Zu den Anforderungen der Darlegungs- und Beweislast der Parteien bezüglich eines Produktfehlers
OLG Hamburg, Urteil vom 18.02.2014, 9 U 145/12
Oberlandesgericht Hamburg
Urteil vom 18. Februar 2014
9 U 145/12
Im Namen des Volkes
Urteil
In der Sache
…
Kläger
./.
…
Beklagte
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dahlbokum und Dr. Stoppel, Klosterstr. 22, 40211 Düsseldorf
erkennt das Hanseatische Oberlandesgericht – 9. Zivilsenat – durch die Richterin am Oberlandesgericht … als Einzelrichterin im schriftlichen Verfahren auf Grund des Sachstands vom 04.02.2014
für Recht erkannt
- Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 19.09.2012, 318 O 44/11, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
- Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.
Die Klage ist nicht begründet. Der Klägerin stehen gegenüber der Beklagten die aus übergegangenem Recht geltend gemachten Schadenersatzansprüche aus Produkthaftung zu.
Die Klägerin hat nicht nachweisen können, dass die von der Beklagten hergestellte und am 29.08.2010 in Brand geratene Waschmaschine fehlerhaft im Sinne von § 3 ProdHaftG war.
Nach dem Ergebnis des Gutachtens des Sachverständigen …. ist zwar davon auszugehen, dass der Brand durch das Platzen des in der Waschmaschine eingebauten Kondensators verursacht worden ist. Insofern kommt hier sowohl ein Produktfehler des verbauten Kondensators selbst als auch ein Produktfehler der Waschmaschine hinsichtlich ihrer Gesamtkonstruktion in Betracht.
Es hat jedoch weder ein Produktfehler des verbauten Kondensators noch ein Produkt- bzw. Konstruktionsfehler der Waschmaschine festgestellt werden können.
Ein positiver Nachweis für das Vorliegen eines Produktfehlers des verbauten Kondensators in Gestalt eines hier allenfalls in Betracht kommenden Fabrikationsfehlers ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen … im schriftlichen Gutachten vom 31.05.2012 aufgrund der Brandzehrungen nicht mehr möglich. Den Nachweis, dass im vorliegenden Fall sämtliche nicht technisch bedingte Ursachen für das Platzen des Kondensators ausscheiden, hat die Klägerin ebenfalls nicht erbringen können. Der Sachverständige … hat hierzu bei seiner Anhörung, am 20.12.2012 nachvollziehbar ausgeführt, dass neben technischen Ursachen durchaus noch andere Fehlursachen in Betracht kommen, und zwar nicht nur Verschleiß, für den nach Ansicht des Gerichtes die Beklagte zu haften hätte, weil sie ein Verschleißteil entweder nicht hätte einbauen dürfen (Konstruktionsfehler der Waschmaschine) oder den Verwender darauf hätte hinweisen müssen, dass der Kondensator ggf. in bestimmten Zeitabständen auszutauschen wäre (Instruktionsfehler), sondern auch weitere außerhalb des Einflussbereiches des Herstellers liegende Umstände bzw. Ursachen.
Die Klägerin hat auch nicht nachweisen können, dass ein Produkt- bzw. Kostruktionsfehler der Waschmaschine vorlag.
So liegt ein Konstruktionsfehler der Waschmaschine nicht in der Verwendung des in die Waschmaschine eingebauten Kondensatortyps. Nach den auch diesbezüglich überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen … ist vielmehr davon auszugehen, dass der verwendete Kondensatortyp, hinsichtlich dessen nunmehr durch die als Anlage 2 eingereichte VDE – Zertifizierung nachgewiesen ist, dass er dem Stand der Technik entsprach, generell dafür geeignet war, so verwendet zu werden, wie er im vorliegenden Fall in der Waschmaschine verwendet worden ist.
Auch im Übrigen liegt ein Konstruktionsfehler der Waschmaschine nicht vor. Dieser käme auch dann in Betracht, wenn die Beklagte als Hersteller nicht in den Grenzen des ihr technisch Möglichen und wirtschaftlich Zumutbaren dafür gesorgt hätte, dass bei einem (egal aufgrund welcher Fehlerursache erfolgten) Platzen des verwendeten Kondensators ein hierbei entstehendes Feuer nicht auf andere Bauteile der Waschmaschine und weitere Rechtsgüter des Benutzers übergreifen kann. Die Klägerin hat diesbezüglich behauptet, dass ein solches Risiko mit geringem Kostenaufwand hätte vermieden werden können, wenn man den Kondensator in einen kleinen Käfig aus Metall eingebaut hätte. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen … – insbesondere in dessen ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 12.12.2013 – ist jedoch davon auszugehen, dass eine derartige Konstruktion weder nach dem Stand der Technik üblich noch im Hinblick auf das geringe Risiko „weiterfressender“ Brände erforderlich gewesen ist. Es ist insofern auch zu berücksichtigen, dass nicht von jedem Produkt in jeder Situation absolute Sicherheit verlangt werden kann. Die berechtigten Sicherheitserwartung eines Verbrauchers geht nicht dahin, dass jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden wird (vgl. BGH, Urteil vom 05.02.2013, VI ZR 1/12, RN 15, m.w.N.).
Das gering einzuschätzende Risiko „weiterfressender“ Brände hätte im Übrigen auch nicht durch eine im Verhältnis zu dem verbliebenen Restrisiko wirtschaftlich zumutbare Schutzmaßnahme seitens der Beklagten ausgeschlossen werden müssen. Denn der Einbau des Kondensators in einen „Käfig aus Metall“ wäre mit erheblichen Kosten verbunden gewesen. Die hierfür erforderlichen Forschungs- und Entwicklungskosten würden sich nach Angaben des Sachverständigen … in dessen ergänzender Stellungnahme vom 12.12.2013 auf mehrere Millionen Euro belaufen, so dass nicht davon auszugehen ist, dass die verbliebene geringe Gefahr „auf einfachste Weise“ hätte vermieden werden können. Im Gegenteil ist sogar davon auszugehen, dass selbst beim Umlegen der Kosten auf eine Vielzahl von Waschmaschinen ein nicht nur unbedeutender Kostenaufwand pro Waschmaschine verbleiben würde; auch ein Betrag von einigen Euros pro Waschmaschine – wie die Klägerin meint – von „deutlich unter € 10,00“ – würde sich angesichts des verbliebenen nur geringen Restrisikos aber als unangemessener Mehraufwand darstellen.
Soweit die Klägerin nunmehr mit Schriftsatz vom 15.01.2014 anführt, es läge ein Instruktionsfehler vor; die Beklagte wäre im Rahmen ihrer Instruktionspflicht verpflichtet gewesen, den Verbraucher darauf hinzuweisen, dass ohne FI – Schalter eine Brandgefahr besteht, verhilft auch dies der Klage nicht zum Erfolg. Ein Produkthersteller ist im Zusammenhang mit der „Darbietung“ eines Produktes, wie die Beklagte zutreffend ausführt, lediglich verpflichtet, auf mögliche Gefahren hinzuweisen, die von dem Produkt selbst ausgehen, nicht aber auf externe Faktoren oder auf jede auch nur entfernt abstrakt mögliche Gefahr. Hier war entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen … schon das Risiko „weiterfressender“ Brände so gering, dass es nach dem Stand der Technik nicht erforderlich war, konstruktiv innerhalb der Waschmaschine hiergegen Vorkehrungen in Gestalt eines Käfigs aus Metall vorzusehen. Die Waschmaschine hatte demnach schon keine gefahrbringende Eigenschaft in sich, die die von der Klägerin angeführten Hinweise erfordert hätte. Darüber hinaus gehört es aber auch zum Allgemeinwissen eines durchschnittlichen Verbrauchers, dass elektrische Geräte in – zum Glück seltenen – Fällen in Brand geraten können und ein „Weiterfressen“ durch geeignete Sicherungen im Haushalt, wie z. B. einen FI – Schalter – zumindest zum Teil – verhindert werden können. Allgemeines Erfahrungswissen braucht aber nicht zum Gegenstand einer Gebrauchsanweisung oder Warnung des Produktherstellers gemacht zu werden. Ein FI – Schalter sollte, wie der Sachverständige … in der mündlichen Verhandlung vom 20.12.2012 ausgeführt hat, im Übrigen grundsätzlich im Wohnungssicherungskasten vorhanden sein. Auch vor diesem Hintergrund braucht ein Waschmaschinenhersteller in seiner Gebrauchsanweisung nicht extra davor zu warnen, die Waschmaschine an einen Stromkreis anzuschließen, der nicht über einen FI – Schalter im Sicherungskasten verfügt. Von einem Hersteller kann nicht verlangt werden, für sämtliche Fälle eines unsorgfältigen Umgangs mit dem Produkt, zu dem auch die fachwidrige Installation oder der Anschluss des Produktes an einen Stromkreis, der nicht – wie grundsätzlich üblich – mit einem FI – Schalter abgesichert ist, Vorsorge zu treffen (vgl. auch BGH, Urteil vom 05.02.2013, VI ZR 1/12, RN 14).
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs.1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Richterin am Oberlandesgericht