli 1982 – IVb ZR 738/80, NJW 1982, 2771 f.; Beschluss vom 21. April 2010 – XII ZB 128/09, NJW-RR 2010, 934 Rn. 21, jeweils zu § 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB). Andernfalls wären die vom Gesetzgeber mit dem Auskunftsanspruch verfolgten Ziele einer prozessualen Chancengleichheit und der beweisrechtlichen Besserstellung des Geschädigten für seinen auf § 84 AMG gestützten Schadensersatzanspruch nicht zu erreichen (vgl. zu diesen Zielen BT-Drucks. 14/7752, S. 20; Senatsurteil vom 29. März 2011 – VI ZR 117/10, aaO Rn. 9, 18). Die Darlegungs- und Beweislast für die mangelnde Erforderlichkeit trifft nach dem Wortlaut des § 84a Abs. 1 Satz 1 AMG („es sei denn“) den pharmazeutischen Unternehmer (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 53 f.; BT-Drucks. 13/10766, S. 2; LG Berlin, NJW 2007, 3584, 3586; LG Köln, aaO S. 569). Sie ist damit anders geregelt als in § 8 UmweltHG und § 35 GenTG (Brock/Stoll, aaO § 84a Rn. 18).
Die Erforderlichkeit der Auskunft kann fehlen, wenn der pharmazeutische Unternehmer den Anspruch dem Grunde nach nicht bestreitet (vgl. Moelle in Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, 2010, § 13 Rn. 85; Paus in Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, 2012, § 84a AMG Rn. 6; Spickhoff/Spickhoff, aaO, § 84a AMG Rn. 3). Darüber hinaus kann sie fehlen, wenn offensichtlich ist, dass der Geschädigte keinen Anspruch aus § 84 Abs. 1 AMG hat, etwa die erlittene Rechtsgutverletzung unerheblich ist, der Geschädigte lediglich einen Vermögensschaden erlitten hat oder der Anspruch aus § 84 Abs. 1 AMG bereits verjährt ist (vgl. LG Köln, aaO S. 569; Prütting/Guttmann, aaO, § 84a AMG Rn. 14; Hieke, PharmR 2005, 35, 38; Kloesel/Cyran, aaO Anm. 3; Krüger, aaO; Moelle, aaO Rn. 86).
cc) Das Berufungsgericht hat das Bestehen eines Auskunftsanspruchs verneint, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der für eine Haftung erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Einnahme des Medikaments und der gesundheitlichen Schädigung nicht nachweisbar und die begehrte Auskunft deshalb nicht erforderlich sei. Diese Beurteilung lässt entgegen der Auffassung der Revision keinen Rechtsfehler erkennen, denn die vom Kläger verlangten Angaben sind nicht geeignet, den Kausalitätsnachweis zu führen. Der Kläger begehrt von der Beklagten Auskunft über ihr bekannte Wirkungen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und diesbezügliche Verdachtsfälle hinsichtlich der von dem Medikament „VIOXX“ ausgehenden schädlichen Wirkungen. Angaben dazu können, wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, geeignet sein, den Nachweis zu ermöglichen oder zu erleichtern, dass „VIOXX“ generell das Risiko kardiovaskulärer oder cerebrovaskulärer Ereignisse erhöht oder im Fall des Klägers erhöht hat. Der von dem Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch scheitert allerdings nicht etwa an dem fehlenden Nachweis der Eignung des Medikaments „VIOXX“ für die eingetretene Schädigung, sondern daran, dass ebenso die beim Kläger vorhandenen Risikofaktoren für sich allein den Gesundheitsschaden herbeigeführt haben können. Da diese Möglichkeit der Schadensverursachung durch die mit dem Auskunftsverlangen begehrten Angaben der Beklagten nicht ausgeräumt werden kann, ist die begehrte Auskunft im Streitfall nicht geeignet, die beweisrechtliche Stellung des Klägers zu stärken. Bei dieser Sachlage ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass ein Auskunftsanspruch vorliegend mangels Erforderlichkeit der begehrten Auskunft nicht bestehe, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 16.02.2011 – 10 O 340/07
OLG Koblenz, Entscheidung vom 15.02.2012 – 5 U 320/11